Maison Dorin…

…hatte ich das allererste Mal auf der Düsseldorfer Global Art of Perfumery dieses Jahr unter der Nase, siehe mein Bericht hier. Und der nette Herr am Stand, der Sohnemann, wollte nicht glauben, dass ich alle Düfte testen mag. Ich wollte, musste, natürlich – obgleich es deutlich mehr als ein Dutzend waren. Nun habe ich sie endlich hier vor mir auf dem Schreibtisch – und möchte Euch kurz und knackig diese Woche alle vierzehn Exemplare vorstellen.

Einiges zur Geschichte des Hauses steht auch in meinem Messeartikel – Dorin gehört mit seiner angeblichen Gründung im 18. Jahrhundert zu einem der ältesten Parfumhäuser, nicht nur in Frankreich, sondern weltweit. Welches das älteste ist? Schauen wir doch mal: Floris 1730, Houbigant 1775, Lubin 1798, Grossmith 1835 – und davor sogar noch: Johann Maria Farina, 1709 in Köln gegründet. In jedem Fall wären Dorin mit ihren Wurzeln im 18. Jahrhundert noch ganz vorne mit dabei in der Riege der Altvorderen.
Die Gründerin des Hauses scheint in der Tat eine Frau gewesen zu sein – Marguerite Montansier, eine zur damaligen berühmte Schauspielerin mit einem ausgeprägten Faible für all die Dinge, die man gemeinhin Frauen zuschreibt: Kosmetik, Pülverchen und Püderchen sowie natürlich – Düften. Das Haus Dorin scheint dann eine jener typischen Karrieren hingelegt zu haben: Man war natürlich Lieferant des französischen Königshofes, beliebt beim Adel, exportierte die Produkte alsbald im 19. Jahrhundert in die halbe Welt und erlebte glänzende Zeiten – vermutlich bis irgendwann ins 20. Jahrhundert herum, wo es dann still um Dorin wurde.

Ich finde derlei Geschichten immer furchtbar: Alte Traditionshäuser, nach jahrzehntelangen Glanzzeiten dann Mitte des letzten Jahrhunderts auf der Strecke blieben. Nur wenige schaffen den Absprung, können dank neuer Eigner und einer geglückten „Wiederbelebung“ in neuem Licht erstrahlen – siehe zum Beispiel Lubin, vom neuen Käufer wieder zum Leben erweckt, nachdem man das Haus, mittlerweile im Besitz eines riesigen Konzerns, eigentlich einstampfen wollte. Oder auch Acqua di Parma. Und ebenso Maison Dorin, die 1998 von der Familie Nasri übernommen wurden. Deren erster Streich war die Candle Light Collection zum Gedenken an Lady Di, Prinzessin Diana. Alsbald folgte dann die Neulancierung eines alten Klassikers: Un Air de Paris, ursprünglich aus dem Jahre 1886 stammend, dem drei Variationen namens Fruity, Floral und Spicy als Begleitung geschenkt wurden. Alle vier bilden die Un-Air-de-Paris-Serie, zu der sich noch die Un-Air-de-Damas– und die Un-Air-d’Arabie-Serie gesellten sowie das Duo Un Air d’Amour, mit dem ich heute beginnen werde.

Liebe liegt hier also in der Luft – Un Air d’Amour, einmal Pour Madame und einmal Pour Monsieur, adrett wie es sich gehört nach Geschlechtern getrennt. Schauen wir uns die Liebelei gleich näher an:

Pour Madame ist allen Frauen gewidmet, na klar – den femininen, selbstbewussten und lebenslustigen, die Freude am Leben und der Liebe haben. Ein junger Duft soll es sein und natürlich einer, der „verführische Kraft besitzt“ – umgesetzt mit Ylang, Magnolie, Freesie, Tuberose, Patchouli, Zimt, Sandelholz, Gewürznelke, Zedernholz, Weihrauch, Moschus, Pfirsich, Himbeere, Vanille und Pflaume.

Diane Kruger at 2008 Venice Film Festival-01

Pour Madame verdeutlicht bereits im Auftakt die Handschrift, die die ganze Kollektion trägt: Eine typisch französische. Das sollte ich vielleicht auch noch vorwegschicken: Man sollte, man muss französische Düfte mögen, um mit Dorin warm zu werden. Das Haus verleugnet die landeseigenen Traditionen nicht, ganz im Gegenteil – es lebt sie mit Haut und Haar. Auf zeitgemäße Art zwar, aber dennoch in klassischer Weise.

Mit der Dame gestaltet es sich sehr ähnlich: Im Kopf brilliert Pour Madame mit floral-fruchtiger Frische – Pfirsichnoten, wässrig unterstrichen von Freesie und Magnolie zaubern Transparenz. Beerennoten vermag ich wahrzunehmen – sie sind süß-samtig-roter Natur. Als Himbeere allerdings kann ich sie weder auf der Haut noch auf dem Streifen zweifelsfrei identifizieren. Das tut dem Duft keinen Abbruch, der alsbald kecke Zimtnoten offeriert, die im würzigen Verbund mit (für ihre Verhältnisse dezenten) Gewürznelken kokett kontrastieren. Diese Schiene gefällt mir überaus gut, führt sie doch auch in die warme und verhalten harzige Basis, in der eine aus Patchouli herausragende Pflaume die Oberhand gewinnt.

Pour Madame ist wirklich jung, aber gleichzeitig auch klassisch, was unter anderem den Chypre-Anleihen geschuldet ist – vielleicht eine Diane Krüger im Chanel-Kostümchen? Ich glaube, das käme ungefähr hin.

Gentleman

Mit Pour Monsieur hat man ihr einen überaus adretten Gentleman zur Seite gestellt, der sich vor seiner weiblichen Begleitung mitnichten verstecken muss: Lavendel, Muskat, Weihrauch, Iris, Sandelholz, Zedernholz, Moschus, Tonkabohne und Vanille flossen in diese Kreation mit ein, die mir außerordentlich viel Freude macht. Keine Frage – es ist ein überaus smarter Mann im Smoking, den ich mir hierzu vorstelle, Jean Dujardin vielleicht? Einem Sean Connery würde er natürlich auch stehen, dieser Monsieur. Kurzzeitig spritzig wirkend schwenkt Pour Monsieur alsbald zu seinem wahren Naturell hinüber: Einem trockenen Charakter voller Präsenz, trotz seines Understatements. Krautig-herber lavendel, erdige Iris mit einem Hauch Puder, ein Klecks rauchiger Schärfe und Leder, das sich opulent aus dem Geschehen herausschält. Zeder säubert, Sandel wärmt im Zusammenspiel mit den vanilligen Freunden in der Basis – und schon ist er fertig, der Mann. Und was für einer – ein ausgesprochen maskuliner und markanter mit einem Quentchen Eigenironie, der präsent ist, sich aber nicht in den Vordergrund drängt.

Mit diesem schönen Pärchen verlasse ich Euch für heute. Morgen geht es weiter mit Un Air de Paris – bis dahin alles Liebe und viele Grüße,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Michael Grob
    29. Juli 2012
    Antworten

    Hallo Ulrike,

    zu Deinen vier Berichten fällt mir eigentlich nur ein Wort ein: Grandios!!!!
    Herzlichen Dank und viele Grüße, Michael

  2. Avatar-Foto
    Ulrike
    31. Juli 2012
    Antworten

    Hallo lieber Michael,

    ganz vielen herzlichen Dank für das Kompliment! Derartiges läuft natürlich immer runter wie (Parfum)Öl 😉 Freut mich sehr, dass Dir meine Berichte gefallen haben.

    Alles Gute und viel Freude weiterhin beim Lesen,

    Ulrike.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert