Viele kleine Italiener – Visconti die Dritte.

Heute geht es wie versprochen weiter mit Visconti – und selbst nach dem heutigen Tag werden wir mit dem Thema noch nicht abgeschlossen haben. Zu viele Düfte sind es einfach, und mich überrascht die Qualität dieser großen Kollektion sehr. Für gewöhnlich stimmt mich das immer ein wenig argwöhnisch, wenn eine Kollektion, von der ich noch nichts gehört habe, so viele Düfte hat oder gar mit so vielen Düften auf den Markt kommt. Hier aber habe ich dieser Tage schon einiges gerochen, das es mir durchaus angetan hat – und damit geht es munter weiter…

Akaba ist mein erster Kandidat, und lässt mich sofort schmunzeln: Eine echtes Unikat, eine Perle, das riecht man gleich. Und so eigenwillig und einzigartig, dass der Duft dafür sogleich einen Stein in meinem Brett einheimst. Was rieche ich auf den ersten Schnupperer? Trockenes würziges Heu, süßen aromatisierten Pfeifentabak mit Vanille und Lakritze. Drum herum holzt es noch ein wenig, Oud raucht außerordentlich zivilisiert vor sich hin im Hintergrund und Patchouli haucht Erdung ein. Aber im Grunde bleibt sich der Duft seinen Verlauf über treu. Und präsentiert eine so feine Mischung, dass es für Männlein und Weiblein mit Lakritzaffinität und Tabakleidenschaft eine wahre Freude sein dürfte.

Ein exzellenter Einstieg – und weiter geht es mit Rose Sauvage: Was steigt mir da in die holde Nase? Raumgreifend, ein wenig aldehydisch und mit Mandarine versehen, enthüllt sich hier ein gar meisterlich arrangiertes Blütenbouquet. Opulenter Jasmin, erdig-samtig-pudrige Iris und eine Mischung aus Rose, Patchouli sowie Tonka und Vanille, die mich sehr an einen meiner liebsten Düfte erinnert – Juliette has a Guns Lady Vengeance. Und überhaupt erinnert mich Rose Sauvage an eine gelungene Hochzeit zweier meiner absoluten Favoriten – besagte Rachegöttin sowie Iris Poudre, die ebenfalls Übermenschliche. Florale Frische in einer eigenartigen angewärmten Form, wie in Seide und Kaschmir gehüllt. Und zu allem Überfluss noch eine winzige Spur Tuberose. Ich bin hin und weg.

Rose Suprême, die zweite Rose, zeigt sich für mich auf meiner Haut deutlich chypriert. An eine Rose im Moos muss ich denken, eine zarte, im Halbschatten – das ist das Bild, dass ich zum Duft vor Augen habe. Eine luzide Rose, mit cremig-erdigem Veilchen und samtiger Iris im Gefolge, von herb-frischer Bergamotte beschienen und von Vetiver moosig-grasig umrankt.

Fleur de Nuit weckt vielfältige Assoziationen: Die Blume der Nacht lässt mich sofort an Nachtschwärmer denken, an Baudelaires Werk Les Fleurs du Mal und seinen vielbeschworenen dandyesken Flaneur, der beobachtend durch die Straßen zieht, … hach. Und der Duft enttäuscht nicht: Trocken, warm, süß, scharf und pfeffrig brodelt einem der Auftakt entgegen, und auf eine angenehme Weise animalisch. Sehr eigen- und überaus einzigartig, wobei gleichermaßen absolut tragbar. Nelke? Muskat? Piment? Pfeffer? Gemischt? Dazu kommen noch Rose und Jasmin, jetzt juckt es mich aber und ich wage einen Blick auf die Ingredienzen: Kopfnote: Peperoni (Chili), Muskatnuss, Mandarine, Bergamotte; Herznote: Jasmin, Türkische Rose, Nelke, Anis; Basisnote: Adlerholz (Oud), Sandelholz, Benzoeharz, Vanille, Honig, Moschus, Patchouli, Vetiver, Ambra.

Chili pfeffert also mit Muskat am Anfang und stiftet diese trockene Schärfe, die alsbald ambriert harzig wirkt. Oud hüllt rauchig-holzig-harzig ein, während Vanille cremig-süß untermalt. Harzige Hölzer dominieren den Verlauf, in enger Umarmung mit dem honigverzierten Blütenduo, während der anfänglich trocken-scharfe Unterton den ganzen Duft über bestehen bleibt.

So etwas, meine Lieben, habe ich so noch nicht, vermutlich noch nie gerochen. Das hier hätte auch von Lutens sein können – und zwar vom alten, der noch mit jedem Duft einen echten Knaller produzierte. Denkt bitte an Klassiker wie Chergui – Fleur de Nuit ist meines Erachtens nach durchaus vergleichbar.

Damit möchte ich die Visconti-Serie erstmal abschließen – vorübergehend. Denn jetzt, nach ein paar Testtagen, bin ich doch so überzeugt dass ich Euch auch irgendwann mal in naher Zukunft den Rest der Kollektion vorstellen werde.

Wie sieht es aus, habt Ihr schon getestet? Eure Meinungen?

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Michel Gobin (nach 1681): Junger Mann mit Pfeife, Pink Rose von Socyo/Bruno Sersocima, Chili von hejboel/Henrik Jensen, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Hier finden Sie Antonio Visconti in unserem Shop.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Katharina W.
    24. Dezember 2011
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    die ganze Kollektion hört sich überaus testenswert an. Und besonders der Rosenduft hört sich habenswert an. Lady Vengeance zählt auch zu meinen Lieblingsdüften, und ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß sich Rose darin befindet. Du weißt, ich bin immer vorsichtig mit Rosen, zu schnell hat man (bzw. ich) da den Geruch von Silage bzw. „gekipptem Essig“ in der Nase.
    Du hast mir ja bereits einige Rosendüfte ans Herz gelegt, darunter auch Annick Goutals Rose Splendide, der mittlerweile zu meinen Lieblingsdüften zählt.
    Ich hoffe, ich werde bald zum Testen kommen. Und ich freue mich auf deine Rezension der restlichen Visconti-Kollektion.

    Viele liebe Grüße
    Katharina

  2. Ulrike
    27. Dezember 2011
    Antworten

    Hallo liebe Katharina,

    ich kenne den Weg vom Nicht-Rosen-in-Düften-Haben-Woller zum Rosenliebhaber sehr genau 😉 Es ist ein schleichender, langsamer, aber unaufhaltsamer – so zumindest bei mir gewesen. Und ehe man es sich versieht, hat man doch nicht zu knapp Rosen im Duftrepertoire…

    Viscontis Rosen (und auch den Rest der Kollektion) sollte man sich ruhig zu Gemüte führen. Bei all meiner Skepsis in Anbetracht so großer Kollektionen musste ich mich doch eines Besseren belehren lassen: Eine sehr schöne und qualitativ ansprechende Kollektion, einmal wieder typische Italiener, doch doch, ich bin sehr angetan 🙂

    Viele liebe Grüße zurück,

    Uli.

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