… denn es gibt noch einige diesjährige Frühlingslieblinge, die ich Euch nennen mag. Einer davon könnte mittlerweile in die Kategorie der „Vergessenen“ – ich wollte ihn schon so lange einmal ausführlich rezensieren, irgendwie kam aber wohl immer etwas dazwischen. Matin d’Orage ist gemeint aus dem Hause Annick Goutal:
„20 years after Gardénia Passion, created by Annick Goutal back from a trip to Japan, her daughter, Camille, composes, after a stay in this country, Un Matin d’Orage. Perfume born of her desire to give us a personal interpretation of the smell of the gardenia which fascinates her so much… That of a Japanese garden after the rain: a fresh and dewy scent, when the sun’s rays are piercing the balmy mist that rises from the rain-drenched earth.Time is suspended. Fine droplets shimmer on buds and white flowers. A gentle breeze carries the scent of gardenia, veiling the garden in a delicate sensuality.“
Ein japanischer Garten nach dem Gewitterregen, wenn die Sonne wieder (er)scheint und mit ihren Strahlen die Natur trocknet, die sich langsam wärmt. Gardenienbüsche – hier würde man dichte, dicke Weißblüher erwarten. Die sind auch da, definitiv – aber ganz anders, als man sie sonst gewohnt ist: Isabelle Doyen ist mit Matin d’Orage ein Meisterwerk gelungen, das mich seit seinem Erscheinen verzückt. Eine asiatische Impression, wie ich mir einen asiatischen Duft vorstelle – zart, transparent, ätherisch, aber doch betörend und von berückender Schönheit. Feucht-florale Noten von grünem Jasmin, (dezent) tropischer Champaca, sicherlich auch Tuberose (Ihr erinnert Euch? Gardenie entsteht normal aus einem Duftakkord – ich schrieb einmal anlässlich Parfumerie Generales Gardenia Gardenia Grand Soir darüber, nämlich hier) und ich meine auch Magnolie zu entdecken, vielleicht ist das aber auch der Verwandten Champaca geschuldet. Eine Kühle Brise weht herüber, ozonisch und von einem leichten rauchigen Hauch begleitet. Meine Nase findet auch noch eine Zutat, die nicht gelistet ist: Samtig-weichen Pfirsich mit zartem Flaum auf der Fruchtschale. Haaach… Ein ultimativer Frühlingsduft, den ich liebend gerne auch an heißen Sommerabenden trage.
Wunderschön im Frühling finde ich auch eine Kombination, von der ich es früher nicht für möglich gehalten hätte, dass sie kompatibel ist: Warme Vetiverdüfte. Davon gibt es meines Erachtens nach zwei herausragend gute, die für mich besonders schön an den frisch-luftigen, aber doch schon recht warmen Frühlingstagen zur Geltung kommen: Vetiver Tonka aus der Hermèssence-Kollektion und Bal d’Afrique von Byredo. Beide Düfte nehmen einen klassischen Auftakt, indem sie Hesperiden zum Zuge kommen lassen, entfalten sich aber alsbald jeweils sehr innovativ und individuell: Vetiver Tonka ist dem Werkstoff Wolle gewidmet und brilliert mit Noten von gerösteten (Hasel?)Nüssen, warmen Hölzern, braunem Zucker und Tonkabohne sowie dezenten Anleihen getrockneter Früchte. Erdig-rauchiger Vetiver, trocken und gleichzeitig von einer süße Wärme, perfekt ausbalanciert.
Byredos Bal d’Afrique zeigt nach seinem Agrumenanfang luftig-saubere Tendenzen, die vermutlich von dem Alpenveilchen herrühren und von floralen Noten sowie aromatisch-würzigen Anklängen begleitet werden. Alsbald gewinnt allerdings der Vetiver mehr und mehr an Präsenz, an süß-rauchiger um genau zu sein, und verschmilzt mit der ambriert-holzigen Basis, deren cremig-weicher Kuschelmoschus das Vergnügen vanillig-lecker abrundet.
Gourmandanklänge sind bei beiden Düften vorhanden, üben sich aber in vornehm-distinguierter Zurückhaltung, sind demgemäß eher erwachsenere, subtilere Interpretationen. Vetiver Tonka strahlt in milder Süße, während Bal d’Afrique sich auf kokett-ironische Art sexy zeigt in seiner sprühenden Wärme. Und beide sind sie perfekt für die derzeitigen Temperaturen.
Früchtchen kommen bei mir gerade auch gerne zum Zuge, genauer gesagt ein herbes in floraler Umarmung und ein ganzer Obstkorb: Die Rede ist von Odins 04 Petrana und von Byredos Pulp.
Ersteren, Petrana, hatte ich vor einiger Zeit besprochen, siehe hier: Eine herrliche Hommage an die gleichnamige schwarze Iris, jene Wüstengöttin. Schillernd oszilliert der Duft zwischen fruchtig-säuerlicher Johannisbeerfrische und samtig-trocken-erdiger Iris, von Pfeffer akzentuiert und umweht von einem Hauch Vetiverrauch. Smooth und edel, ein toller Begleiter.
Und Pulp? Pulp hatte ich ebenfalls bereits rezensiert, nämlich hier. Als „echten Kracher“ habe ich ihn bezeichnet und stehe noch heute dazu: Laut Herrn Gorham, dem (äußerst ansehnlichen) Mann hinter Byredo ist Pulp eine Zusammenstellung, ein Stillleben exotischer Früchte mit schwedischen Einflüssen (gleicht demgemäß der Biographie des in Kanada aufgewachsenen Schweden mit indischer Mutter in gewisser Weise ;)), vereint zu einem internationalen Fruchtkorb:„A dramatic composition focused on the idea of ripe, sweet, shapeless mass of fruit, an unruly and intense savor.” Ich schrieb damals:
„Und, in der Tat, dramatisch ist Pulp, hochdramatisch. Eine reife, formlose Masse an Früchten – daher der Name, der auf Konfitüre hindeutet – die einen intensiven Geschmack hervorbringt, der gleichzeitig unruly ist. Unruly hat nun einige Bedeutungen, auf Pulp treffen fast alle zu: Unbändig, aber auch widerspenstig, ungebärdig. Ich fasse mal zusammen: Der Auftakt gleicht bereits einer Naturgewalt: Bitter-herbe Fruchtnoten in einer Dominanz und Präsenz, wie man sie selten erlebt. Bergamotte von ihrer zitrischsten Seite sowie dunkelste schwarze Johannisbeere mitsamt all ihrer Säuerlichkeit, mächtige grüne Feige und prominente Apfelnoten. Mir fällt kein einziger vergleichbarer Duft ein, der diese (Frucht)Intensität in ähnlicher Weise verkörpern würde. Allenfalls, vielleicht – Humiecki & Graefs Multiple Rouge mit seinen Beerennoten, die, so sehr zugespitzt, schon fast weh tun. Auch bei Pulp hat jemand deutlich am Verstärker gespielt – aber: Pulp ist nichtsdestotrotz durchaus sehr tragbar (und tragbarer als Multiple Rouge), wenn auch: mutig. Tatsächlich wird Pulp im Duftverlauf etwas gemächlicher, gelassener. Zeder kühlt ein wenig ab und einige florale Noten (die ich nicht unbedingt als Pfirischblüte und Tiaré identifizieren hätte können) mildern die nach wie vor noch vorhandene Frucht(bombe) etwas ab und es treten für diesen Duft sonderbar cremig-süße Gourmandnoten verhalten zutage.“
Das kann ich auch heute noch exakt so stehenlassen. Auch mal schön 😉
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Eure Ulrike, die immer noch neugierig ist auf Eure Frühlingsbegleiter 🙂
Liebe Ulrike,
wieder finde ich in deinen Rezensionen einen mir wohlvertrauten Duft – Annick Goutals Un Matin d’Orage.
Er war für mich eine reine Zufallsentdeckung, der mich an die Weisheit „Don’t judge a scent by its flacon“ erinnert. Ich dachte bei dem Flakon nämlich auch erst an Weißblüher, mit denen ich mich auch nicht recht anfreunden kann. Aber wie kann man sich irren (-und wie viele schöne Düfte lernt man wohl nie kennen, weil ihre Flakons Vorurteile wecken?)!
In jedem Fall habe ich kurz darauf gekauft.
Er weckt in mir tatsächlich Gedanken an den klaren, sauberen Geruch nach einem Regenschauer, irgendwie mineralisch und metallisch, als ob die Ionen des Gewitters irgendwienoch in der Luft schwingen. Ein bißchen Seife rieche ich auch heraus, aber da ich den laugigen Geruch von reiner Kernseife sehr gern mag, bin ich darüber nicht unglücklich (vielleicht hing ja in dem japanischen Garten eine Leine voll frisch gewaschener Wäsche, die der Gewitterregen wieder naß geregnet hat, und die danach wieder langsam in der Sonne getrocknet ist? ;))
An dieser Stelle einmal DANKE für deine wundervollen Duftbeschreibungen – auf die hoffentlich noch viele weitere folgen werden. 🙂
Liebe Grüße
Katharina