ACHTUNG! AUTOBAHN! oder Herznoten auf der Hebebühne

Liebe Freunde des gepflegten Duftes,

nach meinem gestrigen Waldausflug in die romantische Waldeinsamkeit, ist mir heute nach einem kleinen Kontrastprogramm zumute. Was käme hier gelegener als das volle synthetische Brett aus dem Hause Comme des Garçons. Ich muss gestehen, hin und wieder macht es mir sehr viel Spaß, die Autobahn zwischen Allgäu und Bodensee herunterzukacheln. So finde ich die Vorstellung eines Autowerkstattduftes nicht sonderlich erschreckend. Nun, Ihr werdet es schon erraten haben, dass ich mir heute „Garage“ aus der „Series 6: Synthetic“ vorgeknöpft habe.

1966 Mustang

Ich trete das Gaspedal durch und, hui, eine ordentliche Wolke Benzin, Plastik, Leder und Lösungsmittel steigt mir in die Nase. Ich hatte ja ehrlich gesagt vermutet, dass Comme des Garçons ein bisschen bluffen – aber das ist schon wirklich der Geruch in einer Autowerkstatt!

Wie heißt es so schön in Steppenwolfs „Born to be wild“

Get your motor running head out on the highway
looking for adventure in whatever comes our way
yea darling gonna make it happen take the world in a love embrace
fire all of your guns at once and explode into space

I like smoke and lightning heavy metal thunder
racing with the wind and the feeling that I’m under
yea darling gonna make it happen take the world in a love embrace
fire all of your guns at once and explode into space […]

Ich denke, dass der Duft genau diese Grundaussage zum Ausdruck bringt: Dröhnende Motoren, Rückenwind, Freiheit, ölverschmiert, aber glücklich.

Rei do óleo 5

In der „Series 6: Synthetic“ von Comme des Garçons finden sich sozial anstößige Düfte, die vielleicht gerade deswegen anecken, da sie auf ganz gewöhnlichen Materialien des täglichen Lebens basieren. Jede dieser Kreationen verbreitet den Duft moderner Radikalität und wird in einem Plexiglas-Rohr präsentiert, in dem wiederum ein Plastiksäckchen hängt, aus dem das sogenannte „Anti-Parfüm“ versprüht wird.

„Anti-Parfum“ – ja! Aber ich finde es durchaus tragbar. Mit Aldehyden und floralen Noten im Kopf, Kerosin und Leder im Herzen sowie Vetiver und Zedernholz in der Basis zeigt „Garage“ nicht nur knallige Seiten. Eine papierne Trockenheit, die eng mit dem Benzingeruch verbunden ist, lässt – hätte ich einen Blindflug unternommen – auf Harze und Hölzer schließen, Leder ist zweifelsohne vorhanden, die floralen Noten darf man sich eher als Fugenkitt zwischen den anderen Noten vorstellen.

„Garage“ ist kein Duft, mit dem man sich ins Bett legt, aber auch kein Duft, der zu heftig ist. Vielleicht genau das richtige für Leute, denen die meisten Parfums zu süß oder gefällig sind. Ich denke auch an den einen oder anderen Schrauber oder Motorradfahrer, der sicherlich für „Garage“ zu begeistern wäre.

In Kürze stelle ich Euch noch die beiden anderen Düfte dieser Reihe vor: Skai und Tar.

Bei so einem Kracher darf die Frage erlaubt sein: wie findet Ihr ihn?

Ganz viele Grüße
von Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

8 Kommentare

  1. Margot
    14. Februar 2012
    Antworten

    Huuuu Harmen, Du wagst Dich ja richtig was!
    Wie ich feststelle, kommst Du inzwischen richtig auf den Geschmack in Bezug auf Düfte! Zuerst hast Du im Kopf wohl alles mit Deinem geliebten Clive Christian verglichen. Jetzt bist Du viel offener, was Düfte angeht. Freut mich!
    Also an die Garage hab ich mich noch nicht gewagt. Hab aber noch uralt Pröbchen hier von dem Odeur 53 und 71 (aus meiner ALzD-Anfangszeit) in der mich so was total faszinierte. Der letzte den ich in der Richtung der Nicht-Düfte getestet hab, war wohl Revolution Lisa Kirk/Ulrich Lang. Solltest Du vielleicht auch mal auf Deine Liste setzen *fg*, obwohl hier schon eine Rezension dazu existiert.

    Werde mir Deine Anregung auf jeden Fall zu Herzen nehmen und bei Gelegenheit die Chance zum Testen ergreifen.

    Schöne Woche und LG,
    Margot

  2. Harmen
    14. Februar 2012
    Antworten

    Ja, da hab ich mal ganz dolle meinen ganzen Mut zusammengenommen und einfach mal gesprüht….hat sich gelohnt! Wann traust Du Dich? 😉 53 und 71 habe ich mir auch noch vorgenommen, den Revolution mag ich auch.
    Viele Grüße
    Harmen

  3. Annette
    14. Februar 2012
    Antworten

    Lieber Harmen,

    hach, da isser ja, der CdG! (Hatte mich schon gewundert, daß Du nach dem Konzept&Krawall-Bedürfnis mit Waldeinsamkeit daherkamst 😉 )
    Schön, daß Du gerade mit der „Garage“ angefangen hast!
    Für so einen alten Autowerkstattgeruchsjunkie wie mich offensichtlich genau das Richtige(mit „Benzin, Plastik, Leder und Lösungsmittel“, mit “ […]Freiheit, ölverschmiert, aber glücklich“ tät ich mich auch ins Bett legen – naja, tatsächlich ölverschmiert jetzt doch net“ *g*) – und das geniale Mustang-Bild ist seriously hot! *freu*

    Die 53 und die 71 sind schön! Nicht so explizit auseinanderdröselbar in den Duftnoten, aber die tolle Mischung macht’s. Also nix wie ran – auch die lohnen sich 😉

    Die Revolution steht ja bei mir schon laange auf der Will-Testen-Liste, da wäre noch eine Rezension dazu wirklich eine feine Sache. Nicht, weil ich noch einen Anstoß bräuchte dafür, sondern aus purer Neugier, wie er auf andere wirkt.

    Vielen Dank für die (wieder mal toll bebilderte) Rezension und liebe Grüße!

    Annette

  4. Harmen
    14. Februar 2012
    Antworten

    Liebe Annette,
    vielen Dank für den Strauß Duftbäumchen 😉
    Schau mal hier: http://www.alzd.de/2010/11/09/8691/ Uli hat schon etwas über den Revolution geschrieben.
    Gegen Ende des Monats kommt auch schon mein Artikel zu „Skai“ – auch ein heftiges Teilchen, uiuiui, Stichwort Schmorplastik deluxe 😉
    Einen schönen Abend!
    Harmen

  5. Katharina W.
    15. Februar 2012
    Antworten

    Lieber Harmen,

    bei Schmorplastik bin ich mit dabei!
    Einer meiner Lieblingsdüfte – Il Bacio von Borghese – hatte vor der Reformulierung eindeutig eine solche Schmor-Note intus.
    Ich erinnere mich an einen Augenblick größter Faszination aufgrund eines betörenden Duftes, der mein damaliges Studentenwohnheim-Zimmer in Regensburg durchströmte… dessen Quelle sich als die 5 DM-Tischleuchte von IKEA herausstellte, deren Plastik-Lampenschirm auf die Glühbirne gekippt war.
    Nie wieder habe ich danach eine so wunderbare Note von angeschweltem Polymethylmethacrylat wahrgenommen. 😉 Irgendwie giftig-betäubend, aber berauschend und anziehend zugleich. Sehr schwer zu beschreiben.

    Sollte es einem Parfumeur gelungen sein, diesen Duft kunstgerecht in einem Parfum umzusetzen, muß ich dieses auf jeden Fall testen.

    Grüße
    Katharina

  6. Ulrike
    15. Februar 2012
    Antworten

    @ Annette: Noch mehr Mustangfans, ja? Ich träume ja schon lange von einem, 1. Generation, 3. oder auch 2. Version *herzchenmal*

    @ Katharina:
    LOL – Du bist ja herrlich! 😉

    Anders, aber durchaus ebenfalls interessant könnte für Euch auch Nostalgia von Santa Maria Novella sein, den ich in dem Artikel über Six Scents Series 3, #087 beschrieben habe –
    siehe hier: http://www.alzd.de/2011/10/06/six-scents-series-3-die-dritte/

    Der hat auch ordentlich Gummi mit drin mit Verschleißerscheinungen samt Motoröl 😉

  7. Annette
    15. Februar 2012
    Antworten

    *fingerheb und schnipps* Will auch Schmorgummi und Kabelbrand und angebrenzelten Kunststoff! Das hat schon seine eigene faszinierende geruchliche Anziehungskraft!

    Dank Kathatrinas Bemerkung über Lampen fiel mir gerade ein: als Kind hatte ich eine kleine, orangefarbene, kugelig-knubbelige Plastikschreibtischlampe, wenn die eingeschaltet war kamen nach einer Weile auch diese betörenden Duftnoten. *nachschnupper* Leider, leider wurde sie mir aus Sicherheitsgründen dann irgendwann elterlicherseits entzogen… *lach*

    Bin gespannt, wie viele Kokelfreunde sich hier noch melden 😀

    Liebe Grüße!

    Annette

    PS Liebe Uli, Du weißt ja, der erwähnte Santa Maria steht ja schon länger auf der Haben-Will-Liste 😉

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