Nachdem ich gestern die Vorgeschichte zu den beiden neuen Amouage-Düften namens Honour erzählt habe samt Videomaterial, möchte ich Euch nun nicht länger quälen und endlich mit den Duftrezensionen beginnen.
Mit solch einem Background und einem derart bestimmten Kreativling – Chong, der Creative Director – am Ruder wundert es nicht weiter, dass auch die Ingredienzen der Düfte wohldurchdacht sind und Madama Butterflys Geschichte von Liebe, Betrug und Verrat aufgreifen, die auf so tragische Weise endet.
Honour Woman ist in allererster Linie ein Weißblüher und spiegelt, wie Chong in dem Interview mit Ça Fleure Bon verlauten lässt, Butterflys Liebe, ihre Art zu Lieben wider sowie jenes Gefühlschaos das in ihrem Inneren tobt: Weiße Blüten als Zeichen der Liebe, Jasmin für Treue und Hingabe, Gardenie für die geheime Liebe, aber auch das Geheimnis der Liebe und Tuberose für die Gefahr. Weiße Nelken, die für den Glauben an die Liebe und die Unschuld stehen und Maiglöckchen für die Reinheit des Herzens. Insgesamt stehen die Weißblüher aber auch für die Nachtseite: Für eine tragische Liebe, die im Betrug endete, im Verrat. Und somit den Tod einer Seele auf ihrem Gewissen hat, versinnbildlicht durch den Suizid Cho-Cho-Sans, olfaktorisch umgesetzt durch Weihrauch, Ambra und Opoponaxharz in der Basis.
Bereits in der Kopfnote wird einem klar, dass man mit Honour Woman einen ganz besonderen Weißblüher vor sich hat: Der Auftakt ist ungewöhnlich – herb-fruchtige Rhabarberblätter, kühle Pfefferschärfe und ein Hauch Korianderwürze malen für mich bereits ein überaus melancholisches Bild. Rhabarber, ich erwähnte es schon mehrfach, ist für mich daran „schuld“ – mit seiner bittersüßen Ausstrahlung stimmt er mich immer traurig. Die Blüten erobern alsbald das Feld, lassen sich aber weiterhin von der Kopfnote flankieren, die auf meiner Haut den Großteil des Duftverlaufs erhalten bleibt und angenehm kontrastiert. Metallische Anklänge von Maiglöckchen und Gardenie harmonieren mit der Pfefferkälte, Tuberose umgarnt die Nase mit Verführerschwester Jasmin und Nelke kündigt bei mir wie im letzten Serge Lutens Vitriol d’œillet das nahende Ableben an. Lange blüht es, das opulente Blumengesteck, welches aber eine für weiße Vertreter angenehme Transparenz besitzt, die einem asiatisch inspirierten Duft schmeichelt, um hernach den Weg für die Basis frei zu machen: Kühlender Weihrauch und harzige Noten, das Ziel ist erreicht. Zuhause – auf eine Art. Und wieder ganz.
Melancholisch und wunderschön.
Schauen wir uns mal die Männervariante Honour Man an und lassen Chong erneut zu Wort kommen – siehe oben erwähntes Interview:
„Honour Man is a spicy and woody fragrance invoking memories of the past signified by a mixture of disturbing and conflicting accords starting with a spicy burst of pink pepper and black pepper. Geranium and elemi are used to represent a filial elegy to the honour and memory of Madame Butterfly. A woody base evolves with a musky allusion to this story of reconciliation.“
Ambivalenz zeichnet den Duft aus, das merkt man gleich: Pfeffrig ist der Auftakt, und zwar rundum – die Nase in der Pfeffermühle werde ich sehr bald eines anderen Geruchs gewahr, nämlich dem des Elemiharzes. Waldig-zitrisch kommt es daher und zudem harzig, alsbald unterstützt durch wie so oft minzig anmutendes Geranium. Darüber hinaus meine ich hier bereits Vetiver zu riechen – und zwar einen, der mich sehr an The Different Companys Sél de Vetiver oder Chanels Sycomore erinnert, einen extrem salzigen in subtilen Rauch gehüllt. Überraschend gesellt sich Muskat dazu in würzig-scharfer, aber auch süßer Ausprägung – das Herz des Duftes ist verwirrend, zugegeben. Und gewöhnungsbedürftig, ja. Grün-Waldig-Aromatisch-Harzig-Pfeffrig-Rauchig-Süßer Natur und bisweilen an einen guten Saunaaufguss erinnernd, was mitnichten abwertend gemeint ist. Diese Kontraste lichten sich, je näher man der Basis kommt: Gewohnte Amouage-Qualität, Silberweihrauch, der beste weltweit, in Kombination mit Patchouli und sauberem Zedernholz sorgt für wohlig-seidig-warme Holzigkeit.
Unbenommen ein interessanter und toller Kandidat – aber das allererste Mal überzeugt mich bei Amouage der Damenduft des Duos mehr.
Wie sieht’s bei Euch aus? Und wie steht Ihr zu den letzten Amouage-Kollektionen?
Liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Bildquelle: Geraldine Farrar als Madame Butterfly (1907)
Hier finden Sie die Kollektion von Amouage in unserem Shop.
Ich war sehr neugierig auf diesen Duft und wollte eigentlich eine Probe bestellen. Nein danke, soviel Schwermut wie hier beschrieben, mag ich nicht. Wer kauft denn so etwas?
Nun, der Duft bzw. das Duftset ist an Madama Butterfly angelehnt, das ist eben eine tragische Oper. Und Schwermut spielt dort eigentlich keine Rolle, da Cho-Cho-San, die Hauptperson, durchaus Gründe für ihre Trauer hat.
Sicher, die traurige(n) Seite(n) muss man schon mögen und/oder einen Hang dazu haben… Allerdings ist wie auch immer ausgeprägte Traurigkeit der Stoff der Großen gewesen – die ganze Weltliteratur zehrt davon genauso wie die Musik. Nicht zu vergessen diejenigen, die sie geschaffen haben. Ich habe viele Klassiker in meinen Bücherregalen – und kaum einer der Autoren war ein glücklicher Mensch. Da muss es einen Zusammenhang geben zwischen dem Defizitären und der Kreativität.
Aber – ich will nicht abschweifen. In jedem Fall dürften die Amouage-Düfte auch gefallen, wenn es die Oper dazu nicht tut. Und wenn deren Impression doch zu dominant ist – dann lieber nach Düften mit humorig-heiterem Background Ausschau halten. Da fallen aber zum Beispiel Lutens‘ Kreationen auch raus, der sich als großer Baudelaire-Fan bezeichnet und einige seiner Düfte an derlei Vorbilder angelehnt hat.
Viele liebe Grüße,
Ulrike.