Die Düfte, die aus der Apotheke kamen.

Farmacia SS. Annunziata trudelten neulich bei uns im Shop ein – und da ich mir ohnehin schon länger einmal vorgenommen hatte, mir diese Düftchen ausführlicher unter die Lupe, vielmehr: Nase zu nehmen, werde ich das jetzt als Anlass werten.

Die Geschichte des florentinischen Unternehmens geht lange zurück, die Marke gilt als eine der ältesten in Italien: Das Jahr 1561 kann als Geburtsstunde gelten, als der Kräuterspezialist und Chemiker Domenico di Vincenzo di Domenico Brunetti, seinen Laden in den jetzigen Räumlichkeiten eröffnet, wo bereits zuvor Benediktinernonnen des Ordens San Nicolo ein ähnliches Geschäft betrieben. Die Apotheke wechselte in den Wirren der Zeit immer wieder ihre Besitzer, bis sie letztendlich von der Familie Azzerlini erworben wurde, die die Marke nun schon seit drei Generationen als Familienbetrieb führt.

Toll sieht es wohl in dem Geschäft direkt vor Ort in Florenz aus, da die alte Einrichtung noch vorhanden ist – sollte es Euch also einmal in die Nähe verschlagen, stattet der alten Apotheke ruhig einmal einen Besuch ab.

Das Portfolio der Düfte ist relativ breit, deshalb werden sie mich und somit auch Euch die komplette Woche begleiten. Beginnen möchte ich heute mit den meines Erachtens nach bekanntesten Kreationen des Hauses, mit Ambra Nera, Vaniglia del Madagascar und Patchouly Indonesiano.

Für eine jede italienische Duftkollektion ist er unerlässlich, man braucht ihn, keine Frage – den Ambra-Duft. Von ihm ist hier die Rede, selbstverständlich. Traditionell hat man es im Hause Farmacia angepackt, das Thema: Ein kraftstrotzender Geselle ist es geworden, mächtig, potent. Einer, der seinen Freunden von Mazzolari oder Profumum in nichts nachsteht. Eukalyptus in der Kopfnote sorgt, wie schon in Odoris Tabacco, für einen überraschend kühlen Kopf als Kontrast zu dem überbordend emotionalen und leidenschaftlichen Herz: Benzoe und dunkle Ambra gehen eine harzig-süße und dezent rauchige, weil ziemlich feurige Liaison ein, gebettet auf einem würzigen Lager weicher Vanillecreme. Kontrastiert wird diese sehr passende, nach dem Motto: „Gleich zu gleich gesellt sich gern“ verfahrende Liebesgeschichte von holzig-sauberem, gestrengem Zedernholz sowie Patchouli und Vetiver in der Basis, die dem Ganzen erdige Bodenhaftung verleihen, die rauchigen Aspekte untermalend.

Ambra Nera erfindet den Ambra-Duft nicht neu, das kann man nicht behaupten. Das allerdings ändert nichts an dem Fakt, dass Ambra Nera ein schöner, hervorragend ausbalancierter und toll umgesetzter Vertreter seiner Gattung ist, was ihm sicherlich viele Freunde bescheren wird – zu Recht.

Vaniglia del Madagascar hört ebenfalls auf einen recht unprätentiösen, schlichten Namen, der auch diesem Duft nicht wirklich gerecht wird. Der Vanille huldigt er und möchte scheinbar jeden für diese früher so kostbare Ingredienz gewinnen – ein Anliegen, das er durchaus erfolgreich erfüllen könnte. Soweit ich das sehe gilt er als einer der erfolgreichsten Düfte der Kollektion – ich kann es verstehen, und das obgleich ich, wie einige Leser wissen werden, kein ausgesprochener Vanille-Fan bin.

Im Auftakt zeigt er sich begleitet von einem zitrisch-prickelnden Hauch mediterraner Lebensfreude, um der geneigten Nase in Folge all jene Facetten zu offerieren, die die Vanille so zu bieten hat und für die sie geliebt wird: Cremige Süße, Milchigkeit, Wärme, dezent orientalisch anmutende ambrierte Würze, karamellisierte Anklänge und zarte Orchideenblüten.

Ein schöner, unverstellter Duft, gourmandig, aber erwachsenen, nie quietschig und auf keinen Fall „too much“. Vanille-Liebhabern wird er ohnehin das Herz höher schlagen lassen, aber auch diejenigen, die normalerweise wie ich keine passionierten Fans sind, könnte Vaniglia gefallen: Ähnlich wie bei Goutals Vanille Exquise haben wir es hier mit einem schönen, aber sehr zivilisierten und nicht über die Maßen süßen Exemplar zu tun (dem allerdings der Goutalsche Rauch abgeht, das sei bemerkt).

Patchouly Indonesiano ist ein mehr als überzeugender Vertreter seiner Zunft: Erdige Süße mit einem Hauch Hippie-Moder, kräftige Blattwerkanmutungen und krautige Anklänge. Mit stolz geschwellter Brust präsentiert er sich und zelebriert sein Selbst, gekrönt von samtig-öligen Honiganleihen, die ein wenig an Mazzolaris Meisterwerk Patchouly erinnern.

Ein sehr netter Auftakt dieser neuen Kollektion – ich bin gespannt was die Woche noch so bringt!

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Farmacia SS. Annunziata, John Singer Sargent (1880): Smoke of Ambergris, Vanilla Planifolia, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Hier finden Sie die Kollektion von Farmacia SS. Annunziata in unserem Shop.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Nil
    20. Februar 2012
    Antworten

    Hallo liebe Uli,

    wie Du schon mal sagtest, die Nase braucht tatsächlich Erziehung. Ich hatte vor ein Paar Monaten ein Pröbchen von Ambra Nera bestellt und als „nein, zu süss für mich“ abgehakt. Heute Nacht wollte ich noch einmal testen und siehe da : der Duft ist köstlich ! Ich liebe Patchouly Indonesiano sehr, ab heute Nacht Ambra Nera auch, jetzt bin ich ganz neugierig auf Vaniglia und einige andere von diesem Haus. Gerade habe ich im facebook gelesen, dass sie nach Düsseldorf kommen. YAY !!!! :))))

    Liebe Grüsse

    Nil

  2. Ulrike
    21. Februar 2012
    Antworten

    Hallo liebe Nil,

    tja, so ist es eben 😉 Und manchmal sind das ja auch die schönsten Entdeckungen – Düfte, die man vorher unter ferner liefen verbuchte, irgendwo übersehen hatte. Und die sich später, wer hätte es gedacht, als heiße Liebe entpuppen. Kenne ich auch nur allzu gut. Und wenn Dir Ambra gefällt solltest Du dringend mal Ambre Fétiche von Goutal und PdE Ambre Russe testen finde ich 😉

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

  3. Nil
    22. Februar 2012
    Antworten

    Liebe Uli,

    Ambre Fetiche haben und lieben wir. Er war der erste Duft, den ich bei ALZD gekauft hatte im verganenen Sommer. Seitdem trägt mein Mann nur noch Ambre Fetiche, mit einem mini-Spritzer von Patchouly Indonesiano. Ins Haia geht er allerdings mit Avignon 🙂 Ja, Ambre Russe werde ich demnächst testen. Nachdem ich gestern auf seinen Gelenk Ambra Nera gespritzt habe, will er den haben.

    Liebe Grüsse und gute Nacht,

    Nil

  4. Ulrike
    24. Februar 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Nil,

    aaah – das hatte ich doch glatt wieder vergessen *rotwerd*
    Aber dass der Mann die Weihrauchknaller liebt, nicht 😉
    Das finde ich sehr sympathisch, jawohl! Und Deine Taktik – einfach mal aufs Handgelenk sprühen – ist natürlich auch ausgebufft 😉
    Wenn so mehr Düfte ins Haus kommen – toll! 😀

    Viele liebe Grüße zurück,

    Uli.

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