Halbzeit – drei Düfte haben wir schon besprochen, drei Düfte folgen noch aus der Six Scents Series 3. Flott geht es weiter – mit Duft Vier: Ascent heißt er und wurde geschaffen von Rad Hourani und Christophe Raynaud.
Rad Hourani, das erwähnte ich schon einmal, sieht für meine Augen aus wie eine futuristische (und, pardon, jüngere) Version von Karl Lagerfeld – und macht avantgardistische Mode, die stark an Rick Owens erinnert mit einem japanisch-belgischen Einschlag, passt demnach perfekt in die Riege der Six Scents-Designer.
Raynaud wollte mit Ascent Houranis Idee des „Cycle of Life“ einfangen, die er dessen Werken zugrunde gelegt sieht – From Ashes to Ashes, wie bei David Bowie. Deshalb ist in diesem ambivalenten Duft auch alles drin, vom Babypuder bis hin zum Weihrauch:
„I was inspired by Rad’s vision of the cycle of life, going from birth to death, from ashes to ashes, as in David Bowie’s song. Origin of life is expressed by a fresh accord, green and watery, like a drop of sperm. Childhood is evoked by baby powder, it’s a musky and powdery scent. Midlife is expressed by a leathery note, comfortable yet strong like a leather jacket. Then the end of life is symbolised by incense, not a morbid, but a liturgic odor, evoking the ambiance of the churches. The results is a contrasting fragrance, luminous yet dark, shiny and mate, like Rad’s fashion.” Christophe Raynaud.
Babypuder und Weihrauch? Luzidität und dunkles Strahlen? Alles in einem Duft? Ja, definitiv. Ein fruchtig-mehliges Birnchen im Auftakt leitet über, kopfüber in die Weißwäsche, die vor Frische nur so strotzt. Ein bisschen wie ein Medium komme ich mir vor oder ein Rauschgoldengelchen, wie ich mit platinblond-silberleuchtendem Haar dem was auch immer entsteige, in reinweiße Gewänder gehüllt… Gecremt, gesalbt, gepudert mit einer seidengleichen Haut fühle ich mich rein. Und doch, von irgendwo her weht sie herüber, hat sie mich doch wieder erwischt – die Endlichkeit, die omnipräsente Vergänglichkeit. Wollrauchig Grau zeigt er sich, der Weihrauch, und kitzelt Reflexionen hervor, Kontraste heraus, ein bisschen nur, gerade genug, um melancholisch zu stimmen.
Eigentlich nicht meins, aber eigentlich nicht so falsch – und erst recht interessant, wenn man sich die Klamotten dazu ansieht, die ziemlich genau meiner Kragenweite entsprechen. Bin gespannt, ob Ascent einige derjenigen erreichen wird, die wie ich ansonsten keine ausgesprochenen Clean-Fans sind, aber immer mal wieder einen Versuch wagen. Der Weihrauch hat was, meine Haut zaubert ihn immer wieder schillernd hervor – in diesem Kontext wirklich interessant meine Lieben! Grünes Blattwerk vermag ich im übrigen absolut nicht zu entdecken, auch Wasser oder aquatische Anklänge sehe ich hier nicht. Die Sauberkeit allein, die mag ein wenig wässrig erscheinen, ja.
Zur Nummer 5, genannt #087, zitiere ich mich einmal selbst:
Die Nummer 5 ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Daisuke Obana, dem Designer des japanischen Kultherrenlabels N. Hoolywood [sic!], das sich gerne mal von den 20er, 30er Jahren inspirieren lässt und Stephen Nilsen. Nilsen sah sich bemüht, eine bestimmte Momentaufnahme im Leben Obanas festzuhalten: Als dieser vor circa dreißig Jahren aus Japan kommend auf dem Flughafen in Los Angeles landete. Eine Prise der Gerüche beider Länder, ein bisschen Motoröl in Erinnerung an des Vaters Auto, salzige Anklänge, die an das Meer erinnern, Hölzer und einiges mehr sind an Ingredienzen geboten, wie man lesen kann:
„For Daisuke’s fragrance, I wanted to capture a quintessential moment from his life that had made an impression on him – an olfactive snapshot that defines who he is. When we first spoke, he wanted a fragrance to recreate the feeling of arriving in Los Angeles airport from Japan 30 years ago. And as I got to know him, I found that the moment was actually a culmination of memories from his past – a contrasting combination of elements from nature and childhood: the smell of engine oil in his father’s car; getting off at the Kugenuma Beach train station and inhaling the saltiness of the ocean; the mysterious scent of Kurobe dam releasing water on a cloudy, snowy day; and the clean, relaxing feeling of grooming and bathing captured through the scent of the hiba tree, hinoki wood, cypress, nutmeg and rosemary. As we worked together on the fragrance, I also found that woody notes resonated positively with his current state of mind, so I faceted the base notes with sandalwood and fir balsam for an olfactive echo between his past and present.“ Stephen Nilsen.
Mich erinnert #087 sehr positiv an zwei verschiedene Düfte oder auch Duftrichtungen: Einerseits an jene grünen von Zypresse und/oder auch deren japanische Verwandte Hinoki besiedelten Düfte wie zum Beispiel The Spirit of Wood aus der ersten Six Scents Serie, in dem sich beide fanden oder auch Comme des Garçons Monocle Scent One: Hinoki. Und andererseits an einen alten skurrilen Liebling von mir – Nostalgia von Santa Maria Novella.
Solltet Ihr die Gelegenheit haben letzteren einmal zu testen – lass sie nicht verstreichen! Nostalgia ist einem Autorennen gewidmet und riecht nach der perfekten Begleitung für die Mille Miglia, jene bekannteste Oldtimer-Rallye der Welt: Das Reifengummi mitsamt seinen Verschleißspuren, lederbezogene Sitze, ein Klecks Motoröl und nicht zuletzt auch die schöne mediterrane Landschaft Italiens, durch die sich die Strecke schlängelt. Ein paar zitrische Spritzer und knarzige Hesperidenbäume, unter denen sich hervorragend ein Zigarettenpäuschen einlegen lässt in der Wärme der frühsommerlichen Sonne.
In #087 finden beide Welten zusammen: Frisch und grün ist es hier, aber nicht grasig, sondern deutlich nach Koniferen duftend. Zypresse und Rosmarin treten deutlich zutage in holzig-harziger Pracht, kontrastiert von – Salzwasser und, ja, tatsächlich, an Motoröl und kühles Leder erinnernde Noten. Sehr interessant, sehr tragbar und sehr schön, wie ich finde.
Einen schönen Tag Euch noch und liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Bildquelle: Graffiti of angels in Nizhny Novgorod von ?????? ?????????, Japanese Yew Trees von komekue, some rights reserved – vielen lieben Dank!
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Liebe Uli,
ja, die Poesie liegt Dir im Blut! Es klingt alles nach „Must try“ Aufgrund der Duftbeschreibungen im Shop hat mich bisher nur der M angesprochen. Hmmm ….. ich warte noch 10 Tage ab, dann weiß ich es mit Bestimmtheit!
Schöne Restwoche und viele Grüße,
Margot
Tja, Margot, der M – den musst Du wohl nochmals testen, nicht? 😉
Liebe Grüße,
Uli.
Liebe Uli!
Zur Zeit hüpfe ich hier kommentierend durch die Chronologie des Blogs, daß es eine wahre Freude ist, gell?
Aber (in dieser Reihenfolge) ein spontaner schräger Gedanke,
die gestrige Premiere von #087 und dein Myrrhiad-Eintrag (Stichwort Tee)haben mich alle zusammen in diese Richtung geschubst.
Der Gedanke neulich(vorm Einschlafen habe ich manchmal seltsame Ideen) war: gibt es eigentlich dezidiert die Duftnote „Schwarzgeräuchertes“?
Gestern der erste Test von #087.
Nun, es gibt sie *gg*. Das roch im allerersten Moment wie ein veritabler Schwarzwälder Schinken! Ja, bitteschön, wer rechnet denn mit _sowas_?! Das allerirrste daran: ich bin seit Jahrzehnten Vegetarier, ich gehöre zu den Leuten, die spontan Reißaus nehmen, wenn neben ihnen einer Salamipizza verspeist. Und ich fand den Geruch von #087: TOLL.
Dann kommen der Rosmarin und Kiefernnadeln. Küste. Nebel. Gischt. Picknickgelüste 🙂
Unterwegs dahin selbstverständlich in einem Klassiker-Oldtimer-Cabrio. Denn im Hintergrund sind da wirklich die „Auto“-Gerüche.(Memo an mich „Nostalgia“ auf Wunschliste! Sofort!) Das mir, die ich an keiner Autowerkstatt vorbeikomme ohne beseligt eine Nase Diesel und Motoröl zu ziehen…
Es ist kein „warmer“ Duft, sondern frische, kalte, feuchte Herbstluft! Das ist nix Kuscheliges, das ist: Aufbruch!
Schön, sehr schön.
Liebe Grüße!
Annette
PS: Nicht vom von mir beschriebenen G’selchten abschrecken lassen! War nur mein erster Dufteindruck 😉
Hallo liebe Annette,
Schwarzwälder Schinken hast Du gefunden? 😉 Das kann gut sein, so wie ich den Duft in Erinnerung habe. Und ich kann Dich beruhigen, Räucherschinkenschwaden richtig geil zu finden passiert auch mir in Düften – ich sage nur: Menardos Patchouli 24 für LeLabo – obgleich ich auch schon seit gut 25 Jahren Vegetarier bin 😀 *lach*
Völlig normal alles, mach Dir bitte keine Sorgen 😉
Nostalgia sollte man wirklich mal getestet haben, der ist klasse. Ich muss ihn zwar nicht tragen, finde ihn, ähnlich wie Knizes Ten, bei einem Mann besser, aber er ist sehr besonders. Und sehr eindrucksvoll und malerisch.
Bin gespannt, über welche Rezensionen Du in nächster Zeit noch so stolperst! 🙂 Berichte nur, ich freu mich!
Liebe Grüße und einen guten Start in die Woche,
die Uli.