Olfactive Studio – die Dritte.

Olfactive Studios dritter und letzter Duft: Chambre Noire, das dunkle Zimmer – hiermit ist (hoffentlich?) kein Sado-Maso-Darkroom gemeint? Nein, es ist die eigene Vorstellung gemeint, vielleicht das Unterbewusstsein, vielleicht auch jener Zustand im Dämmerschlaf. Die Phantasie, die das Ruder übernimmt sobald wir die Augen schließen. Wo habe ich das einmal gelesen? Schon seit Jahren suche ich nach der Quelle – tausende kleine Fluchten, die wir begehen, wenn sich das Lid senkt und das Auge für Bruchteile schließt, um zu blinzeln… was für ein schöner Vergleich, oder nicht? Clémence Réne-Bazin, die Photographin des diesmal meines Erachtens nach sehr gelungenen Fotos erzählt zum Namen „Chambre Noire“ Folgendes:

„What happens in the darkroom? Mystery. Behind the thick curtain of the imagination, minds ignite. Serge Gainsbourg did sleep in a dark room but it was another genius, Leonardo da Vinci, who would win the paternity test. In the darkroom, light is queen and darkness the heir apparent. Light uses the closed space to cast shapes and contours. The darkroom is magical. Its optical formula transforms, with astounding precision, the real into its inverted and reverted image. It plays tricks on the eye and makes us see the world upside down. The eye becomes dizzy. In the darkroom, shadows are promises. To satiate the obscure object of photographic desire, it is worth taking the time to do it in the dark. Isolated in this space, something from the realm of intimacy and secrecy occurs. A lover’s ritual takes shape. Patience and attention are required for the enchantment to happen, for the dark to illuminate. The darkroom re-wakens focus and contemplation and keeps speed and haste at bay. It is a temple for the eye to meditate; a temple, for it shelters as much as it reveals; captures as much as it delivers.“

Kreiert hat  Chambre Noire eine weitere Frau, nämlich Dorothèe Piot, die bei Robertet tätig ist. Ich musste auch nachlesen – außer Memoir Woman für Amouage hat man von Piot noch nicht viel gehört beziehungsweise geschnuppert, einige (mir) unbekannte Mainstreamer, das war es. In jedem Fall lässt sich die Dame von guten Köchen und der Kochkunst inspirieren und liebt den Geruch von Trüffeln und… Patchouli. Jener ist vermutlich in diesem Düftchen hier auch satt vertreten, was alleine die Farbe schon erahnen lässt. Ansonsten hat Madame Piot verwendet: Kopfnote: rosa Pfeffer; Herznote: Jasmin, Papyrus, Veilchen, Weihrauch, Pflaume; Basisnote: Sandelholz, Patchouli, Moschus, Vanille, Leder.

„A sensual and mysterious fragrance, Chambre Noire reveals itself from the shadows using the spotlight of the vibrant top note. A fragrance to be shared in the privacy of some far-off hotel room.

It reveals its character gradually, exuding sensual notes of leather against a backdrop of warmth and opulence.“

Ein sinnlicher und mysteriöser Duft, Licht und Schatten und die Privatheit eines fernen Hotels…

Ambivalenz ist das erste Wort, das mir dazu einfällt… und es trifft auch den Duft sehr gut: Eine dicke Wolke Patchouli entert meine Nasenflügel, lässt aber alsbald unter ihrem dicken, dichten Kleid noch andere Facetten hervorblitzen – gestrenges ernstes Glattleder mit einem deftigen Raucharoma, das von einer kinky anmutenden Vanille-Lolita kokett umgarnt wird, was mich an Annick Ménardos genialen Patchouli 24 für LeLabo erinnert. Samt drängt sich unter den Rauch, genauso wie eine Portion Erde, eine holzige Süße, subtile Weißblüheranleihen und, wenn man es weiß, eine gut versteckte Pflaume, die man sonst vermutlich in einer fruchtig-floralen Anmutung belassen hätte.

Kein typischer Patchouli, nein. Einer, der Harzfreunden gefallen wird, wenn es ein gewaltig rauchen darf. Und einer, der für mich wieder ganz typisch die Handschrift der bisherigen Olfactive-Studio-Düfte wiederholt: Unpräteniös, besonders, authentisch und nicht aufgesetzt, unkonventionell. Doch, ich mag diese Linie. Und hoffe, dass da noch Einiges folgen wird.

Wie sieht es mit Euch aus, habt Ihr schon getestet, ist was für Euch dabei?

Gespannte Grüße,

Eure Ulrike.

Hier finden Sie die komplette Olfactive Studio-Kollektion in unserem Shop.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

12 Kommentare

  1. Simone H.
    17. November 2011
    Antworten

    Bei mir geht sofort nach deiner Beschreibung das Kopfkino los: Wolfgang Mattheuers Bild „Drinnen, draußen und ich“ und ein Bild, bei dem ich meine, dass es eine Illustration von Quint Buchholz ist: ein Mann im Ruderboot auf dem See sieht durch einen Rahmen einen Mann im Ruderboot auf dem See…mir gefallen die Flakons sehr gut, ansonsten: gut Ding will Weile haben.

  2. Ulrike
    18. November 2011
    Antworten

    Hallo liebe Simone,

    eine gelungene Assoziation, die hierzu auch sehr gut passt – zur Stimmung. Die Flakons sind im übrigen auch in Natura ziemlich schön und wertig, bei mir ist bereits Still Life eingezogen und da ich diesen trotz der momentanen Temperaturen schon häufiger im Gebrauch hatte kann ich das getrost sagen 😉

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,

    Ulrike.

  3. Katharina W.
    18. November 2011
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    was für schöne Beschreibungen dieser Duftserie.
    Und Danke für den Abstecher in die Philosophie sowie die Psychologie.
    Das Spiegelstadium, die Selbstliebe als Basis für jede Weiterentwicklung… das macht mich gerade sehr nachdenklich.
    Und auch hier gefällt mir der Philosoph Kant wieder einmal besser als beispielsweise die alten Evangelisten, die bisweilen Selbsterniedrigung bis ans Kreuz lehrten – „Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden. Wer sich aber selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“. (aus Matthäus 23/12)

    Leider funktioniert der Link zu den Spiegel-Bildern nicht.

    Herbst und Winter sind bestimmt nicht nur für mich die Monate, in denen ich mich nach Ruhe sehne. Wo sonst Reibung die Spannung erzeugt, darf es bei mir auch düftemäßig gern etwas harmonischer zugehen.
    Daher hat die Beschreibung des „Autoportrait“ in mir große Sehnsucht nach einem Wohlfühlduft ausgelöst, nach einer duftenden Erinnerung an jene innere Trutzburg, die du beschreibst. Und ich hoffe, jenen Duft alsbald unter der Nase zu haben.

    Viele Grüße
    Katharina

  4. Ulrike
    21. November 2011
    Antworten

    Hallo liebe Kati,

    vielen lieben Dank für die Blumen *rotwerd*
    Tjaja, der Herr Kant – an dem haben sich viele abgearbeitet, das ist wohl wahr. Und Philosophie ist bei mir auch Ersatzreligion, vielmehr: meine Religion 😉

    Ich sehne mich wohl das ganze Jahr immer nach Ruhe, im Winter aber ebenfalls ganz besonders, was sich vor einigen Tagen in einer dicken Bestellung von wenig Tee für viel Geld beim Pariser Haus Mariage Frère manifestierte. Jetzt kann ich wieder nach Herzenslust meinen Empereur Chen Nung trinken, dessen erste Portionn mir unser Ex-Schreiberling Mariela vor einiger Zeit vermachte, weil niemand in ihrem Haushalt Tee trinken wollte der nach altem Ledersattel schmeckt 😉 Zündeln mit Kerzchen macht dazu natürlich Freude und der richtige Duft ist auch wichtig – Chambre Noire ist in jedem Fall ein schöner Winterkandidat.

    Viele liebe Grüße zurück,

    die Uli.

  5. Annette
    5. Dezember 2011
    Antworten

    Hallo, liebe Uli!

    Soeben die Dunkelkammer gestestet/am Testen 😉

    Beim ersten Aufsprühen: Holla, das ist mächtig!
    (erinnerte mich einen vor Urzeiten mal gehabten Paco Rabanne)
    Dann kam wirklich intensiv rauchig-harziges mit subtilen süßen (nicht süßlichen) Untertönen – ja *nachschnupper* da ist es, das Veilchen*. Die Pflaume habe ich nicht wirklich entdeckt, kommt wahrscheinlich noch?
    Das Ganze wird bei mir dann staubtrocken und lakonisch,
    wenn es eine Person wäre: mit ziemlich schrägem Humor,
    als Duft: immer noch mit aufbitzender Restsüße (Hallo Vanille! Veilechen, Du auch da – wie schön!)

    Toller Duft, definitiv sehr sexy!

    * Ah, das Veilchen war’s wohl, was mich auch an „Geste“ denken ließ. Merkwürdig, eigentlich hab‘ ich mich nie als „Veilchentyp“ gesehen *g* – und trotzdem arrivieren sie im Moment klar zu meinen Favoriten *lila im Moose erblüh* :-))

    __
    OT:

    Den Navigateur (L’Artisan Parfumeur – L’Eau du Navigateur) hab ich gestern probiert: Der Kaffee ist definitiv vorhanden :-). Dann enwicklen sich auf meiner Haut erstmal ein paar minzige (? nanü?) Noten. Was darauf eine ganze Weile klar dominiert: ein frisch gewaschenes, perfekt gebügeltes und gestärktes weißes Hemd (mit Persil gewaschen! Ein sehr gepflegter Seefahrer offensichtlich *g*) – ein bißchen holzt und kräutert es dann später dezent ledrig und angenehm nach.

    Unaufgeregt, diskret, schön, alltagstauglich ohne langweilig zu sein!

    Liebe Grüße!

    Annette

  6. Ulrike
    7. Dezember 2011
    Antworten

    Hallo liebe Annette,

    gell, die Dunkelkammer ist ein sehnsuchtsvolles Örtchen! Im übrigen kann ich Dir nur zustimmen mit dem Veilchentyp – das gilt auch für mich 😉 Geste war bei mir auch der Türöffner zu diesem Thema.

    Und was den Navigateur angeht – das war ein perfektes Timing, oder? Im übrigen mag ich ihn ebenfalls recht gerne, obgleich ich, glaube ich, den bösen Wolf aus dem gleichen Haus in dieser Hinsicht vorziehe.

    Viele liebe Grüße zurück,

    Uli.

  7. Katharina W.
    20. August 2012
    Antworten

    Auf diesen Duft zu testen habe ich mich besonders gefreut – gestern kam dann die Enttäuschung. Ich finde ihn einfach zu schwer (für mich). Da sind (für meinen Geschmack) zu viele schwere Komponenten vereint. Zu viel Rauch, zu viel schere Blüten, und zu viel Leder.
    Dafür bin ich leider einfach nicht der Typ.

  8. Ulrike
    22. August 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Kati,

    das hatte ich mir schon gedacht 😉 Er ist schon wirklich ein zünftiges Kaliber, für zarte Frauen wie Dich wohl eher nicht gemacht 🙂 Das macht aber nichts, die Kollektion hält noch anderes für Dich bereit 😉

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

  9. Dorothea
    23. August 2012
    Antworten

    Ja, so ering es mir mit der Dunkelkammer auch, Deine Eindrücke kann ich sehr gut nachvollziehen. Solche Düfte sind einfach nicht für uns gemacht…
    Das finde ich so schön an Irisdüften – sie sind oft trotz einer gewissen Komplexität meist nicht schwer. Na ja, bis auf wenige Ausnahmen vielleicht… (Iris 39, du bist gemeint!)

    Übrigens, hast Du nicht mal nach Düften mit einer erdigen Note gesucht? Zu diesem Thema ist mir nämlich noch Iris Silver Mist eingefallen, einer meiner Favoriten, der hat ja eigentlich auch eine recht ausgeprägte erdige Note, viele beschreiben sie als den Duft frisch ausgegrabener Wurzeln…

    Liebe Grüße
    Dorothea

  10. Ulrike
    30. August 2012
    Antworten

    Das mit der Iris Silver Mist unterschreibe ich prompt. Und darf an dieser Stelle anmerken, liebe Kati, dass ich mir gerade eine fette Kette aus fetter Panzerkette mit Straßzeugs gekauft habe – mir „Kante“ steht sie 😉

    Viele liebe Grüße,

    Eure Uli.

  11. Katharina W.
    31. August 2012
    Antworten

    @Uli
    Glückwunsch zur Panzerkette!
    Ich kann mir sowas sehr gut an dir vorstellen. Wie vieles anderes gröber Gearbeitetes.
    Hühnchen wie ich brauchen Filigranes, deshalb kann ich mit Rustikalem nur meine Wohnung dekorieren, macht aber auch Spaß. 🙂

  12. Ulrike
    11. September 2012
    Antworten

    Bei mir geht Rustikal eben überall – in der Wohnung und um den Hals 😉
    Was Wohnen angeht kombiniere ich aber sehr gerne.

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