Von Torre of Tuscany…

… war bereits vor einem Monat die Rede – und zwar von deren Raumdüften, die es mir auf der Düsseldorfer Global Art of Perfumery so angetan hatten. Vorgestellt hatte ich Sie hier und hier. Wie damals versprochen reiche ich nun die Rezension der Düfte nach, über die ich in meinen Messeberichten Folgendes notiert hatte:

Die Kollektion Torre of Tuscany, eine neue Linie von Enzo Torre aus dem Hause Profumi del Forte. In ihrer Heimat hatte man sie schon auf der Messe vorgestellt, nun sind sie endlich auch bei uns gelandet: Fünf Düfte sowie sechs Raumdüfte, die sowohl als Kerzen, Diffusoren als auch als Sprays zu haben sind. Ganz besonders an dieser Kollektion ist, dass sie einerseits ganz typisch italienischer Natur ist, andererseits allerdings vollkommen zeitgemäß interpretiert ist. Prägnante Düfte von erlesener Qualität in sehr hoher Konzentration (die Düfte sind alle Eau de Parfums), die die Handschrift ihrer Heimat pflegen, aber eine Modernität an den Tag legen, die man bei vielen heimeligen italienischen Häusern in dieser Form vergebens sucht. Eine überaus interessante Ambivalenz, die für mich noch mehr an Reiz gewann, als ich die Diffusoren unter der Nase hatte…

Vetiver Moderno, Mughetto Verde, Colonia Toscana, Muschio Marino und Corpi Caldi heißen sie, die Düfte, und stehen ihren Raumbeduftungsverwandten in nichts nach, was Komplexität und Qualität angeht.

Beginnen wir doch gleich mit Vetiver Moderno:

„Der Wunsch nach Sicherheit. Klassische Ambitionen. Die Wiederentdeckung der täglichen Gesten bringt neue Emotionen. Ein weiches, elegantes Parfum das süß-florale Akzente mit tiefen ausgeglichenen Hölzern und Moos kombiniert.

Ein Schwarz-Weiß-Film. Transparente Atmosphäre. Gewichtige Expressionen. Die wohlige Gewissheit einer unschuldigen und verantwortungsvollen Welt. Dieser Duft ist wie ein Maßanzug, perfekt und unendlich elegant, mit dem vollen Bewusstsein zu tragen, Stil zu haben.“

Vetiver Moderno ist mein Favorit der Kollektion und für mich ein Must-Have zur Erweiterung meines Vetiver-Repertoires: Die bösen Buben habe ich schon (Route du Vétiver von Maître Parfumeur et Gantier, Vétiver von Etro und den gleichnamigen, leider vergriffenen aus dem Hause L’Artisan Parfumeur) genauso wie die warmen Brüder (Byredos Bal d’Afrique und Vétiver Tonka von Hermès), die rauchige Salzfraktion ist für mich mit Sél de Vetiver von The Different Company abgedeckt genauso wie mit Sycomore von Chanel, dem eleganten, und mein Lieblingsgräslein Vetiver 46 von Mark Buxton für LeLabo steht natürlich auch noch hier. Eigentlich dachte ich, ich bräuchte allenfalls noch den Vetiver Extraordinaire von Malle und vielleicht noch Red Vetyver von Montale – bis ich neulich bei einem Test von Tom Fords Grey Vetiver entdeckte, dass ich gerne noch einen zarteren Vetiver hätte. Leider konnte Ford die Nische nicht füllen, denn er war mir streckenweise einfach zu eindimensional.

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Ich denke, dieses Problem dürfte jetzt gelöst sein – mit Vetiver Moderno. Dezent und doch kraftvoll ist das bezaubernde Gras hier umgesetzt, und mit so viel Herzblut, Verständnis und Liebe zum Detail: Im Auftakt deutlich wahrnehmbar versprühen Rhabarber und Grapefruit frische Herbheit und fruchtige Säuerlichkeit, die ideal mit dem grasig-salzigen Vetiver harmonieren. Bittersüß-fruchtig-salzig – was für eine betörende Kombination. Muskat würzt sacht und ohne Pfefferschärfe, während das unprätentiöse Herz bis auf Lavendel den Blümchen gehört. Ersten nehme ich eher weniger war, auch das Blütenbouquet ist weniger vereinzelt aufgeführt als zusammen als eine Stimme eingeführt: Maiglöckchen, Jasmin, Gardenienblätter, Iris und Rose singen hier ein frisch-florales Lied, das sehr sauber anmutet. Sauber ist ohnehin das Stichwort – dieser Vetiver ist sauber, ein klein wenig seifig, seidig und sanft. Und Savile Row, wenn wir in der Anzug-Terminologie des Pressematerials bleiben wollen: Das hier ist ein Massanzug. Understatement zeichnet ihn aus, der vom wahren Kenner an seinen kleinen Feinheiten erkannt wird. Kein Bling-Bling mit ausgefallenen Schnörkeln, Monogrammen oder ähnlichem Mumpitz, nein, der Luxus liegt hier im Detail, in den Ingredienzen und deren meisterhafter Verknüpfung. Fast hätte ich in meiner Schwärmerei die Basis vergessen – Zeder, jene Sauberkeit forcierend, ein bisschen Patchouli, Ambra, Moschus und Guajakholz, das ich ebenfalls wahrzunehmen meine. Der Duft wärmt einem von Anfang das Herz – und die Basis später dann auch etwas die Haut. So ist es fein.

Visione

Mughetto Verde ist unser zweiter Kandidat:

„Ein durchsichtiger frischer Duft, so grün und friedlich wie unser urbaner Lebensrythmus sein sollte. Ein einfaches Lächeln von Blumenblüten und Blättern. Die Transparenz von Wasser. Tausend Noten von Blumen, die gerade süß und aromatisch, berauschend und stolz werden.

Einen Garten in der Stadt haben. Zur Arbeit mit dem Fahrrad. Blumen und Früchte in einem kleinen Stadtgarten ernten. Mit der Mutter Erde in Kontakt sein. Essenzen voller Optimismus und Leichtigkeit, sich als Teil eines perfekten Ganzen fühlen.“

good morning vicenza

Frank Bramley - Delicious Solitude 1909

Ein frisch-floraler Duft ist Mughetto Verde ohne Zweifel, und grüne Anklänge hat er auch – aber transparent? Jein. Mughetto Verde zeichnet mitnichten „nur“ ein einzelnes Maiglöckchen oder gar eine Schar derselben nach – der Duft fängt vielmehr die Impression eines frühlingshaften Gartens ein: Frische Maiglöckchen, kühle Sauberkeit ausstrahlend und von Blattgrün umrankt, daneben deutlich wahrnehmbare Weißblüher, ein anfänglich leicht indolischer Jasmin, der seine „Schärfe“ allerdings schnell verliert, Alpenveilchen, Orangenblüte und Ylang. Ein Hauch Exotik und florale Süße, viel Creme und noch mehr Frische, wozu eine helle Rose und ein Duo aus aquatisch anmutender Freesie und Narzisse ihren Beistand leisten.

Für mich ein gut gepflegter europäischer Garten in der Frühlingssonne nach einem Regenschauer – schön!

Morgen geht es weiter mit den übrigen drei Düften der Torre of Tuscany-Kollektion – bis dahin alles Gute und viele Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Barbara
    19. Oktober 2013
    Antworten

    Mein erster Vetiver-Duft habe ich gefunden. Vetiver Moderno.
    Und jetzt weiss ich es definitiv: Es ist Vetiver, den ich bei Encre Noire pour homme so herrlich finde.

    Nobile 1942 – Infinito ist auch sehr schön. Aber für mich ein Tick zu männlich. Vetiver Moderno ist der Vetiver-Duft, den (momentan) gesucht habe. Wieso momentan? Vetiver-Düfte sind ein weites Feld, liebe Ulrike, wenn ich Deine Aufzählung lese.

    Sel Marin von Heeley habe ich auch noch zum Testen. Von Sel de Vétiver von TDC gibt es zum Glück derzeit keine Abfüllung ;-).

    Heeley hat mich übrigens mit seiner „Ophelia“ überrascht. Nach Iris de Nuit habe ich mir irgend etwas Ätherisches/Dezentes vorgestellt. Mitnichten. War ganz erstaunt. Ich finde die Ophelia wirklich bezaubernd.

    Liebe Grüsse,

    Barbara

  2. Ulrike
    24. Oktober 2013
    Antworten

    Huhuu liebe Barbara,

    jaaa, wer Encre Noir Pour Homme mag, mag Vetiver. Und wer derart zarten leisen Vetiver mag, der MUSS Vetiver Moderno lieben 🙂 Ich muss mal bei Gelegenheit überlegen, was für andere sachte Vetiverdüfte mir noch einfallen, bin ja auch ein großer Fan dieses Grases.

    Heeleys Ophelia liebe ich im übrigen auch 🙂

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

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