Liebesgeflüster…

Lieber Yann,

wann hat es mit uns angefangen? Lass mich nachdenken… Ich glaube, das erste Mal habe ich Dich wahrgenommen, als ich über die Herrendüfte von Divine gestolpert bin: Göttlich ist genau das richtige Wort für ein Juwel wie L’Homme de Cœur – sachte schlich sich dieser Herzensmann in mein ebensolches mit zarter Iris, aromatisch-ätherischem Wacholder sowie Angelika und seinem unvergleichlichen Understatement. Und ließ mich aufhorchen, animierte mich, mir die restlichen Düfte des kleinen, aber feinen Franzosenlabels ebenfalls vorzunehmen. Einige der Damen ließen mich, obwohl gut gemacht, eher kalt – die entstammen ja aber auch nicht samt und sonders Deiner Phiole, wie ich heute weiß. Die beiden L’Etre Aimé-Düfte wiederum sprachen mich an – nicht allein des Namens wegen, das muss ich sicher nicht erwähnen. Und L’Homme Sage verzückte mich ebenfalls. Im Vorbeigehen hatte ich Dich also das erste Mal entdeckt – und Du bist meinem Blickwinkel wieder etwas entwischt, das muss ich zugeben.

In meinen Fokus bist Du dann wieder gerückt, als mich die Six Scents Series 2 gefangen nahmen. Du hattest Dich beteiligt, und zwar zusammen mit Damir Doma. Die No. 2 war Euer großer Auftritt, der den Namen Ende/Anfang trug und den ich begeistert rezensierte:

Inspirierendes Moment war ein Tagesanfang, die Dämmerung: Ein Ende, das Sterben der Nacht, sowie ein Anfang, der neue Tag, der beginnt. So zumindest nach Doma. Vasnier scheint ein echter Fan von Domas Mode zu sein seiner eigenen Aussage nach. Er wollte dessen Vision in einem Duft einfangen, dem Geist seiner Mode Ausdruck verleihen – Sensibilität, Spiritualität, Intelligenz, Purismus, Einheit, Harmonie zwischen Körper und Seele, Natürlichkeit, Respekt. Da Doma viele natürliche Materialien verwendet und gerne Stoffe layert war für Vasnier ausschlaggebend, ebenfalls nur natürliche Essenzen zu verwenden und diese in feinen Schichten übereinander zu drapieren.

An diesem Parfum werden, ich verwette meine ganze Kollektion, sämtliche Weihrauch- und Holzliebhaber ihre große Freude haben: Ende/Anfang ist durch und durch Holz, Gewürz und Weihrauch und dabei wunderbar harmonisch. Kühl, tröstlich, holzig, harzig, gewürzig und wunderschön – wenn man es mag. Überflüssig zu erwähnen – ich mag ihn 😉 Verwendet wurde Ingwer, verschiedenste Arten Weihrauch aus unterschiedlichen Ländern, Elemiharz, Labdanum, Benzoeharz, Storax, Gurjumbalsam, Birkenteer, Kardamom, Koriander, Tonkabohne, Sandelholz, Guajakholz, Bienenwachs, Vetiver, Patchouli, Myrrhe.

Ein philosophischer Name, ein erlesen schöner Duft, ein toller Designer – jetzt hattest Du mich, hattest meine Neugierde geweckt, die Recherche konnte beginnen. Und ich musste entdecken, dass Du einiges geschaffen hattest, was mir gefiel: Comme des Garçons Red Series Palisander und Rose waren frühe Werke von Dir, Le Labos Aldehyde 44 hatte ich irgendwie verdrängt, aber schon damals positiv in Erinnerung gehabt. Auch viele schöne Mainstreamer hast du kreiert – für Marc Jacobs einige seiner Splashs, unter anderem die Feige und den Ingwer sowie Donna Karans Gold, das zu Recht viele Freunde hat.

Ab Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends war dann Deine Zeit gekommen: Du hast Dich gemausert, endlich, und zum gefragten Mann entwickelt – Tommy Hilfiger buchte Dich und Marc Jacobs setzte Eure Zusammenarbeit fort, Tom Ford zog hinterher und True Religion wollten Dich haben. Verständlich, dass Dir bei all dem Trubel zwischendurch ein wenig schwindelig wurde – deshalb sei Dir Dein Ausflug mit Baby Phats Fabulosity auch verziehen.

Du hast aber bei all den Mainstreamern auch die Nische nicht aus den Augen verloren – und ich Dich deshalb auch nicht: Für Delrae Roth hast Du begonnen und bist dort in die Fußstapfen eines ganz Großen getreten – in die des Michel Roudnitska.

Mit Mythique hast Du einen wirklich guten Start, denn Du mit Deinen beiden Folgedüften scheinbar spielend getoppt hast: Panache harrt hier immer noch einer Rezension, ich verspreche, ich werde es noch tun. Zu schön war er, ist er – dieses einzigartig-eigenartige saubere Blütenbouquet von Jasmin, Iris, Magnolie und Geißblatt. Eine Verbeugung vor und für uns moderne Frauen. Ein Damenduft fürs 21. Jahrhundert. Und nein, davon gibt es nicht viele, ganz im Gegenteil. Mit Coup de Foudre hattest Du es dann geschafft: Du hast mich zu Tränen gerührt, so sehr hat mich diese Deine wundervolle Rose berührt:

Eine Rose in solch einer ultimativen Schönheit wie sie (nur?) in der Natur vorkommt, reich, tief, frisch und verführerisch. Eine, die einen sofort im Sturm erobert, eben – Liebe auf den ersten Blick oder vielmehr: Riecher.

Und – ich bin mir fast sicher: Den meisten Rosenliebhabern wird es genau so ergehen. Wer Rosen mag MUSS diesen Duft lieben, daran führt kein Weg vorbei. Im Auftakt stieben mir prickelnde Agrumen wie funkelnde Sterne entgegen, in deren Folge sich eine entrückte und berückend schöne Rose zeigt. Vasnier lässt uns an allen ihren Facetten teilhaben: Ihrem zitrischen Perlen, ihrer taubenetzten Frische von grünem Blattwerk gesprenkelt und von Pfingstrose und Magnolie wundervoll im Eindruck verstärkt. Minzige Noten und eine subtile pfeffrige Schärfe unterstreichen ihre beeindruckenden Konturen, bis sie uns im Abgang auf ihre Wurzeln blicken lässt, die in wohlig-weichem sonnendurchwirktem Moos ruhen, welches von einer feinen Süße und einer zarten Rauchigkeit kontrastiert wird.

Head-over-Heels war es um mich geschehen. Und es zeigten sich erste Suchttendenzen sowie erwartungsvolle Freude, Sehnsucht… nach mehr von Dir.

Das hast Du nun prompt geliefert: In der Series 3 der Six Scents bist Du wieder mit von der Partie, sehr zu meiner Freude. Mit Ohne Titel hast Du kooperiert, zwei Damen, und hast für sie M, den Duft Nummer Sechs geschaffen. Aber bitte, ich möchte Dir nicht Worte in den Mund legen, erzähle selbst:

„M was a collaborative project with Ohne Titel. Meeting Flora and Alexa, you are immediately struck by the level of ease, familiarity and cohesiveness of their conversation together. They build off each other’s ideas, sharing the same open vision. The same pattern translated for their choice of ingredients and the expression of the fragrance, they both gravitated to the same ingredients we smelled and built together. I started Oh My Deer with a core of leather and an animalic feeling. Alexa and Flora spoke about their rebellious side when growing up, night clubs and late outings, the feeling of warm, slightly sweaty skin. I tried to recreate their attention to intricate tailoring, architecture of design, their care of detail, all these very feminine aspects using these strong and signature materials like cardamom, safraleine, and leather.“ – Yann Vasnier.

Feminin sind die Entwürfe von Ohne Titel, fließend und überlappend, einmal mehr an Großmeister Rick Owens erinnernd, aber mit eigenem Twist. Ein nettes Damenpaar hast Du Dir da rausgesucht, ich könnte glatt eifersüchtig werden, mit Eurem, Deinem Duft besänftigst Du mich aber schnell: Wow, was ist dass denn lieber Yann?! Leder, feinstes Wildleder butterweicher Natur hast Du hier karamellisiert, mit zuckrigen Karamellkristallen wie mit Sternen funkelnd überzogen. Hast ihm eine violett schimmernde Pflaumendiva an die Seite gestellt, die fruchtige Kühle einhaucht. Und weich-würzige Vanillewärme daruntergelegt, trockene, die die holzige Strenge besänftigt, während von irgendwo her der Duft eines stolzen und eindrucksvollen Raubtieres herüberweht – ein Panther vielleicht, ein Leopard?

„Night Noises – pass away
 
Heat remains
 
Smell of Memory.“

Das ist die Story zu Eurem Duft M, jenem Originellen, der wenn überhaupt nur einen Richtungsverweis duldet – den auf das kongeniale Giacobetti-Meisterwerk Dzing!. Kurz, aber dennoch bedeutungsschwanger ist sie, Eure Geschichte. Und passt so gut zu Deinem Duft, der sich gegen Ende seines Verlaufes so wunderbar kühl-seidig-ledrig um meine Haut legt wie eine Umarmung.

Das mit uns Yann, das spüre ich, das weiß ich seitdem – das ist etwas Ernstes. Und daraus kann noch etwas ganz Großes werden, da bin ich mir sicher. Auch, wenn Du mich mit Buxton & Bourdon, Kurkdjian, Giacobetti und Duchaufour teilen musst.

Ganz die Deine –

Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. Jutta L.
    9. Oktober 2011
    Antworten

    Soo schön, Deine Liebeserklärung, liebe Uli! Kannst mir auch mal eine schreiben, falls ich eine brauchen sollte? Es ist ein Vergnügen, diesen Artikel zu lesen – was ich bereits drei Mal getan habe!
    Ich hatte schon in den letzten Tagen den Eindruck, dass Deine poetische Seite zum beginnenden Herbst hin mehr Platz einnimmt, toll. Du bekommst bestimmt bald ein paar Verlagsangebote ;o).
    Aber noch zu den Düften, von Yann Vasnier liebe ich ganz besonders L’Homme Sage, einer der schönsten Männerdüfte, die ich kenne. Leider an mir zu maskulin. Dass die neueren DelRae Düfte auch von ihm sind, wusste ich gar nicht, davon gefiel mir Mythique sehr gut, aber irgendwie lief er mir zur falschen Jahreszeit über den Weg, den möchte ich baldigst nochmal testen. Den Six Scents M fand ich auch spannend, für mich der interessanteste von der 3.Serie.

    Bis ganz bahald!
    Lieben Gruss
    Jutta L.

  2. Margot
    10. Oktober 2011
    Antworten

    Liebe Uli,
    hach ja, schließe mich dabei Jutta an! Sollte ich jemals in die Verlegenheit kommen, einen Liebesbrief zu schreiben, engagiere ich Dich als Ghostwriter!
    Spaß bei Seite ….. mit Deinen Rezenssionen in den letzten Tagen und jeder Menge Hinweisen auf Düfte, die schon lange bei euch im Programm sind, wirfst Du meine gesamte Planung für den 15.10. um! Menno! Wahrscheinlich bin ich am Samstag abend so benebelt, dass ich überhaupt nicht mehr weiß, was ich wollte/will!
    Nichtsdetotrotz muss ich Dir bei Yann zustimmen! Die Iris Panache ist mir ja bereits in die Hände gefallen und ich liebe ihn heiß und innig! Mythique und Coup de Foudre sind ebenfalls sehr schön!

    Ich freu mich auf’s WE, bis dahin ganz liebe Grüße,
    Margot

  3. Avatar-Foto
    Ulrike
    11. Oktober 2011
    Antworten

    … jetzt war ich schon ganz enttäuscht: Wenn schon nicht Yann auf meine lieblichen Zeilen antwortet, so hatte ich doch gehofft, dass sie Euch betören… Und doch ist noch jemand darauf angesprungen, fein 😉
    Meine poetische Seite, liebe Jutta, kommt natürlich im Herbst wieder. Beschwer Dich aber nicht, die melancholisch-depressive auch 😉 Im übrigen schreibe ich Euch beiden sehr gerne Liebesbriefe – ob nun im Namen oder für Euch persönlich, da können wir drüber reden 😉
    Und ansonsten kann ich nur sagen dass mir L’Homme Sage auch richtig gut gefallen hat und ich mir bereits ein Fläschchen von der Nummer Sechs habe wegstellen lassen 😉

    Liebe Grüße,

    Eure Ulrike.

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