Wie ich in meinen Messeberichten von der Düsseldorfer Global Art of Perfumery bereits begeistert angesprochen hatte, sind jetzt auch die Italiener von Xerjoff auf das Oud gekommen und haben soeben eine heiß ersehnte und weltweit herbeigesehnte Kollektion namens Oud Stars lanciert. In allen möglichen Parfumforen, -plattformen, -boards und so weiter und so fort brodelt es seit geraumer Zeit – alle wollen sie testen, die sechs neuen Schönheiten, über die ich bereits Folgendes berichtet hatte:
„Und, bevor jemand gelangweilt entgegnet, dass wir ja genug Oud in letzter Zeit hatten – mag sein. Diese Schätzchen hier tragen ihren Prominamen aber durchaus zu Recht: Im Internet werden sie schon sehnsüchtig erwartet, in diversen Foren scharrt man mit den Hufen, wann sie denn nun endlich, endlich kommen. Die Erwartungen sind hoch – weil das Haus Xerjoff, das mich zuletzt mit seinen Sospiro-Düften begeisterte, eben immer einzigartige Qualität offeriert. So auch in diesem Fall: Verarbeitet wurden für die sechs Oud Stars unterschiedliche Oudsorten, und zwar Oud aus Laos, Borneo und Indien. Echtes Oud, logischerweise. Denn mittlerweile wird bei der Masse an Ouddüften, die inflationär den Markt überschwemmt, auch alles mögliche Andere, zum Teil auch synthetische verwendet.
Das ist hier natürlich nicht der Fall – „the pure juice“ wurde hier verarbeitet und das riecht man mit dem ersten Atemzug: Sehr präsent ist die Riege und verkörpert all das, was Oudfans lieben. Ich bekomme noch beim Schreiben eine Gänsehaut, den auch mich fasziniert diese Ingredienz seit je her – und diese Serie ist eine so markante, gewagte und meisterliche Hommage an jenes verharzte Holz, wie sie selten anzutreffen ist. Diese Düfte, meine Lieben, sind ihren Preis absolut wert und haben sich von Null auf Hundert in die Meisterklasse der Ouddüfte zu Mona di Orios Oud, by Kilians Pure Oud und anderen katapultiert. Für Fans ein Must-Try. Für alle anderen eigentlich ebenfalls, denn hier zeigt sich, was Oud ist und was Oud kann. Und warum es eine der teuersten Ingredienzen und einer der teuersten Stoffe der Welt ist. Benannt sind die sechs Kostbarkeiten nach Bezeichnungen und Namen arabischer Städte und Menschen und sind angelehnt an die aus dem 14. Jahrhundert stammenden mittelalterlichen Reiseberichte von Ibn Battuta, der als Marco Polo der arabischen Welt gilt: Mamluk, Fars, Al Khatt, Gao, Najaf und Zafar.“
Die Faszination ist geblieben – und leider in großen Teilen in ungezügelte Leidenschaft und zum teil auch wilde, ungestüme und heiße Liebe ausgebrochen, weswegen ich mich natürlich postwendend bei meinem Lieblingsvertrieb beschwert und bei meinem Chef eine Bitte um Gehaltserhöhung eingereicht habe. Am liebsten hätte ich sie nämlich gern alle sechs. Zwei aber müssen es mindestens sein… hach… Ich will gar nicht lange herumreden – stürzen wir uns gleich ins oudige Getümmel…
… mit Mamluk, bei dem ich sofort an Elvis denken muss:
Devil in Disguise, der Wolf im Schafspelz oder auch der Engel, der sich bei näherer Betrachtung als göttliche Ziege entpuppt. Bergamotte, Honig, Karamellnoten und Benzoeharz hat man hier verbraten samt einem blumigen Herzen aus Jasmin und Osmanthus, ambriert von Vanille und Moschus untermalt. Und dann ist da eben noch das Oud, das in Mamluk aus Indien stammt.
Der Duftverlauf? Auf den ersten Blick erscheint ein goldener Horizont, von Honig getränkt und mit karamellisiertem Zucker durchwirkt. Ein deliziöser Gourmandengel, von weitem, der sich, je näher er kommt, als animalische Femme Fatale entpuppt. Das indische Oud, bekannt für holzig-kräftige Untertöne und eine Tendenz ins, ich will mal sagen – Körperliche, zeitigt hier seine Wirkung und vollführt nicht nur holzige Kunststücke, sondern lässt die Schöne in einem anderen Licht dastehen: Verrucht wirkt sie, weil sie schon eine Weile in der heißen Sonne stand, der güldenen. Man riecht sie, riecht ihren Körper. Und die ganzen Blümchen, der Osmanthus, der pfirsich-samtig sie umrankt, sowie der sandige Vanillewüstenboden mit staubtrockener Ambra versetzt unter ihren Füßen – sie alle täuschen uns nicht darüber hinweg, dass wir es hier mitnichten mit einer unschuldigen Schönheit vom Lande zu tun haben, einem schüchternen Mauerblümchen. Hinter dieser Fassade lauert ein Vamp, der in seiner Honigsüße nicht rot wird beim Lügen und der es trotz seiner süßen Seiten faustdick hinter den Ohren hat.
Der Name von Mamluk stammt im übrigen von den Mamluken, die ursprünglich höher gestellte Militär- vielmehr Königssklaven im Mittelalter waren, und ab dem 9. Jahrhundert gar eigene Reiche und Dynastien gründeten. Diese Kriegerelite prägte über Jahrhunderte die Zeitgeschichte – und bei meiner Recherche habe ich sogar Fotos von Mamlukischen Parfumgefässen gefunden: Bauchig rund sehen sie so aus, als ob sie einen Dschinn beherbergen – vermutlich obigen Mamlukduft, der, einmal freigelassen, genauso wie seinen Ahnen keinerlei Gefangene macht… Abschließend bleibt mir nicht viel zu sagen außer – ich ergebe mich. Unconditional surrender. Mamluk ist sexy as Hell.
Gao (dessen Name auf das vorislamische Reich im heutigen Afrika hindeutet) erscheint mir hier als passendes Pendant gewählt, ist er doch so maskulin wie Mamluk feminin ist: Den Auftakt macht Safran, der einem in einer so gewaltigen Explosion in die Nase fegt, dass es mir fast den Atem raubt – nie, niemals nicht habe ich Safran in einer solchen Intensität in einem Duft wahrgenommen, jenen eigenartig-exotischen Duft von Bitterkeit, der an Gewürze erinnert und fast immer leicht pilzige Anklänge besitzt, die durch das Oud noch unterstrichen werden. Ich gehe hier schon in die Knie, die weichgewordenen, und mein Herz pocht und rutscht umher… Leuchtendes Dunkelrot, lange während. Diese Kraft ist unfassbar und – einzigartig. Und das, was danach kommt, zeigt sich nicht minder schön: Gurjumharz wärmt zusammen mit staubtrockener Ambra, während Zeder ernsthaft und majestätisch den Safrangenuss verlängert, überschattet und behütet von herbem Wacholder samt fruchtiger Anklänge. Und dann ist da eben noch das Oud, das diesmals aus Laos und aus Thailand, das holzig-harzgetränkt und medizinisch auftritt, sobald der Safran sich ein wenig zügelt, und bis ans Ende des Duftverlaufes präsent ist, dezent vor sich hinrauchend.
Nicht, dass Gao nicht auch einer kernigen Frau stehen würde. Aber trotz allem ist er – männlich. Viril. Präsent. So natur-cool, lässig und überlegen, wie es nur ganz bestimmte Männer hinbekommen. Hach… Ehrlich gesagt habe ich jetzt schon Angst, die restlichen Düfte genauerer Test zu unterziehen… Je länger ich meine Nase über Handgelenk und Teststreifen kreisen lasse, desto stärker wird der Tunnelblick, desto obsessiver der Haben-Wollen-Reflex und desto mehr bin ich in einer Gedankenspirale des inneren Gänseblümchen-Pflückens verhaftet: Ich brauche sie, ich brauche sie nicht, ich brauche sie… ich will sie… ich kaufe sie, ich kaufe sie nicht, ich kaufe sie…
Vielleicht habe ich mich ja bis morgen wieder etwas im Griff – versprechen kann ich es allerdings nicht.
Viele kopfverdrehte Grüße,
Eure Ulrike.
*schmunzel*
Guten Morgen liebe Uli,
hach ja! *tief seufz*
Da bin ich also in allerbester Gesellschaft mit meiner Gier nach Mamluk! Das ist tatsächlich einer jener Düfte, bei denen es nur eine Frage der Zeit ist: Kann ich mich ein wenig beherrschen oder muss ich SOFORT?! Bisher bin ich Sieger gegen die Zeit, mal sehen wie lange noch… *schmacht*
Klar ist jedoch: Mamluk ist die köstlichste Oud-Verführung, die mir seit langem vor die Nase gekommen ist!!
Sehnsuchtsvolle Grüße
Evelyn
Oh ja, liebe Evelyn, Gier ist genau das richtige Wort dafür. Wie Du aber mittlerweile bemerkt haben dürftest – ich bin leider nicht nur nach einem der Oudstars gierig… Ich brauche alle, mindestens jedoch vier *jammer*
Und ich finde das Bild zu Mamluk SO passend – Du nicht? 🙂
Viele liebe Grüße zurück,
Uli.
Was für eine treffende Beschreibung! Ich hatte letztens die Möglichkeit, den Duft zu testen, und war ihm sofort verfallen. Obwohl ich das schon nach Ihrer Rezension gewusst habe – das ist er! Ich hätte nie gedacht, dass sich ein Oud-Duft für jemanden eignet, die zu starken Kopfschmerzen neigt. Deswegen habe ich mich noch nie an so etwas herangetraut…dieser Duft ist aber der Volltreffer: einfach nur lecker und absolut wohltuend. Den muss ich unbedingt haben! Die restlichen fünf sind sicherlich auch gut, auf Ihre Beschreibung kann ich vertrauen:-). Zum Glück gibt es das Discovery Set. Vielen Dank, liebe Ulrike, dafür, dass Sie den Suchenden den Weg weisen:-)
mit dem Ganzen war Mamluk gemeint:-)
Liebe Grüße,
Lena.
Aber sehr gerne doch, liebe Lena! Und es macht mich wirklich glücklich, wenn ich jemand mit meinen Rezensionen den Weg zu einem neuen persönlichen Holy Grail ebnen kann!
Viele liebe Grüße,
Ulrike.
Endlich bin ich wieder da und kann mich wieder zumindest kurz den wirklich wichtigen und spannenden Sachen im Leben widmen;-)! Ich habe natürlich in dieser Zeit alle Rezensionen und Kommentare von Blog-Koryphäen gelesen (an dieser Stelle ganz liebe Grüße an alle, die meine tägliche Blog-Lektüre zum richtigen Genuss und zu einer kleinen Entspannung machen). Trotz der stressigen Wochen blieb ich Ihnen, liebe Ulrike, treu und habe in dieser Zeit Einiges erlebt. Ich berichte:
– Mamluk (inzwischen bin ich stolze Besitzerin von sechs Discovery-Kostbarkeiten) ist eindeutig mein persönlicher Heiliger Gral, noch nie hatte ich so starke Emotionen im Zusammenhang mit einem Duft gehabt. Das ist wahrlich ein Kunstwerk! Fast zu schade für meinen Alltag, den ich doch meistens am PC verbringe. Herangetraut habe ich mich auch an Fars und Al-Khatt, die restlichen drei sind für mich noch unerreichbar, wie es mit der Kunst oft ist? Ich brauche etwas Zeit und eine ruhige Phase, um mich mit Ehrfurcht und Respekt den Schätzen zu ergeben…..
– Besten Dank, liebe Ulrike, für Aedes de Venustas: Ich besitze den noch nicht, aber es gehört definitiv zu meinen Lieblings-Düften. Mit sowas fühle ich mich sophisticated und irgendwie besonders, vom Durchschnitt und Klischee ganz weit entfernt. Der Wunschzettel ist im „richtigen“ Portemonnaie gelandet, und ich freue mich umso mehr auf diesjährige Weihnachten?.
– Lady Vengeance wurde spontan in einer Stadt-Parfümerie gekauft (Sie sehen schon, als Neuling in dieser großen unbekannten Welt folge ich erst fleißig Ihren Empfehlungen und versuche erst, Ihre Favoriten „abzuarbeiten“?) und freut mich jedes Mal mit seiner klaren, eleganten und doch sehr verführerischen Weiblichkeit.
– Philosykos ist ein Traum! Der Duft ist bereits unterwegs und verspricht, meinen freien Tag morgen noch besser zu machen als so ein freier Tag sowieso schon ist?.
– Still Life hat beim dritten Schnuppern meine große Sympathie verdient. Noch mal lieben Dank an ALzD und Harmen persönlich für das nette Proben-Gewinnspiel! Das Parfum scheint mir für die Arbeit wie geschaffen zu sein: nicht wahnsinnig kompliziert, nicht störend, dabei aber doch sehr interessant und auf keinen Fall langweilig. Ein weiterer Antrag für die Wunschliste. Der von vielen geschätzte Lumière Blanche war leider nichts für mich – zu skinnig, zu milchig, zu mild, das absolute Gegenteil vom fast verstörenden Bild von Massimo Vitali.
– Nach Ihrer wunderschönen Rezension musste ich La Danza delle Libellule blind bestellen, so sehr hat sie mich beeindruckt. Und das Ergebnis hat mich nicht enttäuscht! Diesen köstlichen Duft trage ich zwar nur zuhause. Er entspannt mich so, dass ich damit fast immer den Sofazugang antrete? Ein wahrer Seelenschmeichler………ein Wochenende-/Urlaub-/ ZUHAUSE-Duft.
– Noch unzählige Abfüllungen sind „in Arbeit“. Manche habe ich bereits zur Seite gelegt: Es sind viele Entdeckungen dabei, auf die ich mit aller Gelassenheit zurückkommen möchte, aber auch ein Paar Enttäuschungen. Ich ernte immer wieder verwirrte Blicke von meinen Lieben, Menschen wie Tieren (mit großer Neugier wird Neues beschnuppert?). Übrigens, zu einer irgendwann von Ihnen gestellten Frage : mein süßes Mädchen, die über Alles geliebte Katze Lusya, ist total verrückt nach allen Maria Candida Gentile Düften, besonders hat es ihr Gershwin angetan?.
Noch mal allerliebsten Dank, liebe Ulrike, für diese tollen Erlebnisse und Inspirationen, ohne Sie und alle, die im Blog mitschreiben, wäre das Ganze bei Weitem nicht so schön. Nur habe ich ein Problem: Was mache ich nun mit allen meinen Mainstreamern? Abgesehen von ein paar richtig gut gelungenen, die ich nicht missen möchte, kann ich die restlichen paar Dutzend ruhig entbehren. Viele habe ich bereits verschenkt, weswegen schon die Frage kam, ob es mir denn gut ginge oder warum ich mich langsam von meinem Besitz verabschiede? 😉 Mir geht es aber, was Düfte angeht, wohl besser als je zuvor!
Mit besten nächtlichen Grüßen,
Lena.