… lässt sich einiges mehr erzählen, als dass es die Heimat von Trollen, Elfen und Björk ist und dass es dort jede Menge Geysire gibt. Deshalb hätte diesen Artikel eigentlich Harmen schreiben sollen, hat er doch viel dazu geforscht, auch vor Ort und liebt nicht nur Halldór Laxness, den Nationalstolz der Isländer und einzigen Nobelpreisträger, sondern generell die gesamte isländische Literatur. Überhaupt gilt diese, wie er mir erzählte, als großes Kulturgut dort, als Schatz und ganzer Stolz – die mittelalterlichen Sagas, heute noch lesenswert und von überraschend verständlicher Sprache, denn die isländische Sprache hat sich wohl seit dieser Zeit größtenteils erhalten. Und die Isländer sind stolz darauf und sehen sich als Bewahrer derselben, weswegen sie für so gut wie jedes ausländische Wort eigene Übersetzungen erfinden: Computer beispielsweise heißt „tölva“ und setzt sich zusammen aus „völva“, einer Seherin, Wahrsagerin und „tala“, was für Zahl steht – die Zahlenzauberin also.
Nerds – das sind sie wohl. Und dadurch hochgradig sympathisch – auch wenn sie Schattenseiten haben wie unter anderem das Beharren auf den Walfang, für das sie immer wieder vollkommen zu recht verbale Prügel von Tierschützern einstecken müssen. Dieses Jahr waren die Isländer das Gastland der soeben zu Ende gegangenen Frankfurter Buchmesse und, wie Harmen mir erklärte, nie zuvor gab es so viele Übersetzungen moderner isländischer Literatur wie dieser Tage. Lesenswert ist einiges davon, die zeitgenössischen Klassiker wurden bereits filmisch umgesetzt: „101 Reykjavík“ und „Engel des Universums“, um zwei zu nennen – letzterer ein immerwährender Liebling von mir. Ein Künstler, Páll, landet in seinem furchtbaren Liebeskummerwahn in der Psychiatrie, die sich bald schon nicht mehr so einfach von der „normalen“ Welt unterscheiden lässt – eine dringende Empfehlung meine Lieben, sowohl Buch als auch Film!
Páll würde vermutlich gefallen, was Andrea Maack macht: Künstlerin und Designerin ist die in Reykjavík lebende gebürtige Isländerin. Und hat erst vor kurzem ihren Kunstwerken weitere folgen lassen – eine Parfumkollektion, die ursprünglich für Museumsausstellungen konzipiert war und nun auch für uns Normalsterbliche erhältlich ist. Fünf Düfte sind es, deren äußere Verpackung sich an dem für Maack typischen minimalistischen Stil orientiert. Das Briefing der Parfumeure, die man, wo wohl, natürlich in Grasse aussuchte, um die Visionen von Maack umzusetzen, ähnelt demjenigen, das auch Humiecki & Graef ihrem Christoph(e)-Duo immer angedeihen lassen: Bilder, genauer Zeichnungen dienen als Vorlage für die Düfte und diese galt es umzusetzen.
Diese fünf Düfte möchte ich Euch diese Woche vorstellen, beginnend heute mit Smart:
„Smart started with a delicate pencil drawing, mapping the road to this unique scent. Developed for an art exhibition, the inspiration for Smart comes from an empty white gallery space. At first it is a light scent but as you go deeper it has a darker, slightly erotic mood lurking under the surface. An addictive scent with hidden notes, completely unique in its own way.“
Was für eine Zeichnung das wohl gewesen sein mag? Vielleicht eine zart dahingehauchte Tuschezeichnung, nur Umrisse auf weißem Büttenpapier? Mit der Zeit ist es definitiv Bleistift, der sich herauskristallisiert. Zumindest etwas Trockenes, denn trocken-pudrig ist Smart. Die rein-weiße Galerie kann ich nachvollziehen, Smart fühlt sich irgendwie an als hätte man mich in eine riesige Wattewolke gesetzt: Ein dichtes, fein gesponnenes Gewebe von trockener, samtkaramelliger Süße, der eine leise Spur zimtiger Holzigkeit innewohnt. Die Ingredienzen – Veilchenblätter, Jasmin, Sandelholz, Vanille, weißer Moschus und Leder – lassen sich eigentlich nicht auseinanderzwirbeln, ergeben vielmehr ein großes Ganzes, mehr als die Summe seiner Teile. Eine Aura, die nahe auf der Haut, um einen herum bleibt. Und, da hat Frau Maack durchaus recht – eine gewisse Erotik besitzt, eine tiefe. Der Duft strahlt selbstsichere Sinnlichkeit aus, ohne sich aufzudrängen. Wird immer hautnaher, entwickelt eine Sauberkeit, die trotzdem schmutzig-schmitzig sexy anmutet. Und ist am ehesten zu vergleichen mit mmmh… einer Mischung aus Anamors Kuschelmoschus All that matters und L’Artisan Parfumeurs Dzing! oder auch Six Scents No. 6, M, aus deren dritter Serie.
Ein überaus gelungener Auftakt, finde ich. Und freue mich auf den Rest der Düfte – bis dahin alles Gute und viele Grüße,
Eure Ulrike.
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