Eine Oudwoche…

…eröffne ich heute. Und trete an, den Skeptikern unter meinen Lesern zu beweisen, dass diese herrliche Ingredienz so vielfältig ist, dass es noch jede Menge neue und unbekannte Facetten auszuloten gilt – was Histoires de Parfums mit ihrer Edition Rare und Xerjoff mit ihren Oudstars getan haben. Oudliebhaber sollten ihre Brieftaschen dieser Tage festhalten – und von denen, die sich bisher gegen dieser Leidenschaft gefeit sahen, sollten einige auch besser Vorsicht walten lassen…

Histoires de Parfums neue Edition Rare umfasst drei Düfte, die ich auf der Messe bereits kennenlernen durfte und die sich allesamt dem Stoff, aus dem die Träume sind, verpflichtet haben:

„A modern inception of Oud… When the Aquilaria tree, a once pale-colored, thriving wood, becomes infected with a type of mushroom, it defends itself by exuding a dark and rare resin. Oud or Agar wood is born…Traditionally used in Far East lands and highly esteemed for its aromatic power, it is an essence so fragrant, complex and rich that we imagine it being used by Arabian Kings. It is a precious gift from the Earth’s naturality.“

Als Absolu de Parfum hat er sie herausgebracht, der Herr Ghislain, seines Zeichens die Nase hinter Histoires de Parfums:

„Perfumer Gerald Ghislain transforms and redefines with his creative brilliance. Dominated by the rare and precious Oud, this exclusive collection is deliberately embellished with a palette of Petrol, Rose and Amber, materials long used in traditional perfumery. He has revealed their fierce strength, veracity and raw beauty making each an emblem of our natural Earth, undisturbed by human interference… Plants, Minerals and Animals.“

Drei Bereichen sind die Düfte gewidmet, die in der englischen Sprache elementar sind, denn in diese lässt sich so gut wie jedes „Ding“ einsortieren: Animal, der Bereich des Lebendigen oder, enger, der Fauna, Vegetable, bei Ghislain Vegetative genannt, der Bereich desjenigen, das vor sich hin wächst und wuchert, also die Pflanzenwelt oder auch Flora sowie Mineral(e), der Bereich dessen, was weder lebt noch wächst und oft von tief unten kommt. Den Bereich des Animalischen deckt Ambra ab, die Rose steht für die Flora und Petroleum für die Erde.

Hier liegen sie nun vor mir ausgebreitet – und erinnern mich als allererstes an den Animal-Vegetable-Mineral-Man, jenen amerikanischen Mutantenschurken aus dem DC-Comic-Universum der Sechziger Jahre, der sich in alles verwandeln konnte, das lebt, kreucht, fleucht, wächst oder eben auch nicht (und letztendlich von der Doom Patrol besiegt wurde, trotzdem). Wieso? Weil das verbindende Element Oud hier Zauberkräfte hat: In jedem der Düfte nachweislich vorhanden, zeigt es sich überraschend verkleidungsfreudig. Oud ist die Gemeinsamkeit, die sich wie ein roter Faden durch das Trio zieht und die ansonsten sehr unterschiedlichen Düfte eint, gewollt. Jene charakteristische Seite des Ouds, medizinisch anmutend sowie holzig-rauchig und bis in die Tiefe harzgetränkt, aber drei Mal gänzlich unterschiedlich interpretiert.

Beginnen wir doch gleich – mit dem Tier, mit Ambrarem:

„An expression of desire and passion, Ambrarem is a force of irresistibility that stirs the senses. A dramatic alchemy composed of marine, distinct animalic notes from Oman waters. A white rose craves for the touch of a precious untamed iris as the proufoundly green gaic casts a spell of addictive raw pleasure… A lethal dose of power.“

Ambrarem kündigt sich gleich gewaltig an – eine unwiderstehliche Kraft, ein Ausdruck von Begehren und Leidenschaft, hier wird mit Superlativen nicht gegeizt. Und doch wird, wer einen kräftig-würzig-warmen Amberduft erwartet, schwer verwundert sein…

Frisch aufgesprüht pfeffert Ambrarem einem die Nasenflügel gewaltig, um hernach sofort in den Lockmodus umzuschalten – weißschokoladige Iris steigt in mein geneigtes Näschen und umgarnt mir die Sinne dezent pudernd und metallisch. Tänzelnd bewegt sich Ambrarem lange Zeit zwischen dieser samten anmutenden Königin der Blumen und dem König der Gewürze, Safran, die ihm genuine herbe Bitterkeit ausstrahlend. Oud rahmt hier nur ein mit seinem rauchigen Naturell, von den Hölzern und Harzen der Basis sowie der Vanille unterstützt. Daraus entsteht für meine Nase der Eindruck von trockenen Tropenhölzern, von schwerem, exotisch duftenden Holz. Wo ist das Tier abgeblieben? Das ist die ganze Zeit präsent, und zwar auf vollkommen subtile Art. Ambrarem ist nicht platt-animalisch oder dämpfig-schwül, er zeigt eine sehr feinsinnige animalische Natur.

Für mich wäre Ambrarem, obgleich sehr gut von einer Frau tragbar, der Wunsch-Mann: Ein geistvoller Charakterkopf mit Manieren, bestimmt, von sich überzeugt, aber auf angenehme Weise zurückhaltend. Elegant in der Haltung, ambivalent, mit ordentlich Tiefgang ausgestattet. Und einer, der Mann ist, ohne seine Maskulinität ständig vordergründig zwanghaft-infantil präsentieren und zelebrieren zu müssen. Sexy, sehr sexy meine Lieben.

Und bitte nicht ins Bockshorn jagen lassen: Ambrarem ist weniger ein klassischer Ambraduft (obgleich er davon in der Basis natürlich einige Anklänge zu offerieren vermag), als vielmehr ein herrliches Zwiegespräch von Iris und Safran vor einem perfektem Oudhintergrund, der im Abgang trocken-ambriert erscheint.

Morgen geht es weiter mit Rosam und Petroleum – bis dahin alles Liebe,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Leda
    19. August 2012
    Antworten

    Hallo Ulrike, als noch immer glühende Verehrerin UND Trägerin von Mazzolaris „Lui“ machte mich „Ambrarem“ nun doch erstmal nicht nur sprachlos…ich stand mit offenem Mund, meinen Arm zum Schnuppern noch immer staunend an die Nase gedrückt als mir dann endlich ein ersticktes, stotterndes, aber durchaus positiv überraschtes „..was..ist..denn..das..??…“ entfuhr. Oh – Sie haben mal wieder Recht – dieser Duft ist sehr wohl auch für Mädchens geeignet, zum Beispiel für solche wie mich! 😉 Kurz nach dem Aufsprühen erinnert mich Ambrarem an etwas sehr Androgynes…an ein ungemachtes Bett…ein ganz klein wenig rauchig- abgestanden, aber nicht im verlotterten sondern durchaus animalisch- erotischen Sinne …sollte etwa tief in mir ein winzigkleines, verr(a)uchtes Luder schlummern? 😉 Während mich „Lui“ auch wochentags von früh bis abends einhüllt, zumindest an nicht ganz so heißen Tagen des Jahres, wird Ambrarem eher wohlüberlegt von mir ausgeführt werden;-)
    Vielen Dank für Ihr gutes Näschen und die außerordenlich „zielgenauen“ Beschreibungen mit all ihren treffenden und „wort- überbordenen“ Vergleichen, sie sind immer wieder ein Lesegenuß!

    Ihre Leda

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