Gestern endete mein erster Bericht von der Düsseldorfer Global Art of Perfumery mit den Oudstars von Xerjoff, die mächtig orientalischen Zauber versprühen. Ein paar Stände weiter gab es noch mehr Ouddüfte zu bewundern, nämlich das von mir bereits einmal früher angesprochene Oud-Trio von einem anderen Geschichtenerzähler, von Gérald Ghislains Haus Histoires de Parfums. Die Firma verfolgt auch mit diesen Düften eine besondere Idee: Gewollt europäisch interpretiert stellt das Trio eine Hommage nicht nur an die Ingredienz Oud dar, sondern auch an drei andere bedeutende Stöffchen, die seit je her gerne in Parfums verarbeitet werden – Rose, Ambra und Petroleum (oder vielmehr Paraffin). Nach diesen Stoffen sind die Ouddüfte der sogenannten Edition Rare benannt: Petroleum, Ambrarem und Rosam heißen sie, und sind in einer recht hohen Duftkonzentration von knapp zwanzig Prozent als Eau de Parfums in den neuen 60ml-Flakons erhältlich.
Petroleum trägt den Beinamen „Mineral“, was wohl an die Bodenschätze erinnern soll, zu denen das (Erd)Öl zählt, aus dem Petroleum gewonnen wird. Aus den Tiefen der Erde wird es gefördert, und diese schließt Petroleum, der Duft, ebenfalls mit ein. Archaisch liest sich der Duft, genauso habe ich den extrem interessanten Duft auch in Erinnerung – ein in der Tat steinig-mineralischer Rosenchypre kühler Natur mit fast metallischen Anklängen und einem Hauch erdigem Tier in der Basis, lederummantelt. Grrrrrhhh… Ich freue mich schon sehr auf den ausgiebigen Test, genauso wie bei Ambrarem: Einige werden es vielleicht schon bemerkt haben, ich bin generell ein wenig ambermüde. Ambrarem vermochte es aber umgehend, meine transusige Müdigkeit zu vertreiben. Das Tier schon im Beinamen mit sich tragend, „Animal“, wundert sich sicher keiner, dass uns hier ein herrliches Biest erwartet, das verführerisch mit all seiner wilden Begierde und Leidenschaft lockt… Harzig-holziges Oud, eine kühl-pudrige erdverbundene Iris, wollüstig-warme Harze, eine Prise Pfeffer für die Kontraste, Sandelholz als Lager und erotische Vanille – ich konnte nicht wirklich widerstehen. Rosam, der mit seinem Beinamen „Vegetale“ für die Vegetation, das Leben, die Natur steht, ist da leider ein bisschen untergegangen, weil es der zarteste Kandidat in der Reihe ist. Und das obgleich er ebenfalls mit Weihrauch, Ambra, Safran und ähnlichem aufwartet. Schön war er ebenfalls, für mehr Details müsst Ihr Euch allerdings bis zur Rezension gedulden.
Bevor wir jetzt weiterziehen muss ich noch einwerfen, dass ich doch glatt bei all meiner Begeisterung für die neuen Oudstars zwei weitere Xerjoff-Düfte unterschlagen habe, die ebenfalls gerade lanciert wurden: Damarose für die Dame und Richwood für den Herren. Letzterer wurde auch gleich an den Mann gebracht: Mein Boss entbrannte in heißer Liebe und ist ein neuer Fan – nicht weiter verwunderlich, ist das Hölzchen doch reich an Sandel und Patchouli, des Chefs Lieblingsingredienzen (man erkennt es schon immer an der Farbe ;)), garniert mit einem Hauch Rose und dezent-fruchtigen Anklängen. Damarose zeigte sich als helles Rosenchypre – auch hier bin ich sicher, dass sich dafür bald Liebhaber(innen!) finden werden.
Von Sospiro gibt es auch noch einen Neuling: Accento. Erneut ein Volltreffer für die Dame, mit einer Note, die bei einigen von Euch dringende Haben-Wollen-Reflexe auslösen wird – Ananas. Und zwar in sehr eleganter Kombination mit Jasmin, Iris und Hyazinthe, natürlich rosa gepfeffert (scheint ein Trend zu sein momentan) und von einer warm-würzig-weichen Basis untermalt.
Erinnert Ihr Euch noch an meine Artikel über Jovoy? Hoch erfreut war ich über den Relaunch und die neuen Düfte, die mir allesamt sehr gut gefallen haben. Und mir ist in Erinnerung geblieben, dass deren Macher, François Hénin, Private Label besonders hervorgehoben hatte, was mich in Anbetracht des Duftcharakters neugierig gemacht hat auf den elegant beanzugten Franzosen. Ich zitiere mich einmal selbst aus der Jovoy-Rezension:
„Beginnen möchte ich mit Private Label, von dem Hénin, der Mann hinter Jovoy erzählt, dass er sein idealer orientalischer Duft sei. Ein archetypischer Duft, der Eindruck macht und Spuren hinterlässt…
Was soll ich sagen? Tja, Private Label erfüllt die hoch gesteckten Ziele über die Maßen. Brainstorming gefällig? Mann-Mann. Das maskuline Pendant zu Piguets Bandit. Fougère-Anleihen – spinnt meine Nase schon? Vielleicht – denn es raucht, und wie es raucht…
Private Label verschwendet keine Zeit und kachelt gleich los, als ob es kein Morgen gibt – in drei Sekunden bei 200, mindestens: Rauchigster (!) Vetiver mit Salzkruste, ein deutlich auf die Spitze getriebener Chanelscher Sycomore, zu dem sich kantig-rauchig-cremiger Papyrus gesellt, ähnlich düster-dunkelgrün schillernd wie in Parfumerie Générales Papyrus de Ciane. Holzigkeit macht sich breit und bringt Harze mit sich, leise schwelende Räucherwaren, eher kühl anmutend. Kalt ist er nicht, der Duft – aber trotzdem fehlt im jede Spur von Wärme. Dafür gibt es nun Leder, und zwar schönes Glattleder, dass von ernsthafter Zeder in gewohnt sauberer Anmutung gekonnt unterstrichen wird. Patchouli erdet auf ungewohnt leisen Sohlen im Hintergrund und stiftet einen kühlen Klecks Süße, von Sandelholz dezent bekräftigt.
Private Label ist – ein Statement. Und ein ziemlich cooles noch dazu. Auf meiner Haut in erster Linie Vetiver-Leder, an eine geniale Mischung aus dem alten Route du Vétiver von Maître Parfumeur et Gantier in Kombination mit Odoris Cuoio erinnernd. Einen Allerwertesten sollte man schon in der Hose haben, um diesen Duft tragen zu können – hat man den, können ihn, wie ich finde, nicht nur Männer tragen, auch der einen oder anderen durchsetzungsfähigen Dame könnte er gut zu Gesicht stehen. Aber Vorsicht, meine Lieben – Private Label rockt. Und ist kernig, aber hallo. Ob nun (Motorrad)Rocker oder Herrenzimmer, das ist ein echter Kerl, den Cécile Zarokian geschaffen hat. Ein Orientale? Nein, den sehe ich hier nicht. Aber einen Underdog, der einen überaus eleganten Abgang hat. Insofern passt er schon wieder zu Hénin, den ich mir mal im Firmenvideo angeschaut habe (Jovoy Paris ist nicht nur ein Dufthaus, man betreibt auch eine Nischenduftparfumerie in Paris). Trotzdem muss ich schmunzeln bei dem Gedanken, dass dieser Mann sich einen solchen Duft als olfaktorisches Soulmate auserkoren hat…“
Hénin war anwesend und ich hatte das Vergnügen, mit ihm einen längeren Plausch zu führen. Was soll ich sagen? Ein sehr eloquenter, intelligenter und humorvoller Zeitgenosse – ich bin begeistert. Und weiß jetzt, dass sein persönliches Soulmate doch eher La Liturgie des Heures ist, der ihm unfassbar gut steht. Darüber hinaus habe ich aber auch vergnügt zu Kenntnis genommen, dass ich mit dem in feinen Zwirn gewandeten eleganten „Underdog“ (im Geiste) nicht ganz unrecht hatte.
Des weiteren hatte ich endlich mal die Gelegenheit, mir die gesamte Kerzenriege unter die Nase zu klemmen und bin von dieser mindestens genauso angetan wie von Herrn Hénin, dessen feinsinnig-verschmitzte Ironie sich auch hier wiederfindet: „Qu’on Leur Donne de La Brioche“ beschert uns eine volle Brotdröhnung in Anspielung auf einen Faux-pas, der der Königin Marie-Antoinette von Jean-Jacques Rosseau nachgesagt wurde. Nachweislich nicht von ihr stammend und somit als Wanderanekdote entlarvt, erinnert das Geschichtchen nachhaltig an die sich ständig in Fehltritten manifestierende weltfremde Abgehobenheit diverser aktueller Politiker: Auf die Beschwerde hin dass die Armen sich kein Brot leisten können soll Madame geantwortet haben, dann sollten sie eben Brioche essen (eine unserem Hefezopf ähnelnde Art Kuchen). Die Kerze in jedem Fall duftet unangezündet weniger nach Kuchen und auch nur verhalten gourmandig, als viel eher nach Brot, wunderbarem Brot. Und erinnert mich so an meinen leider vergriffenen Liebling von Cire Trudon – Révolution. L’Arbre de la Connaissance greift den gleichnamigen Duft auf und präsentiert sich als waschechter und schöner Feigling, während Ambre 1er (Premier) das Herz von Gourmandfreunden, aber nicht nur, höher schlagen lassen wird:
“We love its almost childish first notes that evoke cotton candy. A fusional scent, it leaves a sensuous trail on the skin; just a sweet nothing to make it all better.”
Soviel Hénin dazu – mich dünkt, es gab dazu auch noch einen Duft, wo der allerdings momentan abgeblieben ist und weshalb ich ihn noch nicht unter der Nase hatte… das zu ergründen wird meinen nächste Aufgabe sein. Dann ist da noch Lipstick 0140200619 – das Sehnsuchtsobjekt aller Liebhaber von Malles Lipstick Rose, Histoires de Parfums Moulin Rouge und ähnlichen Düften, die nach, ja, Lippenstift riechen mit einer ordentlichen Portion Irispuder, Creme und butterweichem Leder. Absolu de Mojito macht nicht nur Lust auf alkoholhaltige Cocktails, sondern natürlich auch auf Urlaub und Hemingway, der diesen Drink bekannt machte – ein Garant für gute Laune und Entspannung!
Soviel erst einmal für heute, morgen geht es weiter mit dem Messegezwitscher! Bis bald und viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
wow, bin schon vom Lesen überwältigt…
… und es freut mich immer, wenn ich jemand mit meinen Texten erreiche 🙂
Liebe Grüße,
Uli.