Gestern hatte ich bereits mit dem ersten Duft aus der Private Collection des Hauses Floris begonnen, Mahon Leather. Heute folgen Sirena und Amaryllis und morgen erwartet uns noch Madonna of the Almonds.
La Sirena, spanisch für: die Meerjungfrau. Und gewidmet ist dieser Duft wie Mahon Leather ebenfalls einem menorquinischen Wahrzeichen – diesmal keinem Pferd, dafür einer Statue:
„Minorca, the birthplace of Juan Famenias Floris and home of the bronze mermaid of Mahon, was the inspiration for this creation. The scent captures the spirit and warmth of this sun kissed Mediterranean island and its rich flora lingering on a gentle sea breeze. A distillation of summer.“
Der olfaktorische Sommer schlägt sich hier in folgenden Ingredienzen nieder: Kopfnote: Bergamotte, Jasmin, Maritime Noten, Rosa Pfeffer; Herznote: Oleander, Pfingstrose, Waldbeere; Basisnote: Moschus, Sandelholz.
Denk ich an Meerjungfrauen… so werden meine Gedanken eigentlich eher traurig: Das Motiv der Undine, die ja eigentlich eine Nymphe ist und der sich unter anderen Fouqué angenommen hat, Oscar Wildes Fisherman and his Soul (Originaltext siehe hier) oder auch Andersens Kleine Meerjungfrau – alles keine Komödien, ganz im Gegenteil. Tragödien, Geschichten von unerfüllter Liebe, unerfülltem Glück, verpassten Träumen und Möglichkeiten. Ganz abgesehen davon, dass die Meerjungfrau an und für sich natürlich ein dunkles, erotisch aufgeladenes und tiefenpsychologisch interessantes Motiv ist…
Unsere kleine Meerjungfrau hier hat nichts Finsteres an sich: Fröhlich ist er, der Duft, und beschwingt. Von Floris als „sparkling floral marine fragrance“ bezeichnet, kann ich mich dieser Beschreibung nur anschließen: Eine frische maritime Brise im Kopf überzeugt das Meereswesen mit entzückenden Walderdbeerennoten, die man nur selten in Düften finden kann. Ein überbordendes Herz aus (später dominant werdender) Pfingstrose und Jasmin betört süß-floral, die zarte Süße der Erdbeeren aufgreifend, während die Basis mit sanfter Weichheit und holziger Sandelwärme brilliert.
Bei diesem Duft scheint es unglaublich, dass Meerjungfrauen keine Seele haben (sollen) – vermutlich drängt er deshalb so zu den Menschen, auf Haut und Erde, weil er eben doch eine hat oder haben möchte… Ich bin mir in jedem Fall sicher, dass dieser gutgelaunte sympathische und sonnenwarme Sommerduft seine Freunde finden wird. Und glaubt mir – diese Erdbeere, die hat was meine Lieben! Und bei Pfingstrosen gerate ich ohnehin immer ins Schwärmen – nur leider sind die mindestens so selten wie das Beerenvolk.
Wenn ich jetzt bei Amaryllis schon wieder schreibe, dass mich diese Blüte immer melancholisch stimmt – attestiert mir bitte nicht leichtfertig eine Depression. Meine erste Assoziation ist immer eines meiner Lieblingsbilder (bei dem es sich genau genommen um zwei Bilder handelt) des Malers Horst Janssen, das den schlichten Namen Tagebuch Amaryllis (Vier Tage Amaryllis und Vier Nächte Amaryllis) trägt. Erblühen in fast verschwenderischer Üppigkeit und danach – Vergehen. Eine schöne Allegorie auf das Leben. Floris hingegen toben sich gedanklich in mythischen Sphären aus und huldigen mit ihrem Duft die Schönheit der Blüte:
„The strikingly beautiful crimson red amaryllis is a flower that legend has it took the colour of its deep velvety petals from the blood of a young nymph’s heart in a romantic story of unrequited love. The flower has come to symbolise pride, determination and radiant beauty. The word ‚amaryllis‘ comes from the Greek word ‚to sparkle‘.“
Wie aber setzt man Amaryllis um? Ich wüsste ehrlich gesagt noch nicht einmal, wie Amaryllis wirklich riecht – was vielleicht daran liegt, dass sie leider schon lange dank ihrer Toxizität für meine felligen Freunde aus dem Haus verbannt wurde. Auf eine Art muss Amaryllis umwerfend sein – einnehmend duften, sich keiner vordergründigen Süße hingeben, aber trotzdem ihre Untiefen haben sowie ihre Wärme. Diese aber bitte nur bei gleichzeitiger Distanz – eine Amaryllis muss einfach eine starke Persönlichkeit haben, eine Femme Fatale sein, eine intellektuelle und erotische, leicht unterkühlte.
Und ich bin sehr überrascht, was für ein Duft mich hier erwartete – von einem eigentlich solch traditionellen Haus wie Floris. Hatte ich mich schon über Lily & Spices von Penhaligon’s gewundert, jener authentischen gepfefferten und überaus einnehmenden und narkotisierenden Lilie, die Allergiker wohl niesen und mich dahinschmelzen lässt.
Beschrieben wird er von Haus aus so:
„Amaryllis is an oriental fragrance with a vibrant spicy heart of ‚Naked Lady‘ lilies, frankincense and myrrh with tuberose and ylang ylang cooled by soft marine tones. Patchouli, heliotrope and caramel give depth and subtle sweetness to the base accord.“
Orientale? Jein. Irgendwie. Auf eine sehr eigenartige, aber einnehmende Art. Mächtige, dicke Lilien – insofern ist der Vergleich mit Lily & Spice durchaus angebracht, den ich ebenfalls als sehr raumgreifend empfinde. Weihrauch und Myrrhe kühlen deutlich, würzen aber auch kräftig. Von der für Ylang typischen, an Neroli erinnernden, Fruchtigkeit bemerke ich nicht viel, dafür hängt eine leichte Seebrise am Horizont, die mich entfernt an Montales subtil-süßen Embruns d’Essaouria denken lässt. Und irgendwo, von tief unten, steigt mir karamelliger Kakao entgegen, der vermutlich aus dem gourmandig angehauchten Lager entfleucht. Fast hätte ich vergessen, jene grün-metallenen Noten zu erwähnen. Und dass die Tuberose als solche nicht eindeutig zu identifizieren ist – zumindest nicht auf meiner Haut.
Amaryllis hinterlässt mich ein wenig grübelnd – und zwar im durchaus positiven Sinne: Der Duft ist schwer greifbar, absolut nicht einzuordnen und ziemlich gewagt. Mit seinem seltsamen Naturell wird er nicht jeden begeistern – bei mir hüpft er allerdings gleich in den Dauertestlauf.
Zuvor allerdings widme ich mich morgen dem letzten Duft der Private Collection von Floris – bis dahin alles Gute und viele Grüße,
Eure Ulrike.
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