… der in vielerlei Hinsicht noch nicht angefangen hat, steht dieses Jahr bereits fest: Es ist der neue Duft von Aedes de Venustas. Kundgetan habe ich das schon vielerorts und natürlich auch hier – in den Berichten von der Düsseldorfer Global Art of Perfumery, die so viele Neuigkeiten bot, dass ich noch Wochen brauchen werde, all die Rezensionen zu den Düften zu verfassen.
Aedes de Venustas, der Tempel der Schönheit, ist in New York anzutreffen und eine dort ansässige Kultparfumerie. Seit 1995 gibt es sie, und den Bildern nach zu urteilen (ich war leider noch nie vor Ort, kenne das Geschäft demnach nur aus diversen Erzählungen) erinnert das Interieur daran, was sich Amerikaner gemeinhin unter „Good Old Europe“ oder vielmehr: France, Frankreich vorstellen. Man fühlt sich zurückversetzt in eine andere Zeit, an den französischen Hof. Prunkvoll ausgestattet mit prachtvollen Kristalllüstern, Antiquitäten, viel Gold und noch mehr Schnörkeln, Pfauenfedern, Samt und Brokat satt – am liebsten in Rot, Dunkelrot und Aubergine/Violett-Tönen. Und mitten darin – Düfte, eine ganze Menge, und eine wahnsinnig gute Auswahl. Wen wundert, dass man diesem Geschäft schon vor einigen Jahren ein olfaktorisches Denkmal setzte: Aedes de Venustas, der erste Duft, wurde geschaffen – von Bertrand Duchaufour als Kooperation zwischen L’Artisan Parfumeur und dem Tempel. Der damalige Duft war ein (weihrauchiger) Geselle mit Iris und Kaffee, und damit bereits ein sehr schöner Duft.
Aedes de Venustas, der neue, eigentliche Signature des Shops ist jetzt ein vollkommen eigener Aedes-Duft und entstammt erneut den magischen Phiolen von Bertrand Duchaufour:
„AEDES DE VENUSTAS honors the past, present and future of perfumery with its first signature scent. Housed in aubergine glass the bottle disrupts classic rules of design with its round and square shape, hinting at the unique construction of the fragrance housed within its body. The circumference of the cap is uniquely positioned and adorned with the AEDES insignia. A baroque yet futuristic ambience emanates from the skin as soon as the fragrance is applied, embodying the magic that is the AEDES DE VENUSTAS boutique. The mind questions, but the heart knows; a new experience anoints the wearer as it weaves a sensuous spell like no other before it. It is the first touch of AEDES DE VENUSTAS, a touch that will never be forgotten.“
Eine Berührung, die man nie wieder vergisst, soll der Duft sein, der dem Geist des Geschäftes verpflichtet ist. Dazu hat sich Bertrand Duchaufour Folgendes gedacht:
“The AEDES DE VENUSTAS world is a world of luxury, of quality; simultaneously opulent and baroque yet decadent in a way that is refined. This is reflected in the store’s interior; purple, red and aubergine colors, shimmering and iridescent tones like those found in peacock feathers, and textures expressed in velvet, angel skin like silk, taffetas and brocades.”
Eine ganz eigene Welt soll der Duft sein, eine solche symbolisieren – das leuchtet ein, gilt das Gleiche doch auch für den zugehörigen Shop. Der Aufbau des Duftes folgt keiner klassischen Duftpyramide:
„There is no trace of the traditional fragrance pyramid. The construction is round, luxurious, voluptuous and addictive. The scent’s chypre character is pierced at its center with the ephemeral green freshness of rhubarb accord; the axis around which the fragrance revolves, like the wearer emanating its memorable sillage. Embodied and embodying; AEDES DE VENUSTAS Signature Eau de Parfum is the past, present and future of perfumery in simultaneous revolution.“
Im Zentrum des Duftes steht also Rhabarber, die Ingredienz, sowie ein Chyprecharakter. Darüber hinaus sind an Zutaten anzutreffen: Rhabarber, Tomatenblätter, rote Johannisbeere, Geißblatt, Vetiver und Weihrauch, mancherorts ist auch etwas von grünem Apfel und Haselnuss zu lesen.
Frisch augesprüht drängt mir sofort Rhabarber in die Nase, frisch angeschnittene Rhabarberstangen, saftig, grün und herb-säuerlich, auf jene genuine Art und Weise fruchtig (obgleich Rhabarber ja eigentlich ein Gemüse ist…). Ein Äpfelchen, ein knallgrünes knackiges, könnte durchaus dessen Wirkung verstärken – seitdem ich weiß, dass er eventuell darin ist, meine ich auch, ihn riechen zu können, wobei er mir vorher nicht unbedingt aufgefallen wäre. Viel eher sind es Johannisbeeren, die „nasenfällig“ vorhanden sind – rote, ganz klar. Zusammen mit dem Rhabarber entwickeln sie eine seltsame säuerliche Süße, die stetig vorhanden die Nase kitzelt und einen Kontrast zu dem Grün bildet. Tomatenblätter, immer etwas nach grünen unreifen Tomaten duftend, säumen den Weg, während Weihrauch subtil-sakralen rauchigen Odem einhaucht.
In mir weckt Aedes ganz komische Gefühle, was zweierlei Aspekten geschuldet ist: 1.) Dem Rhabarber 2.) Der Beschaffenheit dieses speziellen Duftes.
Rhabarber sehe ich, ich habe es schon häufiger erwähnt, als melancholisches Gemüse, so es denn ein Gemüse gibt, das melancholisch sein kann. Ich finde schon, denn der Duft stimmt mich immer – wehmütig. Sehnsüchtig. Schwermütig. Melancholisch. Und Melancholie empfinde ich gemeinhin als genauso bittersüß wie Rhabarberstangen.
Der zweite Aspekt ist sehr besonders und lässt sich auf dem aufbauen, was Duchaufour über seinen Duft sagt:
„Perfumer Bertrand Duchaufour describes the perfume as “a game of supports in an unexpected, even improbably olfactory architecture because the green effect increases while the heavy dark resinous incense and chypre accord is largely deceasing and getting more abstract.”“
Vielleicht mögen dem einen oder anderen Zweifel gekommen sein, wie Rhabarber, eine eigentlich so faserig-fruchtige, in einer Hinsicht auch transparente Ingredienz Aedes de Venustas repräsentieren möchte. Die Zukunft, die Gegenwart und die Vergangenheit wollte man in den Duft hineinpacken, also Erinnnerungen und Altes genauso wie die Moderne – und dann eben diesen Shop, der wirkt, als wäre er aus der Zeit gefallen.
Man mag es kaum glauben, aber Duchaufour ist das gelungen, auf meines Erachtens nach vollkommen geniale Art. Ich muss hier an einen Artikel denken, denn Chandler Burr einmal für die New York Times geschrieben hat – siehe hier – und der auf den Namen „Dark Victory“ lautete. Es ging um Dunkelheit – eingefangen in Parfums:
„Darkness, when it is crystalline and somewhat luminous, may be the most difficult quality to capture in a perfume.“
Lichte, leuchtende Finsternis – eigentlich ein Oxymoron wie ein weißer Rabe. Aber ich wusste genau, was Burr damit meint. Und war damals ganz verzückt, als er ein Beispiel für einen solchen Duft anführte, von dem ich einen sehr ähnlichen Eindruck gewonnen hatte:
„Frédéric Malle’s uniquely strange and difficult-to-find outfit, Éditions de Parfums, has created a perfume collection in the running for best in the world. Malle’s method is simple: he invites top perfumers to create their dream scents for him. The result is outrageous. L’Eau d’Hiver by Jean-Claude Ellena (now Hermès’s in-house perfumer) is a small revolution; Dominique Ropion’s Carnal Flower is a blossom flower with the impact of a baseball bat. But it is Ellena’s Bigarade Concentrée that plays brilliantly with darkness. Bigarade smells like a person trapped in a complex weather system, the wonderful scent of a guy’s armpit and a woman’s humid skin washed in fresh rainwater and ozone (Malle doesn’t waste time gendering his scents, and Bigarade is for both women and men). It is a masterful juxtaposition, and smelling Bigarade is like looking down into a well of cool, black water. Your retinas expand from the strange pleasure of this scent.“
In Aedes Duft gibt es keine Achselhöhlen von jungen Männern, aber exakt dieses Szenario von Finsternis und Licht, ineinander verwoben, oszillierend. Faszinierend ist das, den Aedes erscheint im selben Moment düster wie er auch luzide anmutet. Ein unglaubliches Spiel mit Licht und Schatten von einer durchdringenden Sillage.
Aedes – mein olfaktorischer Soundtrack des Sommers. Melancholie – meine Freundin. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an die edle Spenderin, die uns dieser Tage zusammen gebracht hat. Und Still Corners‘ „Endless Summer“ passt meines Erachtens nach einfach perfekt – damit verlasse ich Euch heute:
Ich habe mich noch vor Erscheinen von „Aedes des Venustas“ in den Flakon verliebt, der meines Erachtens genau in das Konzept des Duftes passt.
Nachdem ich meine Nase, ohne auf den Namen des Parfumeurs zu kennen, mehrfach wohlig schnüffeln in die Kreationen des Herrn D. versenkt hatte, fiel mir irgendwann die Häufung seines Namens im Zusammenhang mit meinem Wohlgefallen auf, seitdem ist er für mich eine sichere Bank.
Leider liegt der Anschaffungspreis deutlich über meinem Taschengeld; aber meine 2 Euro -pro Tag-Sammlung wächst. Liebes dufte Team, bitte einen Flakon beiseite stellen. 😉
Huhuu liebe Simone,
ich kann das sehr gut nachvollziehen, auch für mich ist Duchaufour (neben ein paar anderen) eine meistens passende Wahl – auch blind. Und Aedes, ja, Aedes… ich schwelgte die ganze warme Woche in nichts anderem… Und keine Angst – es sind, wie ich meine, einige Fläschchen da von dem Duft 🙂
Liebe Grüße,
Ulrike.
Aedes de Venustas ist ein Duft, den ich ganz sicher werde haben müssen.
Ich habe selten unmittelbar nach dem Aufsprühen eines Duftes ein solches Verlangen gehabt, sofort herausfinden zu müssen, was das ist, das so gut duftet.
Denn er verstärkt meine momentanen Gefühle, ja, schwermütige und melancholische, mit denen ich mich gerade auseinanderzusetzen habe. Was einerseits natürlich am bevorstehenden Herbst liegt, der mir jedes Jahr das Gefühl von unaufhaltsamer Vergänglichkeit beschert… andererseits bin ich seit gestern sehr gedrückt, weil ich erfahren habe, daß vor einer Woche eine alte Schulfreundin von mir verstorben ist, mit gerade einmal 31 Jahren.
Und obgleich der letzte Kontakt viele Jahre her ist, kommen mir nun zahllose Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse, an sie und an die Zeit vor über 10 Jahren in den Sinn.
Als nicht-mehr-nahestehende Person überwiegt bei mir das Gefühl der Dankbarkeit, sie gekannt zu haben, über die Trauer, sie nie mehr wieder zu sehen.
Ich glaube, dieses Gefühl kennt fast jeder, man kann es mit Worten gar nicht besonders gut beschreiben. Mit einem Duft vielleicht schon mehr. Parallel zu meiner Stimmung schnüffle ich seit gestern unaufhaltsam an dem Fläschchen von Aedes de Venustas.
Und gerade die Bittersüße des Rhabarbers und der säuerlichen Früchte verkörpert meine momentanen Gefühle ganz gut. Ob es Musik, Düfte oder Malerei ist – es tut so gut, die eigene Stimmung über einen anderen Weg der Wahrnehmung wiederzufinden.
Danke, liebe Uli, daß du mich zu diesem Duft gebracht hast.
Grüße,
Kati
Hallo liebe Kati,
es tut mir wahnsinnig leid mit Deiner früheren Freundin 🙁
Ich kann Deine gemischten Gefühle sehr gut verstehen, in die sich dann vermutlich auch immer die Erkenntnis der generellen Vergänglichkeit mischt. Ein Thema, das mich dieser Tage immer wieder beschäftigt – ich glaube, ich bekomme dann wohl bald eine vorgezogene Midlife-Crisis…
In jedem Fall kann ich Dir nur recht geben: Die eigenen Stimmung aufgesogen in ein „Stück“ Kunst wiederzufinden ist toll. Das ist es ja auch, was Kunst meiner Meinung nach ausmacht. Ich muss mal nach dieser tollen Stelle schauen, ich glaube es war bei Cassirer: Kunst sei so lange tote Materie, bis jemand kommt und bei diesem das Feuer neu entfacht wird – durch das Evozieren von Emotionen. Hat mir sehr gut gefallen.
Freut mich sehr, wenn ich Dir mit dem Fingerzeig gen Aedes etwas schenken konnte 🙂 Mich erfreut und ergänzt der Duft auch, immer wieder aufs Neue. Ist für mich ein Volltreffer.
Viele liebe Grüße,
Uli.
Danke, liebe Uli, für die wunderbare Lektüre.
Ich bin dieser Rhabarber-Schönheit nun auch verfallen, allerdings erst auf den zweiten Schnüff. Vor ein paar Monaten war ich, oder besser meine Nase, meine Haut, meine Gemütsverfassung oder alles zusammen, scheinbar noch nicht bereit für diesen Duft. Da kam er mir irgendwie unfertig vor, die traumhafte Basis blieb mir verborgen. Doch nun – eine Offenbarung! Ich schwelge… und bin letztlich, dank Dir, zum Anhänger dieses köstlichen Sommergemüses geworden. Wie gut, dass mir das Pröbchen noch einmal über den Weg gekullert ist (im wahrsten Sinne).
Allen einen guten Start in den Sommer und viele Grüße,
Doreen
Hallo liebe Doreen,
ein zweiter Blick lohnt sich so oft 😉 Ich kenne das selbst ziemlich gut – Monate oder Jahre später entdeckt man zum Teil früher verschmähte Düfte, die sich als ganz rare Perlen entpuppen. Wenn Du den Aedes so gerne magst – teste auch in jedem Fall mal Flashback von Olfactive Studio!
Viele liebe Grüße,
die Uli – auf den Sommer wartend 😉
Hallo zusammen,
In der letzten Ausgabe der „Bunte“ ist auf Seite 60 ein Artikel über „AEDES DE VENUSTAS“. Das Bild mit dem Pfau wird euch irgendwie bekannt vorkommen… (Siehe oben).
Viele liebe Grüsse,
Barbara
Huhuu liebe Barbara,
danke für den Tipp, habe ich gleich gefunden. Warte nur ab, wenn ich die neue Iris von Aedes vorstelle, die ist auch ein echtes Schmankerl 🙂
Viele liebe Grüße,
Uli.
Guten Tag liebe Ulrike,
Ja, ja die Iris… Die hypnotisiert mich schon auf den Bildern. Habe schon „befürchtet“ das dieses Blümchen gefährlich gut ist. Hoffe, es gibt auch Abfüllungen davon. Bis es soweit ist, habe ich noch das Vergnügen das Päckchen aus Bruchsal auszupacken. 10 Abfüllungen (ja, ich schäme mich ein klein bisschen… 😉 sind darin. „Amelia“ von Grossmith ist auch dabei und das erste Mal zweite Düfte von Amouage. Darauf bin ich auch schon sehr gespannt…Vom Schöpfer von Aura Maris hat es auch seine Fragrance Collection in meinen Warenkorb geschafft. Du siehst es gibt viel zu tun, äh, zu riechen!
Viele liebe Grüsse zurück,
Barbara
Och, für 10 Abfüllungen muss man sich nicht schämen, da gibt es weiß Gott ganz andere Bestellungen 😉 Viel Freude beim frohen Schnuppern!
Liebe Grüße,
Ulrike.