Nachdem ich schon ob der vielen neuen Düfte, die es zu rezensieren gilt, momentan nicht zu meinem neuen Projekt, der „Echte Kerle“-Serie komme, wollte ich nun bei unserem Neuzugang Brecourt einmal den Herren der Schöpfung den Vortritt lassen und habe mit den Männerdüften angefangen. Zwei waren gestern schon dran – Mauvais Garçon und Esprit Mondain – heute folgen noch Eau Libre und Contre Poivoir.
Eau Libre – Der Duft der Freiheit oder der Freigeist? Wahrscheinlich kommt beides gerne mal zusammen, auch wenn es nicht notwendig zusammengehört. Madame Bouge hatte als Inspiration den Himmel, wie man unschwer an dem Pressefoto mit dem freundlichen Flieger sehen kann. Ein langer Blick in die unendliche Weite des Himmels, auf eine Bergkette, die sich über die ganze Ewigkeit des Horizonts erstreckt oder auch ein plötzlicher Windhauch in der Nase – das Gefühl der Freiheit ist gratis, dauert aber leider in unserer Gesellschaft selten an will ich meinen… Trotzdem oder gerade deswegen hat sich Emilie Bouge jenen großen Begriff zum Thema genommen und wollte ein Parfum kreieren, dass eine „Explosion von Licht“ in sich trägt, schillernd, glitzernd, oszillierend, sich ständig verändernd.
So kommt Eau Libre auch überaus zitrisch daher: Ein ganzer Hesperidengarten, prickelnd, spritzig und überaus hell, von aquatisch-ozonig-wässrigen Anklängen begleitet, die wie ich vermute, einigen grünen minzigen Akkorden sowie der (Wasser!)Melone geschuldet sind. Jasmin soll sich irgendwo da noch verbergen, will sich mir aber nicht zeigen, dafür präsentiert sich die Basis streichelzart dank skinnig-weichem, hautnahem Ambroxan.
Alles in allem erinnert mich dieser Duft von der Richtung her sehr an Creeds Himalaya sowie Carons Anarchiste, welche für mich ohnehin Brüder im Geiste sind. Da ich persönlich beide schon besitze, wäre der Freigeist Eau Libre kein Must-Have mehr für mich. Für jeden Mann, und das meine ich genau so, sollte dieses Trio aber zur Testpflicht werden und einer, mindestens einer davon sollte in Zukunft Bestandteil des maskulinen Duftrepertoires sein. Was nicht heißt, dass die Damenwelt einen Bogen drumherum machen muss – nicht um den Duft und erst recht nicht um den Mann, wenn er schon so toll duftet 😉
Contre Pouvoir heißt auf Deutsch soviel wie Gegengewicht, Opposition und ist ein mehr oder weniger feststehender Begriff – das Anti-Establishement. Dieser Parfumkreation ging wohl ein Besuch in einem schicken Gentlemanclub sowie die dortigen Impressionen voraus wie Emilie Bouge erzählt:
„Having been invited to a very chic club in the 16th arrondisement in Paris, I felt the omnipresent of power as well as an irresistible attraction for refined places with a cosy atmosphere in the lounge. For me, this club illustrated a predominantly male character which is clearly depicted in their everyday lives.“
Was könnte man anderes als Zutaten wählen als jene Dinge, die man sich auch in den wildesten Phantasien als einem solchen Klub unabdingbar zugehörig vorstellt? Dicke riesige Chesterfield-Sofas aus teuerstem Leder, Holzverkleidungen soweit das Auge reicht, Bücher, viele viele Bücher und Journale und natürlich Zigarren. Nicht irgendwelche – die teuersten selbstredend.
Von einem Spritzer Zitrischem im Auftakt lässt sich der Duft nicht beirren – er zeigt alsbald sein eigentliches hochherrschaftliches Naturell: Frisch-würziger Kardamom trifft auf dunkel-würzige Lakritze, Vetiver, Tabak und Maté-Tee, die zusammen ein samtig-rauchiges Szenario bilden auf einem grazilen Holzsockel, der von Ambroxan, jenem skinnig-weichen, gewärmt wird.
Contre Pouvoir ist ein Duft, der sich vermutlich erst auf den zweiten Blick erschließt – aber definitiv mein Herrenliebling ist: Jene Kardamomfrische, die hier ähnlich leuchtend umgesetzt ist wie in Clive Christians genialem Meisterwerk X for Man, die Kombination von Tabak, Maté und Vetiver in Verbindung mit Lakritze, vor allem Vetiver verbunden mit Lakritze, was mir schon in Muglers Miroir des Vanites so unglaublich gut gefiel – das alles in zurückhaltend-eleganter Erhabenheit umgesetzt. Schön, wirklich schön. Mal sehen, was die Frauen noch so mit sich bringen – es bleibt also weiter spannend 😉
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Bildquelle: Lieutenant „Mike“ Hunter, Army pilot assigned to Douglas Aircraft Company, Long Beach, Calif via Wiki Commons, Anders Zorn (1860 – 1920): Författaren Viktor Rydberg läser en bok i sin gungstol (Der schwedische Autor V. Rydberg liest ein Buch in seinem Schaukelstuhl) via Wiki Commons, some rights reserved – vielen lieben Dank!
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