Über den Wolken…

… muss die Freiheit wohl grenzenlos sein – das meinte schon Reinhard Mey zu wissen, der daraus einen der Kultsongs der 70er machte. Mich erinnern Wolken immer an das schöne Gedicht „An die Wolken“ von Christian Morgenstern:

Und immer wieder,
wenn ich mich müde gesehn,
an der Menschen Gesichtern,
so vielen Spiegeln
unendlicher Torheit,
hob ich das Aug
über die Häuser und Bäume
empor zu euch,
ihr ewigen Gedanken des Himmels.
Und eure Größe und Freiheit
erlöste mich immer wieder,
und ich dachte mit euch
über Länder und Meere hinweg
und hing mit euch
überm Abgrund Unendlichkeit
und zerging zuletzt
wie Dunst,
wenn ich ohn´ Maßen
den Samen der Sterne
fliegen sah
über die Acker
der unergründlichen Tiefen.
 

Wer kennt das nicht? Der Welt überdrüssig geworden sehnt man sich weg – mit den Wolken? Bis man „der Welt abhanden kommt“, wie es Friedrich Rückert in einem weiteren meiner Lieblingsgedichte so schön formulierte?

Angekündigt war er schon, der Duft, dessen Rezension ich mit Wolken einleite, und zwar folgendermaßen:

Comme des Garçons, das omnipräsente Label der umtriebigen Japanerin Rei Kawakubo, hat einmal mehr eine Duftkooperation auf die Beine gestellt: Zusammen mit Hussein Chalayan, Avantgarde-Modedesigner türkisch-zypriotischer Abstammung (und, nebenbei bemerkt, seit ein paar Jahren Kreativ-Chef bei Puma), wird ein Duft namens Airborne lanciert – der Name der Chalayan Herbst/Winter-Kollektion des Jahres 2007. Der Duft beinhaltet: Zitrone, Neroli, Bergamotte, Mastix(harz), Wacholderbeere, Weihrauch, Moschus und Zedernholz.

Zum seinem Duft Airborne selbst lässt Chalayan Folgendes verlauten:

„We all associate smell with a sense of place, time and experience. As I was growing up, I moved around and readapted to new scenarios and smell marked a big part of these shifts in environment. Airborne is an attempt to capture a sense of my journeys from Cyprus to London. We started the process by dissecting all the possible smells from the Northern Cypriot topography, from flowers, weeds, vegetables to air, the sea, earth and wood and where possible their burnt and fresh variations. After selecting different elements such as neroli, lemon and lentiscus from Cyprus, I proposed an imaginary scenario as to how these ingredients could incur change during and after an air journey from Mediterranean Cyprus to a London urban setting. These ingredients in an urban environment can become more electric or synthetic but captivating, connecting you to a familiarity of the past or a possible unknown world of the future. Airborne can culminate in a synesthetic omnipresent experience blurring the lines between movement, place and time. It could also become a catalyst for new associations that the user will create through their own experiences.“

Ein Springen zwischen den Welten, den Zeiten, den Kulturen, das Verwischen von Grenzen, Zusammenfügen von Elementen, vielleicht auch Gegensätzen – das hört sich in etwa so interdisziplinär an wie das Modeverständnis von Chalayan und passt hervorragend zu Madame Kawakubo.

Das Ergebnis? Ein zitrischer Hauch, auf seltsame Art und Weise ozonisch, so luftig wie ein Wolkenmeer, eine Seebrise atmend und Teile beider Welten aufsaugend: Krautig-holzige Anklänge, die an Chalayans Heimat gemahnen, sowie synthetisch anmutendes Kerosin, den Weg in die Hektik Londons ebnend. Von allem ein bisschen, aber immer losgelöst, über den Dingen schwebend, mit den Wolken, über den Wolken…

Insofern ist Airborne etwas für Avantgarde-Fans, etwas für bodenständige Puristen, die es gerne minimal haben. Liebhaber von Andrée Putmans Préparation Parfumée dürften nicht enttäuscht sein, Freunde der CdG-Düfte ohnehin nicht.

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Skyscape & Pier 3, beide von John Nyberg, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Hier finden Sie Airborne bei uns in unserem Shop.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Annette
    9. September 2011
    Antworten

    Liebe Uli,

    das klingt ja ab-so-lut nach ausprobieren müssen! Ich mag das klare der CdG-Düfte ohnehin – immer mit einem Extradreh drin, sei’s Kopierer, oder Tinte oder sonst was Verflixtes, was einem beknnt vorkommt, da sich aber oft auf den ersten „Riech“ nicht ganz einordnen läßt. Kerosin klingt schon sehr gut für jemand, der in jeder Autowerkstatt erstmal ein kräftige Nase nimmt und zum Schnuppern beim Landmaschinenmechaniker vorbeischaut *g*.

    Viele liebe Grüße!

    Annette (*geht jetzt Geld zum Pröbchenordern zählen*)

  2. Ulrike
    13. September 2011
    Antworten

    Hallo liebe Annette,

    ja, doch, Airborne lohnt sich – obgleich meine Lieblinge innerhalb der CdG-Reihen ohnehin schon feststehen, die ich ebenfalls sehr gerne mag 🙂 Und ja, ich mochte auch die Synthetics-Serie mit den abgefahrenen Gerüchen, ich bin da also „ganz bei Dir“ 😉

    Liebe Grüße,

    die Uli.

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