… ist der Neuling in dem Sortiment von Annick Goutal und lässt einen sofort an Van Goghs gleichnamiges Gemälde denken – die Sternennacht. Nicht die einzige Assoziation, die mir dazu in den Sinn kommt – an zweiter Stelle folgt sogleich eines meiner Lieblingsgedichte, Eichendorffs Mondnacht. Es ist eines der bekanntesten romantischen Gedichte, was seiner Schönheit meines Erachtens nach aber keinerlei Abbruch tut:
Mondnacht Es war, als hätt‘ der Himmel Die Erde still geküsst, Dass sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müsst. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis‘ die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus.Meines Erachtens nach hat man in der Schule, zumindest in meiner, damals alles verbockt bezüglich der Romantiker. Es reicht eben nicht, ein, zwei sehnsuchtsvolle Naturgedichte hingeworfen zu bekommen, um sich für die Romantik begeistern, ja vielmehr erst erwärmen zu können. Das ist schade, eigentlich eine Schande. Die Deutschen waren federführend in der Romantik und dieselbe gilt als die theorielastigste und vielseitigste, weil vollkommen heterogene Epoche. Kunst, Literatur, Philosophie – hier fiel alles zusammen, selten gab es solche Ansammlungen von Geist, schaffendem Geist in der Geschichte des Menschen.
Vielleicht sollte man Teenagern ein paar andere Geschichten zu den Romantikern erzählen. Zum Beispiel die von Novalis (Friedrich Freiherr von Hardenberg) und seiner Liebe zu der zehn Jahre jüngeren und noch kindlichen Sophie von Kühn, mit der er sich verlobte, als sie dreizehn war, und die mit fünfzehn Jahren verstarb. Novalis, der Schöpfer der „Blauen Blume“, jener zum Sehnsuchtsmotiv der Romantik gewordenen (sie stammt aus dessen unvollendetem „Heinrich von Ofterdingen“), ist wie versteinert und möchte seiner Geliebten nachsterben – kraft seiner Gedanken. Er denkt sich quasi tot, versucht sich zu töten, indem er gedanklich aus dem Leben scheidet – und dokumentiert dies alles in seinen Tagebüchern. Er lebt noch weiter, heiratet ein erstes Mal – und bleibt ihr doch verbunden, seiner Sophie, was sich spurenhaft in seinem Werk ablesen lässt.
Auch Heinrich von Kleist (bei dem die Zugehörigkeit zur Romantik zugegebenermaßen strittig ist) ist eine nähere Betrachtung wert und dürfte mit der Art und Weise seines Selbstmords, so tragisch dieser war, eine Menge Street-Credibility bei heutigen Teenagern gewinnen. In einem letzten Brief an seine Schwester Ulrike notierte er Folgendes:
„Ich kann nicht sterben, ohne mich, zufrieden und heiter, wie ich bin, mit der ganzen Welt, und somit auch, vor allen anderen, meine teuerste Ulrike, mit Dir versöhnt zu haben. Laß sie mich, die strenge Äußerung, die in dem Briefe an die Kleisten enthalten ist, laß sie mich zurücknehmen; wirklich, Du hast an mir getan, ich sage nicht, was in Kräften einer Schwester, sondern in Kräften eines Menschen stand, um mich zu retten: die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war. Und nun lebe wohl; möge Dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit, dem meinigen gleich: das ist der herzlichste und innigste Wunsch, den ich für Dich aufzubringen weiß. Stimmings bei Potsdam – am Morgen meines Todes. Dein Heinrich.“
Damit nicht genug – Kleist bringt sich mit einer Bekannten um, mit Henriette Vogel. Und drapiert, wie erst der Kleist-Biograf Michalzik belegen konnte, sich und Henriette noch im Tode nach dem Gemälde „Sterbende heilige Magdalena“ des Malers Simon Vouet, das ihn seit Jahren faszinierte.
Ganz abgesehen davon, dass die Romantiker auch gewaltig feiern konnten und Frauen dort in den Salons nicht nur häufig Gastgeberinnen waren (siehe zum Beispiel Henriette Herz, Rahel Varnhagen oder Sophie Sander), sondern auch als Musen fungierten wie zum Beispiel Christiane Schlegel, die zuerst mit August Wilhelm Schlegel, danach mit dem Philosophen Friedrich Schelling zusammen war, und der eine Affäre mit Goethe nachgesagt wurde. Ich finde, man sollte Teenagern so etwas erzählen – bevor sie auf die Idee kommen, sie hätten es bei den Romantikern mit Spaßbremsen zu tun.
Aber – zurück zum Thema: Goutals Duft Sternennacht, Nuit Étoilée, von dem ihr jetzt wisst, welche Assoziationen er bei mir weckt. Wie üblich wurde er von Isabelle Doyen kreiert – schauen wir uns zuerst die Ingredienzen an: Sibirische Pinie, Süßorange, Balsamtanne, Tonkabohne, Zitrone, Angelika, Immortelle und Pfefferminze.
„Oh to walk for hours close to nature at nightfall. To listen to the wild grass crumple and fir cones crack under one’s feet. Collecting branches of evergreen, snapping them smelling the resinous odor on our fingertips. Then to lie back and enjoy the moonlight, as though alone in the world. Woven from real and imagined landscapes, Nuit Étoilée allows you to relive the emotions of stepping on untouched ground for the first time. With this fragrance, distant and fond memories take you back to your roots and replenish your soul.“
Traumwandeln unter einem sterngeschmückten Firmament – so stellen sich Goutal und Doyen den Duft vor. Und setzen ihn folgendermaßen um: Im Auftakt zeigt sich nächtliche Kühle von Pfefferminze, die die Sinne schärft. Nadelholzborke schwingt sich balsamisch empor, man riecht die Harze, die fein-warme Würze und gleichzeitige Strenge, die von einer frischen Agrumensüße begleitet wird. Ambivalent ist er, der Duft – und oszilliert fortwährend zwischen seinen Polen: Jener Pfefferminzfrische, die mattierend-dunkel wirkt und von winzigen Hesperidensternen durchsetzt ist, sowie jener balsamisch-aromatisch-würzigen Wärme, auf meiner Haut lakritzig anmutend, die durch Tonka sanft vanillig abgefedert wird und bei mir sogar dunkelpudrige Kakaonoten entwickelt. Immortelle würzt, ist aber nicht vordergründig präsent – das nur für diejenigen, die an dieser Stelle sonst Angst bekommen würden 😉
Ein schöner Duft und eine wirklich schöne Vorlage – trotz allem vermag er weder mich noch meine Seele zum davonfliegen zu animieren. Auf meiner Haut sind mir die beiden Welten zu gegensätzlich, verschmelzen nicht miteinander, korrespondieren zu wenig. Der Duftstreifen zeigt sich frischer, schöner, interessanter. Bin sehr gespannt, wie es Euch geht!
Würde mich über Berichte freuen!
Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Eure Ulrike.
Haaach – das ist in dieser Woche gleich mein Favorit, da warte ich nicht die anderen ab… Klingt ausgesprochen sinnlich und ich gebe zu, dass ich eine Schwäche für „Annick Goutal“ entwickele. LG am Montag
Huhuu liebe Irmgard, bin gespannt, was Du von ihm hälst. Meine Haut ist nicht für ihn gemacht – Deine vielleicht? Lass es mich wissen bitte, ich bin neugierig! Die Schwäche für Goutal, die entwickelte, die kann ich nachvollziehen, so geht es mir auch – richtig angefangen hat es mit den letzten Düften (bis auf Mimosa): Ninfeo Mio, Un Matin d’Orage und Rose Splendide durften alle einziehen und bei dem „Mami“-Duft hadere ich auch noch…
Liebe Grüße, Ulrike.
Liebe Uli,
ein neuer Goutal rutscht auf meiner Test-Liste immer sofort ganz nach oben. Un Matin d’Orage ist auch einer meiner Favoriten, und wie es der Zufall will habe ich heute morgen nach genau diesem Duft gegriffen. Ich habe ihn für regnerische Frühlings- und Sommertage reserviert – für Tage wie heute.
Pfefferminze und Nadelholzborke hört sich interessant an, ebenso die fein-würzigen Harze. Und der schöne blaube Flakon hat es mir auch sehr angetan.
Gespannte Grüße,
Kati
Liebe Uli,
hat der Duft denn Ähnlichkeiten mit L’Artisans Fou d’Absinth oder Lutens Filles en Aiguilles? Von den Ingridenzien klingt es ein bisschen so. Und die beiden liebe ich.
Glg
Almut
Huhuu liebe Almut –
ehrlich gesagt: Nein, ich finde nicht. Auf keinen Fall mit dem Lutens, Fou d’Absinthe habe ich auch ganz anders in Erinnerung, das ist aber länger her bei mir. Außerdem haben beide für mich keine Wärme – die hat Nuit definitiv. Ob er Dir gefällt? Ich bin mir nicht ganz sicher. Testen solltest Du mal – Du bist ja Wärme generell nicht abgeneigt, vielleicht entwickelt er sich auf Deiner Haut schön (wir haben ja eh zwei ganz verschiedene Häutchen :)) In jedem Fall würde ich mich über Testfeedback freuen 🙂 Wie fandest Du denn die letzten Goutals, waren die was für Dich? (Da Du ja langsam, genau wie ich, auch zu den Blümchen gefunden hast…)
Viele liebe Grüße,
Uli.
Hallo liebe Kati,
der Flakon ist der Knaller – ich mag ja die Goutal-Flakons generell, finde die Idee mit einmal Männlein einmal Weiblein gelungen. Und Matin d’Orage setze ich ja auch gerne bei feinem Frühlings/Sommerregen ein, da geht es mir wie Dir 🙂 Berichte mal, ob die Sternennacht Dir gefällt, ja?
Viele liebe Grüße,
Uli.
Liebe Uli,
ich bin ganz deiner Meinung. Vor ein paar Tagen habe ich mir den Duft von Annick Goutal auf meine Haut und einen Duftstreifen aufspühen lassen. Ich fand ihn anfangs auf meiner Haut interessant und angenehm, wusste aber auch sofort, der Duft ist nicht meiner.
Später aber hatte ich eine unheimlich würzige Note auf der Haut, die ich als unangenehm empfand, das ging gar nicht. Der Duftstreifen jedoch roch weiterhin frischer.
Finde viele Düfte von Annick Goutal genial, diesen nicht.
Lg von Simone
Huhuu liebe Simone,
Gott sei Dank bin ich nicht alleine! Nein, ich sehe das wirklich genauso wie Du – bei mir war er einfach gar nichts auf und mit meiner Haut. Müssen wir auf den nächsten Goutal warten, der wird es dann wieder, ganz bestimmt 😉
Viele liebe Grüße zurück,
Uli.