Maison Dorin – Teil Zwei.

Pariser Luft weht heute – und zwar mit Un Air de Paris, dem ersten Quartett aus dem Hause Dorin, das ich Euch diese Woche vorstellen möchte.

La tour sombre

Un Air de Paris Classique ist das Herzstück der Serie, wenn nicht gar das Herzstück der Kollektion: Es ist laut Aussage des Hauses der einzige Duft, der auf einer alten Rezeptur beruht, welche aus dem Jahr 1886 stammen soll.

„Floral, Fruity, Woody“ soll er sein – und das kommt eigentlich auch recht gut hin, aber beginnen wir zuerst mit den Noten: Bergamotte, Mandarine und Galbanum in der Kopfnote, Maiglöckchen, Iris, Rose und Ylang-Ylang in der Herznote sowie Sandelholz, Heliotrop und Moschus in der Basis.

Un Air de Paris riecht Vintage, der Duft wurde aber in jedem Fall auf unseren heutigen Geschmack hin behutsam reformuliert. Mir gefällt die Balance, die er zwischen seinen verschiedenen Facetten aufrecht erhält: Die Hesperiden im Auftakt sind spritzig, saftig und dezent zitrisch-herb und bilden mit grün leuchtendem Galbanum einen angenehmen frisch-fruchtigen Gegenpart zu der überaus weichen und warmen Basis, die in ihrer süßpudrigen und mandeligen Art fast schon gourmandig anmutet. Das opulente Blütenherz tendiert in beide Richtungen und schafft somit den Ausgleich: Iris pudert, den Röschen wohnt Fruchtigkeit inne, Maiglöckchen haucht wie häufig saubere Frische ein und Ylang stiftet einen Klecks honigsüßen Nektar.

Die Variation Un Air de Paris Floral brilliert zuallererst – mit ihrer Farbe: Violett ist der Duft, und Veilchen hätte ich somit in dieser blumenlastigen Interpretation der Pariser Luft auch erwartet. Die finden sich nicht im Duft, dafür jede Menge anderer Blüten: Rose, Jasmin, Ylang-Ylang, Narzisse, Zimt, Sandelholz, Gewürznelke, Iris, Heliotrop und Moschus.

Und doch – auf der Haut hätte ich doch schwören können, dass sich in dem Duft Veilchen verbergen. Irgendwo zwischen Narzisse und Iris dürfte der Ursprung für diese olfaktorische Fata Morgana entstanden sein, ist aber eigentlich auch gleich. Für mich riecht Un Air de Paris Floral wie ein Bouquet aus cremigem und überhaupt nicht indolischem Jasmin, einer eher lichten, leicht zitrischen Rose, herber Narzisse und eben Iris, die sich hier überaus veilchenhaft gebärdet. Kleine Kontraste würziger Natur von einer subtilen Schärfe säumen den Duft – Zimt und Gewürznelke dürften dafür verantwortlich zeichnen, während die restlichen Ingredienzen zu einer watteweichen und pudrigen Basis von einer zarten Süße verwoben werden.

Paris

Un Air de Paris Fruity verspricht uns das Paradies:

„No apple in this fruity garden of Eden! Which will tempt you first- the fig or the peach ? Or will it be the magnificent pear or flower garden ?The one sure thing is that you will not be able to resist plucking this delicious scent…“

Das mit den Früchten hat man bei Dorin sehr ernst genommen, wenn man einen Blick auf die Ingredienzen wirft: Bergamotte, Feige, Mandarine, Pfirsich, Seerose, Birne, Jasmin, Rose, Iris, Kardamom, Koriander, Moschus, Sandelholz, Vetiver.

Die obige Frage ist für mich schnell beantwortet – bei dieser Birne brauche ich keinen Apfel, um mich wie im Paradies zu fühlen. Ohnehin ist ja nicht belegt, dass es sich beim Corpus Delicti im Garten Eden um einen Apfel handelte. Das könnte auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen sein – eventuell war der Apfel in Wahrheit eine Feige, und dass diese mehr als verführerisch sein kann wissen ihre Liebhaber, zu denen ich mich auch zähle… In diesem Falle hier bekomme ich aber keine Feige, und selbst wenn ich es weiß finde ich sie allenfalls in Spuren. Dominant ist auf meiner Haut besonders die Birne, eine von saftiger Mandarine begleitete, herb-mehlige Schönheit. Frisch-fruchtige Herbheit, die auf zart-cremige Blüten trifft, von Rose und Seerose wässrige Akzente beziehend. Die Basis darunter ist von typischer Moschusweichheit, deren Wärme von würzigem Sandelholz noch unterstrichen wird. Die Gewürze allerdings sorgen hier für angenehme Kontraste.

Auf meiner Haut dauert es lange, bis der Duft in die Basis übergeht – der Hauptteil des Duftes wird daher von jener Birne auf Blütenbouquet bestritten. Insofern dürfte dieser Kandidat aus dem bisherigen Teils des Quartetts derjenige sein, der meines Erachtens nach am meisten Freunde gewinnen wird. Floral hat einen ausgeprägten Vintagecharakter, dürfte demnach Freunde von Houbigant oder Borsaris Violetta di Parma gefallen.

Spicy, der vierte im Bunde und ebenfalls eine Variation zu Un Air de Paris, hat mit dem Classique eigentlich gar nichts zu tun, was man bereits an den Ingredienzen ablesen kann: Bergamotte, Orange, Basilikum, Thymian, Geranium, Zedernholz, Vetiver, Sandelholz, Castoreum, Muskat, Kumin und Lorbeer.

„A rarity in a collection for women : a more masculine and strong fragrance, full of power and elegance and clothed in spices. Charm apparently equates to deference…“

Spicy ist im Auftakt eher krautig-frisch und in dem Getümmel der Agrumenfrüchte und Kräuter schälen sich für mich Waldmeisternoten heraus, die mich temporär an Nasomattos Absinth erinnern. Diese Reminiszenz lässt Spicy aber sogleich hinter sich und fördert herbe Noten zutage, denen eine seltsam-frische Würzigkeit innewohnt. Lorbeer vermag ich in zivilisierten Rauchschwaden zu entdecken sowie Anmutungen pfeffriger Schärfe, die von Muskat herrühren. Castoreum, für das heute Gott sei Dank kein Biber mehr seine Drüseninhalte stiften muss, kreiert herb-bittere Anklänge, die zum Teil fast harzig wirken – immer sich jedoch vor dem grün-krautigen Hintergrund bewegend, der bei genauerem Hinsehen ledrige Akzente enthält.

Für mich ist Spicy der schönste Duft dieser Reihe – hätte man es aber nicht dazu geschrieben, ich hätte ihn natürlich für einen Männerduft gehalten. Selbstverständlich kann er auch von einer Frau getragen werden, aber – er ist schon weit davon entfernt, das Etikett „Unisex“ tragen zu wollen und dezidiert an eine starke Frau gerichtet. Eine, die die Maskulinität des Duftes verträgt, deren Weiblichkeit jene noch gekonnt unterstreicht.

Morgen geht es ab nach Damaskus mit dem Blütenquartett Un Air de Damas – bis dahin alles Gute,

herzlichst,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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