Diese Woche ist Farmacia SS. Annunziata-Woche, wie Ihr gestern bereits zu lesen bekamt und damit mache ich heute flugs weiter – Agrumi, Aromadite, Fiore di Riso, Sofron und Hyle stehen heute auf dem Programm.
Agrumi macht seinen Namen alle Ehre: Hesperidisch geht es einher, einerseits prickelnd-lebhaft, andererseits aber sanft und sauber. Herbe Bergamotte und saftige Mandarine (oder Clementine? Diesen Unterschied rieche ich nie…) lassen sich vernehmen genauso wie säuerliche Anklänge, vermutlich von Grapefruit herrührend. Zarte Blütendüfte von Orange oder Bitterorange wehen einem in die Nase, während für mich zusammen mit der Moschusweichheit auch dezent keksige Anleihen entstehen. Ein Frühstück in einem mediterranen Garten, von lauen Winden begleitet und von den ersten Strahlen der Sonne warm gekitztelt. Natürlich während des Urlaubs, den ich gerade so nötig hätte. Schön. Einfach, aber schön. Einfach nur schön.
Auch Aromadite zeigt sich nicht besonders komplex, aber trotzdem wirkungsvoll und fernab seichter Substanzlosigkeit: Den Gefühlen von Frühlingsfrische sieht sich der Duft verpflichtet und vertreibt mit seiner guten Laune auch des letzten Muffels Winterschlaf. Übermütig-heitere Hesperidengesellen, die in ihrer prickelnden Bitzeligkeit an Ahoi-Brause erinnern, werden von herb-fruchtiger Ingwerfrische begleitet auf ihrem Weg zum frühlingshaften Blütenmeer, mit dem es zur lebhaften Ménage à Trois kommt, von vanilliger Würzigkeit zart untermalt. Ein gelungener Balanceakt zwischen frisch-zitrischen, floralen und warmen Noten, der Freude bereitet und friedlich stimmt.
Fiore di Riso, die Reisblüte. Mmmmh, Reisdüfte sind selten, leider – Steffi hatte sich schon einmal diesem netten Thema gewidmet, siehe hier. Wie wohl die Reisblüte in Fiore di Riso umgesetzt sein mag? Im Auftakt präsentieren sich Agrumenfrüchte saftiger Natur, die sich vor meiner Nase aus ihrem dunkelgrünen Blattwerk schälen. Und siehe da, hinter den Blättern versteckt sich doch gleich etwas, was an geröstete Reiswaffeln erinnert, nicht mehr und nicht weniger, der alsbald in frischer Rose, typisch süß-floralem Jasmin und herber Ingwerfruchtigkeit aufgeht. Die Basis zeigt sich harzig-moosig, um ein dominantes, würzig-cremiges Vanille-Tonka-Duo arrangiert. Wer Reis satt erwartet, wird hier vielleicht ein bisschen enttäuscht sein – es gibt andere Düfte, die diese Note eher forcieren. Aber es geht in Fiore di Riso ja um eine Blütenassoziation. Und die empfinde ich als durchaus getroffen.
Sofron wartet mit einer ansehnlichen Zutatenliste auf, welche folgende Zutaten beinhaltet: Kopfnote: Zitrische Noten, Apfel, Pfirsich; Herznote: Muskatnuss, Neroli, Grüne Noten; Basisnote: Myrrhe, Sandelholz, Patchouli, Zedernholz. Ich habe jetzt mehrfach getestet – und rieche Apfel, Apfel, Apfel. Einen schönen saftigen Kandidaten, der eine saubere Frische verströmt, vornehmlich von Zeder herrührend. Holzige Anklänge gibt es eh, die den Eindruck knarziger Bäume vermitteln. Bäume, die zur Erntezeit der Äpfel gerade dabei sind, sich langsam ihres Blätterkleids vor der nahenden kalten Jahreszeit zu entledigen. Kleinere Holzfeuer der Bauern stiften rauchige Wärme. Welch ein schönes Düftchen voll fruchtig-frischer Wehmut.
Hyle dürfte all jene erfreuen, denen es duftende Meer-Impressionen angetan haben. Ohne jetzt in philosophische Ebenen abdriften zu wollen – der Begriff hyle, der für Stoff, Materie steht, ist dort ein ziemlich wichtiger: Während er bei Homer noch für Wald, Gehölz oder Hölzer stand, ist er für Aristoteles in dessen Metaphysik ein grundlegender, vielmehr: das Zugrundeliegende, und zwar ohne jede Bestimmung. Dies dürfte im Falle von unserem Duft Hyle Wasser sein. Wasser in all seinen verschiedenen Formen, seinem natürlichen Vorkommen, insofern – Meer. Hier finden sich Gischt, Salz, Reste von Sonnencreme und warm-süßer Sand, ein paar Pflänzchen und natürlich Wasser, jede Menge Wasser. Eine Ähnlichkeit zu Montales Embruns d’Esssaouria weist Hyle auf und zu Profumums Acqua di Sale – ansonsten unterscheidet er sich aber von den üblichen Verdächtigen. Nichts Aquatisches hat er und auch keinen Vetiver, der salzig-maritime Anklänge stiftet. Insofern durchaus eine Bereicherung des Portfolios, in jedem Fall!
Morgen geht es weiter mit der Apotheke – bis dahin liebe Grüße und frohes Schwitzen,
Eure Ulrike.
Bildquelle: Orange Blossom and Oranges von Ellen Levy Finch, Rice Flower Katori-City/Japan von Katorisi, Apple von OeilDeNuit/Patrick Hajzlersome, Breakwater von John Nyberg, rights reserved – vielen lieben Dank!
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