Wo wir gestern schon mit der neuen dritten Serie der Six Scents begonnen haben, werde ich heute gleich weiter machen – mit Duft Zwei, Trompe L’œuil genannt.
Trompe L’œuil ist ganz offensichtlich nach jener Art der Illusionsmalerei benannt, und entstand aus der Kooperation der griechischen Modedesignerin Mary Katrantzou und Shyamala Maisondieu. „A classical female theme“ soll den Duft auszeichnen, der sich von der Persönlichkeit Katrantzous inspiriert sieht, ihren Kindheitsreiseerinnerungen sowie ihrem farbenprächtigen Stil. Mimose ist die Hauptprotagonistin, kombiniert mit weiteren floralen und fruchtigen Noten sowie einer orientalisch angehauchten Basis. Die extrem schillernden Entwürfe von Katrantzou sind im übrigen sehr sehenswert – googelt ruhig einmal…
“The inspiration is a mix between Mary’s memories of her travel experiences, when she was a child, and her unique style. It is feminine and fluid but with a strong character, her designs are colorful and imaginative, and I wanted to create a fragrance which responds to all these characters. I wanted to create a floral note with a distinctive signature. So I chose mimosa as the main theme. It is a classical feminine theme. I modernized it with some fruity, and citrusy facets, to bring colors and life. I added more floral notes in a bouquet to have a voluptuous femininity. For the drydown I added some oriental notes to bring a touch of sensuality”. Shyamala Maisondieu.
Die Impression, die die beiden hier vor Augen hatten, war ein sommerlicher Dachgarten, kurz bevor die Party beginnt, Backwerk, frisch gewaschene Haare, Lippenstift und frisch-sommerlicher Wind… Ich war einmal auf solch einer Party, und diese, vielmehr die Erinnerung an jene passt recht gut zum Duft: Eine Party in der Stadt natürlich, und eine, bei denen sich die Kreativlinge der Stadt ein Stelldichein geben. Alles ist stylish, intellektuell und Loha, deshalb auch ökologisch korrekt und neben der trendigen einfachen „Roten“ liegen selbstverständlich auch Tofuwürstchen auf dem Grill. Bei all dem leichten Spott in der Stimme – 1.) Ich bin Vegetarier und mag Tofu. 2.) Die Party war trotz der Stereotypen ziemlich gut. Stereotypisch ist Trompe L’œuil nun gar nicht, ganz im Gegenteil: In der Kopfnote dominieren zitrische Hesperiden und eine saftige Birne, die sich alsbald in hingebungsvoller Umarmung mit der Mimose wiederfindet. Dieses holde Pärchen bleibt sich wohlgesonnen, sieht sich allerdings zeitnah eingerahmt von tropischen Blüten, vanillig-warm-würzig umrankt. Iris pudert auf meiner Haut recht zünftig, was die Wärme der Basis und die Opulenz des exotischen Blütenwerks untermalt.
Überaus feminin und ausladend ist er, der Duft, dem aber etwas sehr Modernes, Großstädtisches innewohnt und der trotzdem behaglich anmutet, kuschelig wirkt. Ob die Kleider der Dame genauso gemütlich sind? Die Ingredienzen: Kopfnote: Bitterorange, Mandarine, Neroli, Birne; Herznote: Mimose, Rose, Tuberose, Ylang-Ylang, Iris; Basisnote: Amyris, Ambrettesamen, Tonkabohne, Vanille.
Duft Nummer Drei trägt einen Namen, der aufhorchen lässt: Can’t Smell Fear. Ziemlich cool, der Name, wie ich schon einmal attestiert hatte – der Duft dazu ist das Ergebnis der Zusammenarbeit des koreanischen Nachwuchsdesigners Juun J und Nathalie Gracia-Cetto (eine alte Bekannte…): Gracia-Cetto ließ sich von Juun Js Kindheitserinnerungen inspirieren und kreierte einen ledrigen Duft, der „comfort“ und „protection“, also Komfort und Schutz bieten soll – gegen die Stadt. Hört sich für mich interessant an – die Trutzburg gegen den städtischen, vielleicht: zivilisatorischen Trubel?
„I tried to capture some of Juun J’s childhood memories: the smell of the skin in a city with concrete and wooden building. I wanted to create a fragrance that provides comfort, that protects you in an urban somewhat hostile universe. I choose a leathery theme, comfortable and reassuring. It creates like an olfactive aura, a comfort zone that protects against the city. I added some woody and floral notes to bring refinement, and some amber and musks to have a subtle sensual touch”. Natalie Gracia-Cetto.
Zu diesem Duft möchte ich Euch die zugehörige „Story“ nicht vorenthalten, da ich sie eigentlich fast poetisch finde:
„Fogs rolls over the quietness at dawn Over the asphalt and grey bildings parked cars and trees Over everyone in black and grey walking their monochrome pets Businessmen and students like cloud formations in the streets Quietly gliding by dissolving into one another Mixing on the crosswalk. Meanwhile, a night that never ended Begins a morning with the smell of soft skin Strange and new like the first day of school Or the start of an unexpected addiction.“Für mich hört sich diese Story nach – einer neuen Liebe an. An jenen Moment, jenen ersten Morgen, an dem man neben dem anderen aufwacht. Der sich komisch anfühlt, weil Gewohntes gebrochen wurde, weil lange niemand mehr die andere Seite des Bettes beanspruchte. Weil lange zu viel Raum da war, Leere herrschte. Und es diesmal anders ist: Weil ausnahmsweise außer der lieb gewonnenen, aber bisweilen schmerzvollen Leere die neue Fülle keine Angst gebiert. Weil es sich gut anfühlt – und die Möglichkeit dessen, dass man sich daran gewöhnen könnte, es süchtig machen könnte lockt anstatt abstößt. Weil es auf seltsame Art und Weise vertraut ist, Vertrauen einflößt, beschützt, während die Welt draußen passiert.
„Der Welt abhanden gekommen“, wie der Dichter Friedrich Rückert einmal schrieb, alleine in seinem Himmel lebend – Gracia-Cetto schafft das, indem sie anfänglich auf helle Hesperiden setzt, die blinkend wie Sterne zitrisch-prickelnde Lichtfunken senden, von Pfeffer und Muskat gewohnt genial kontrastiert. Darunter lang und breit ausufernd – holzige Gefilde. Ernst-sauberes Zedernholz und Weihrauch, trockener, von erdigen Irisanklängen unterstrichen. Majestätische Ruhe und stille Größe – ähnlich wie in Miller Harris‘ En Sens de Bois, genauso kontemplativ und Gott sei Dank nicht besonders warm oder weich – das hätte hier nicht wirklich gepasst. Leichter Rauch und kühle Ledrigkeit, trotz fehlender Wärme entsteht hier einladende Geborgenheit. Ich bin – daheim. Angekommen.
Und werde bis morgen noch in diesem schönen Duft schwelgen – bis dahin alles Liebe,
Eure Ulrike.
Bildquelle: Under the „L“ von martyb50/Brad Martyna, some rights reserved – vielen lieben Dank!
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*seufz* ein solch schöner, poetischer Text, das macht mich furchtbar neugierig. Immerhin hab ich schon ein Parfum wegen einer Gedichtzeile gekauft. („Kingdom“ von Alexander McQueen)
*mitsoifz* Und er IST tatsächlich ein zu Duft gewordenes Träumchen, an dem ich auch schon seit einigen Wochen rumschleiche… Aber: Auch die 4 ist spannend und ebenso die 6… *noch mehr soifz*
@Evelyn: Ich bedauer Dich mal ganz, ganz arg 😀
Was war denn der Slogan zu Kingdom? Habe gerade schon gegoogelt aber auf die Schnelle nichts gefunden…
Jaja, die Poesie. Mich klopft so etwas auch immer weich – aber das wisst Ihr ja eh schon 😉
Viele liebe Grüße,
Eure Uli.