Die Vergessenen: Montale, Goutal, Jourquin & Zolty.

Meine Schubladen quillen über. Die letzten Monate kamen viele, viele Düfte auf den Markt, wie jedes Jahr in der Herbst/Wintersaison. Nach meinem Empfinden waren es aber dieses Jahr mehr als sonst. Und ich hinke mal wieder schwer hinterher, wie sollte es auch sonst sein. Deshalb kurz und knackig heute und auch in nächster Zeit mal wieder ein paar der (zu Unrecht) Vergessenen.

Montales Dark Purple – … ähnelt auf den ersten Riecher Montales Aoud Rose Petals. Und auch auf den zweiten lässt sich hier eine Bekanntschaft herstellen: Beide sind kühler, sehr kühler Natur. Während Aoud Rose Petals mit Rose und Oud (was sonst) auf Teakholz brilliert, findet sich hier ein Früchtestilleben – Pflaume, Blutorange und Beeren – vornehmlich in allen Rotnuancen leuchtender Früchte, von mit minzigem Geranium gestützten Rosen umrankt, auf einer leicht angewärmten Teakholzplatte.

Annick Goutal Mon Parfum Chérie par Camille – Die Ingredienzen verraten hier wenig über die Heftigkeit des Duftes (Kopfnote: Patchouli, Pflaume; Herznote: Heliotrop, Veilchen, Iris; Basisnote: Patchouli, Gewürze)… Wäre interessant, Camille Goutal, die den Duft ihrer Mutter gewidmet hat (die ihr seiner Zeit die wunderschöne Mädchenbirne Petite Chérie widmete), zu ihrem Verhältnis zu befragen sowie zu ihrem Mutterbild. Mon Parfum Chérie ist ein ziemlicher Kracher: Heftig viel Patchouli, erdig, aber staubtrocken und somit in Verbindung mit Veilchen und Iris eine pudrige Skinnote bildend, die Lippenstiftcharakter an den Tag legt. Überhaupt erinnert der Duft zusammen mit der fruchtigen Herbheit der Pflaume an eine kräftigere und chyprierte Variante von Histoires de Parfums Moulin Rouge 1889. Mon Parfum Chérie ist aber die finstere Schwester, würde ich sagen. Was noch dunkler ist als das traditionelle Etablissement in Paris? Die Ledernoten, die Mon Parfum Chérie in der Basis samt einer bitteren Würzigkeit an den Tag legt. Gegen diese Reitgerten-Lady haben die unschuldigen Tanzmädchen im Moulin Rouge keine Chance.

David Jourquin ist ein neues Label – und ausnahmsweise mal ausschließlich für die Herrenwelt. Cuir Mandarine Jour pour Homme und Cuir Tabac Soir pour Homme heißen sie, die beiden Lederknaben, und sind, wie der Name schon verheißt, ein gut durchdachtes Duo für den ganzen Tag. Cuir Mandarine hätte, wie mir sofort klar wird, eigentlich Cuir Lavendel heißen sollen und wäre insofern etwas für Harmens Lavendel-Serie gewesen. Ob er ihm wohl gefallen würde, meinem Mitschreiberling? Ich glaube schon: Würziger Lavendel in der ihm üblichen eleganten Strenge, sehr klassisch ausgeprägt, aber von Mandarine fruchtig aufgelockert. Tabak begleitet aromatisch, während sich das Geschehen holzig auf glattem Leder räkelt. Ein cooler, dynamischer und eleganter Businessmann – ob der sich wohl abends auch aus dem Anzug schält? Nein. Tut er nicht. Er lässt die sportliche Mandarine weg und wirft sich würziger, aromatischer und ein bisschen erotischer, aber immer noch im Anzug (Wiederspricht sich das? Nein.) ins Nachtleben. Das Leder hier immer noch glatt, aber wärmer, facettierter, dominanter. Ein schönes Duo, wirklich – für den richtigen Mann. Für Frauen meines Erachtens nach weniger geeignet – ähnlich wie bei Knizes Ten (der in diesem Zusammenhang mein Lieblingsbeispiel ist) sind die beiden Düfte unverkennbar maskulin, ohne allerdings den Mann-Mann raushängen zu lassen.

Kommen wir zu einem weiteren netten Herrn, dem ehemaligen Männermodel Jacques Zolty, der es sich schon seit längerer Zeit auf der Karibikinsel St. Barthélemy, kurz: St. Barth, bequem gemacht und der uns von dort aus mit hübschen Düften erfreut: À bientôt heißt er, der neueste Streich – ein fröhlich zugerufenes „Bis bald!“, dessen Einladung ich gerade zu gerne folgen würde, urlaubsreif wie ich mal wieder bin.

Nach dem ersten Test würde ich gerne noch schneller in Richtung karibische Inseln entfleuchen, denn der neue Zolty ist wirklich ein Leckerchen: Fröhlich-herbe Hesperiden prickeln zitrisch vor sich hin wie eine Champagnerbowle, von aromatischen Kräutern, säuerlicher schwarzer Johannisbeere und wässrig-floralen Akzenten begleitet. In der Basis grün-grasiger Vetiver, die Kräuterchen aufgreifend, ein weiß-sauber-strahlendes Zedernholzbettchen und wärmende Ambrasonnenstrahlen. Meine Lieben, so lässt es sich leben!

In diesem Sinne – bis morgen, Euch allen einen schönen Tag!

Liebe Grüße,

Ulrike.

Bildquelle: Pears and Plums 3 von MichaelaW, Moulin Rouge von Andreas Praefcke, Shell Beach St. Barts von Nolangaskill, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

10 Kommentare

  1. Christian
    4. Januar 2012
    Antworten

    …kicher…liebe Uli, ich denke gerade über mein Mutterbild nach, da ich doch diesen Goutal so toll finde (zumindest die EDT-Version ist m.E. absolut männertauglich, hat mir auch schon Komplimente gebracht)…. aber ehrlich: wenn der Duft „rot auf schwarz“ oder „Nr. 9113“ heissen würde, fänd ich ihn auch toll ;-)) (wäre mal ne Versuchsreihe wert, Parfum-Bewertung mit/ohne Namen und so, alle in neutralen Flakons)

    Schönen Tag wünscht
    der Christian
    P.S.: Hoffe, du bringst auch noch Floris „Mahon Leather“ bei den Vegessenen unter, der ist sowas von schön und gelungen, hab ich der ollen Firma ;-)) gar nicht zugetraut

  2. Ulrike
    4. Januar 2012
    Antworten

    Hallo lieber Christian,

    DU musst Dir gar keine Sorgen bezüglich Deines Mutterbildes machen – Du hast den Duft ja auch nicht Deiner Mutter gewidmet *lach*
    Ich glaube im übrigen SOFORT, dass der Duft sehr gut männertauglich ist. Sehe ich ganz genauso. Bei der Versuchsreihe mache ich im übrigen gleich mit. Wer stellt die Flakons (auf)?

    Die ganzen Floris-Düfte aus dieser speziellen Kollektion habe ich hier rumfahren und wollte sie alle separat nochmals vorstellen, da viele sie nicht kennen. Kommen also bald 🙂

    Liebe Grüße zurück und einen schönen Tag Dir,

    die Uli.

  3. Nil
    5. Januar 2012
    Antworten

    Hallo liebe Uli,

    Mon Parfum Cheri habe ich beim ersten Riechen gehasst. Ca. 10 Minuten habe ich ausgehalten und danach mein Handgelenk abgeschabt. Vorgestern habe ich noch einmal getestet. Nachdem ich die erste halbe Stunde überstanden habe, gefiel mir der Duft doch. Beim nächsten Schnuppern kann es durchaus passieren, dass ich ihn liebe. Ich bin gespannt 🙂

    Liebe Grüsse
    Nil

  4. Ulrike
    5. Januar 2012
    Antworten

    Tja, liebe Nil,

    so ist das manchmal mit der Nase, der eigenwilligen 😉 *lach*
    Ich kenne das auch nur zu gut – manche Düfte brauchen einfach Zeit, bis sie sich einem erschließen, brauchen Zeit, um geliebt werden zu können.
    Manchmal liegt es am Duft selbst, manchmal an mir, an meiner Verfassung, meiner Laune, meiner Tagesform. Und manchmal erschließt sich aber ein Duft auch erst nach vielen Monaten oder Jahren – alles schon vorgekommen 😉 Bin gespannt, ob er eine neue Liebe wird!

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

  5. Annette
    15. Februar 2012
    Antworten

    Liebe Uli,

    holla, die chère Madame Maman ist aber tatsächlich gewöhnungsbedürftig!

    Beim ersten Aufsprühen habe ich ehrlich gedacht, ich spinne – außer altem Schrank, bestenfalls alter Damenhandtasche (beide vornehmlich erstmal indifferent „alt“, dazu mehr als nur etwas staubig, fast schon ein bißchen Moder drin und das alles heftig) war nämlich erstmal nichts. Warum um Himmels Willen widmet jemand seiner Mutter _sowas_?!?

    Mir ging’s wie Nil, an Abschaben habe ich nicht direkt gedacht, viel hat allerdings nicht gefehlt.

    Und dann…beginnt eine Art Zaubertrick:
    Aus dem staubigen Behälter erhebt sich ganz leicht eine Ahnung von längst vergangenem – ja, was ist es?
    Parfüm, womöglich ein kleines bißchen überaltert, so wie eine Spieluhr, die lange vergessen war und nun ein wenig verstimmt ist? Oder ist es doch eher eine leicht schnapselige Pflaumennote? Ein Hauch Puder, leicht eingetrocknet, dem scharfen Geruch nach kurz vorm Umkippen, aber immer noch anziehend? Aus alldem schlußfolgere man nicht, daß es sentimental-nostalgisch-lieblich wird! Oh, nein!

    Denn jetzt erhebt sich Camille erst so _richtig_.
    Gutausehend, würdevoll, durchaus prätentiös, streng, diszipliniert, diese Disziplin auch von anderen selbstverständlich einfordernd. Und rrrumst einem erstmal ordentlich eine Portion Patchouli entgegen, die es in sich hat. Das Holz bleibt, wird aber weicher, subtiler.Irgendwo dazwischen auch ein ganzer Schwapp (Erinnerung an) Aldehydiges, aus dem sich langsam vor allem das Veilchen und der Heliotrop enthüllen, wie eine Grande Dame, die sehr, sehr betont ihre langen Handschuhe abstreift. Wird das doch noch was mit mir und diesem Duft?
    Die floralen Noten verharren, dezent aber merklich.
    Untergründig macht sich die Pflaume wieder bemerkbar, diesmal weniger schnapsig-likörig als vielmehr sehr zurückhaltend fruchtig und schafft gemeinsam mit der pudrigen Note, die sicherlich der Iris zuzuschreiben ist, tatsächlich diesen Geruch nach altem Lippenstift (in goldener Metallhülse, cela va sans dire…)

    Jetzt hat sie mich. Obwohl sie mir nochmal Patchouli entgegenbläst – sie hat mich absolut.

    Es ist nachvollziehbar, daß in vielen Blogs und Rezensionen von Vintage und 30er/40er Jahre-Hollywood die Rede ist.
    Da ist Stil, Klasse, Haltung, Selbstbewußtsein, Sexyness, aber sophisticated – und irgendwie etwas „nicht-heutiges“.

    Jalousien, durch deren Lamellen das Licht der heißen Nachmittagssonne flirrt, Lichtreflexe vom Pool auf den Wänden und im Spiegel hinter dem Schminktisch…
    Auf jeden Fall Cole Porter. Ein Gin Fizz, während der Chauffeur den Wagen vorfährt. Kühler wird’s. Und später im Club staubtrockene Martinis und seidig-kühl-rohe Manhattans.

    Oder so ähnlich 😉

    Toller Duft, dem man falls es keine sofortige Affaire wird, auf jeden Fall eine zweite Chance einräumen sollte!

    Liebe Grüße!

    Eine sehr faszinierte Annette (die jetzt auf der Stelle den DVD-Schrank nach passenden alten Filmen durchstöbern geht)

  6. Ulrike
    15. Februar 2012
    Antworten

    Hallo liebe Annette,

    da musst Du gar nicht lange nach ALTEN Filmen suchen – es würde auch schon Woody Allens neuer Oscar-nominierter Midnight In Paris reichen, den ich im übrigen sehr empfehlen kann. Sogar mit viel Cole Porter 😉

    Ich mag den Goutal ebenfalls. Vielen Dank für Deine sehr passende Beschreibung. Er ist – schwierig zugänglich. Aber so viel mehr als eine dicke Wolke Patchouli – wenn man es nur sehen mag 😉

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

  7. Annette
    15. Februar 2012
    Antworten

    Liebe Uli,

    Danke für den Filmtipp! *freu* Habe gerade bei imdb und der offziellen Website ein bißchen reingeschnuppert, hach ja…
    Nachdem ich Woody Allen ohnehin sehr mag 🙂 Muß ich nur schauen, ob der hier in der finsteren Provinz auch läuft, denn bei dem Wetter mag ich mich nicht auf Bus und Bahn verlassen *grummel*
    Ich will Frühling! Ich will Songe de Tulipe!
    Uuund was ham’mer hier!? 20 cm weißen Dreck *heul*

    Viele liebe Grüße!

    Annette

  8. Ulrike
    15. Februar 2012
    Antworten

    Ich habe auch keinen Bock mehr auf Winter. Auch, weil mein beknacktes bayrisches Qualitätsprodukt mich im Stich gelassen hat und dank einem (seehr teuren) Elektronikfehler bei Schnee unfahrbar ist. Egal. Dieser
    Woody Allen war herzerwärmend und nicht mal kitschig. Ich schaue Filme ja immer mit meinem Obermieter, der gleichzeitig mein „ältester“ (langjährigster) Freund und Catsitter ist. Er erträgt keinerlei Rom-Coms (Romantic Comedy) und auch keine „Frauenfilme“, hat sich diesen hier aber als begeisterter Cineast sogar gekauft 😉

  9. Annette
    16. Februar 2012
    Antworten

    Liebe Uli!

    Das ist gemein, wenn einen die Karre bei so einem Wetter kostenintensiv im Stich läßt! Laß‘ Dich davon nicht zu sehr ärgern *tröst*

    Und das nächstemal vielleicht doch ein schwäbisches Qualitätsmodell? 😉
    (die können einen gerade bei solchen Temperaturen aber auch fies hängenlassen!)

    Liebe Grüße!

    Annette

  10. Ulrike
    16. Februar 2012
    Antworten

    Hach, schwäbische Qualitätsmodelle, die mir wirklich gefallen, gibt es nur in Zuffenhausen… Und dazu bräuchte ich erstmal ne Gehaltserhöhung 😀 😉 … obgleich ich mir das mit dem Lokalpatriotismus für das nächste Mal überlege 😉

    Liebe Grüße zurück,

    Uli.

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