Eine Mimose…

… ist der Star des neuen Duftes des Hauses Annick Goutal, Le Mimosa, und wie so oft entsteigt er der bekannt-bewährten Phiole der Parfumeurin Isabelle Doyen, die für einen Großteil der Düfte verantwortlich ist. Mimosen – wer kennt sie nicht, vor allem auch aus dem freundlichen Gebrauch der Umgangssprache. Diese hat jenen stacheligen Halbstrauch mit seinen empfindlichen Blättern und leuchtendgelben Blüten, welcher auf Berührungen und Temperaturschwankungen mit sofortigem Rückzug reagiert, gerne für sich adaptiert – seither dient das Wörtchen als Bezeichnung für empfindliche und/oder übersensible Menschen, gerne und vor allem Frauen.

Dabei tut man manchem Mimöschen vielleicht unrecht, wie ich einst bei der Lektüre eines Ringelnatz-Gedichts dachte, welches ich bis heute nicht eindeutig zu verstehen weiß:

Jene Große
Weil jeder sie so entzückend
Grün und natürlich fand,
Ging die große Mimose
Von Hand zu Hand.
Und ging und lebte, ward müde und schlief,
Und ward herumgereicht.
Und wünschte sich vielleicht – vielleicht! –
Ganz tief,
So unempfindlich zu sein
Wie ein Stein.
Und wie sie trotzdem wunderbar
Organisch grün und wissend klar
Gedieh,
Umschwärmten, liebten, achteten sie
Die Menschen und die Tiere,
Merkten aber fast nie,
Daß sie keine Rose,
Daß sie eine große Mimose war.

Was bei aller Kunderaschen leichten Melancholie oder melancholischen Leichtigkeit nicht vergessen werden darf, ist, dass die Mimose eine (sonnen)strahlengelbe Blüte hat und somit auch schon seit je her ein Bote der Fröhlichkeit war. Zu diesem Thema sei gesagt, dass ich während des Verfassens dieser Rezension auch lauthals loslachen musste, als ich den zweiten Namen der Mimose erfuhr – wusstet Ihr, dass sie auch als schamhafte Sinnpflanze bezeichnet wird?

Wie riecht denn aber nun Mimose, die schamhafte? Eine echte hatte ich ehrlicherweise lange nicht mehr vor oder besser unter der Nase. Und was Parfums angeht gibt es auch nur wenige monothematische Mimosendüfte auf dem Markt, mir fallen spontan ein: Czech & Speake Mimosa, Mimosaique von Patricia de Nicolaï, Christiane Celle Calypso Mimosa und L’Artisan Parfumeur Mimosa Pour Moi, welchen ich auch mein Eigen nenne und auch sehr liebe – dazu bald mehr… Vielleicht führt diese Liebe, die im übrigen eine langjährige ist – Mimosa Pour Moi war mein, mmmhhh, dritter? Nischenduft – dazu, dass ich Mimose nicht mehr unvorbelastet angehen kann. Und es auch sehr schwer ist für einen Duft, jene eine von ihrem imaginären Thron zu stoßen oder von ihrem Platz aus meinem Duftregal zu fegen… Egal. In jedem Falle habe ich mich selbst dabei ertappt, dass einer Mimose für mich persönlich etwas Ätherisches anhaften sollte, eine Leichtigkeit, eine gewisse Empfindsamkeit (und fragt jetzt bitte nicht, wie sich die olfaktorisch manifestiert). Mimose als gemaltes Etwas wäre für mich immer ein in beneidenswerter Leichtigkeit mit Wasserfarben dahingehauchtes Aquarell.

Goutals und Doyens Interpretation von Mimose nun ist eine gänzlich andere. Hier liegt die Priorität ganz klar auf der Farbe Sonnengelb und ihrer Strahlkraft, der dynamischen Fröhlichkeit, was man schon dem Flakon anmerkt. Camille Goutal ließ ihn mit einem selbst entworfenen gelben Bändchen mit, ja, fröhlichen schwarzen Polkadots verzieren. Jenes begreift und interpretiert sie als symbolisches Aufgreifen der Blütenfarbe sowie deren „Pompon“-Form, die sie mit der Lebhaftigkeit und dem Geist der 80er in Verbindung bringt.

Mit meiner dezenten Empfindsamen hat diese Vorstellung nun gar nichts zu tun, schwant mir – und bestätigt sich schon beim ersten Test des Duftes, dessen Ingredienzen ich Euch natürlich nicht vorenthalten mag: Kopfnote: Mimose, Anis, Lilie; Herznote: Pfirsich; Basisnote: Weißer Moschus, Sandelholz.

Mimose, ja, deutlich, bereits im Auftakt. Aber mindestens genauso deutlich präsentieren sich hier alsbald Pfirsich und Melone, saftig-mehlige Honigmelone, die das Mimöschen in ihre Mitte nehmen, sie unterhakend wie die kleine schüchterne Schwester, die das erste Mal mit auf die Piste darf. Vielleicht könnte ich auch ein passenderes Bild finden – von mir aus ein viktorianisches Schwesterntrio beim ersten Frühlingspicknick im Park, die Kleinste fürsorglich eingerahmt. Die Sonne geht auf diesem Bild garantiert nicht unter, denn die Strahlkraft, die fruchtig-süße, die Le Mimosa an den Tag legt, ist enorm. Ein leiser grüner Schleier weht herüber, vermag allerdings das Hauptgeschehen nicht nachhaltig zu beeinflussen: Es bleibt vorrangig süßfruchtig und floral. Die Basis unterstreicht diesen Charakterzug Le Mimosas noch, indem sie für zusätzliche Pudrigkeit und milchige Cremigkeit sorgt. Darüber hinaus sind, vermutlich von Anis in Verbindung mit den Früchtchen herrührend, beschwipste likörige Noten zu vernehmen, die sich auf dem Teststreifen noch zivilisiert zurückhalten. Auf meiner Haut aber brechen sie voll durch: Ich rieche eigentlich fast durchgängig nur Hochprozentiges, Marillenlikör wäre mein erster Tipp gewesen, Pfirsichlimes hätte ich danach geraten – für mich demnach überhaupt gar nichts.

Le Mimosa lässt sicher für den einen oder anderen von Euch die Sonne aufgehen: Es ist ein durch und durch fröhlicher Frühlingsbote, floral, feminin und fruchtig mit einer frech-koketten Süße. Meiner Vorstellung von Mimose wird er allerdings nicht unbedingt gerecht. Aufgrund der prägnanten Unterschiede auf Teststreifen und Haut empfehle ich hier in jedem Fall einen Test auf dem eigenen Ärmchen 😉

Einen schönen Tag Euch und liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Annick Goutal, Emile Claus (1887): The Picknick via Wiki Commons, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Jutta L.
    23. März 2011
    Antworten

    Liebe Uli, danke für Deine schöne, poetische Beschreibung! Ich liebe die Mimose sehr, als Blüte und auch als nachgebildeter Duft in der Flasche, das mal vorweg. Für mich ist alles, was nach Mimose riecht, Frühling pur. Mein liebster Mimosenduft ist bisher auch Mimosa pour Moi, sowie das auch genannte Mimosaique (ist mir aber mittlerweile etwas zu süss) und dann noch Aria di Capri von Carthusia, der auch eine wunderbare Mimosennote im Zentrum hat.

    Auf den Annick Goutal Duft war ich so gespannt, dass ich ihn mir sofort ohne Bedenken grosszügig auf die Haut gesprüht habe. Für mich war ganz klar, dass nach den Orientalen, dem göttlichen Matin d’Orage, dem köstlich-herben Ninfeo Mio und den klaren, z.T. Neuinterpretationen der Rosendüfte von Annick Goutal nur ein weiteres Meisterwerk zu erwarten war. Mittlerweile nehmen Annick Goutal Düfte wirklich einen grossen Teil meines Duftschrankes ein.
    Also, zurück zum Anfang, ich habe ihn gleich auf beide Arme und Hände gesprüht und stand nach einer Minute in einem reichlich grusligen Nebel von weissem Pfeffer und Apfel-Birnenkompott. Der weisse Pfeffer hielt sich bestimmt 20 Minuten, danach roch er nur noch nach besagtem Kompott kombiniert mit einer für mich viel zu starken Moschusnote.
    Ich war richtig traurig! Und gleichzeitig froh, dass ich ihn nicht blind bestellt hatte. Was die Pfeffernote angeht, ich liebe ja Pfeffer in Düften, aber eher schwarzen, und dann bitte in eher würzig orientalischen Varianten. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass gar kein Pfeffer drin ist, sondern meine Nase irgendeinen synthetischen Stoff in Überdosis riecht, der bei mir als Pfeffer ankommt. Es gibt bestimmt synthetische Elemente, die ich in ihrer ursprünglichen Weise rieche, die einen Duft aber eigentlich nur unterstützen sollen. Kann das schwer beschreiben, aber selbst als das verflogen war, wurde der Duft nicht wirklich schöner.
    Schade, schade…. Meine Tochter und meine Freundin kamen übrigens zum gleichen Ergebnis, nicht in Bezug auf Pfeffer, aber auf die Gesamtwirkung.
    Dennoch, für mich ist es nur ein Ausrutscher, ich freue mich jetzt schon auf den nächsten AG Duft!

    Lieben Gruss
    Jutta L.

  2. Ulrike
    24. März 2011
    Antworten

    Hallo liebe Jutta,

    da kommt Dir ja der heutige Artikel gerade recht, oder? 😉
    Ich konnte es mir nicht verkneifen anlässlich des neuen Goutals dann doch noch meine Lieblingsmimose hinterher zu schieben… Aria di Capri hat auch prominente Mimosennoten? Muss ich nochmals testen *notiert*
    Ist lange her. Mimosaique würde ich so gerne mal wieder schnuppern, er ist ja mittlerweile discontinued soweit ich das weiß – es ist ebenfalls ewig her, dass ich ihn gerochen habe.

    Im übrigen ging es mir sehr ähnlich wie Dir: Ich bin ein totaler Fan der letzten Veröffentlichungen von Goutal. Es fing an mit den Orientalisten, von denen ich auch zwei besitze (den Weihrauch und den Amber), dann Matin d’Orage, Ninféo Mio und die wunderschöne nostalgische Rose. Ich habe auch gleich auf die Arme gesprüht und – nun ja… war enttäuscht. Es ist nicht so, dass Le Mimosa ein schlechter Duft wäre – er passt nur absolut nicht zu mir, wird sehr ungünstig auf meiner Haut und zielt einfach auch auf eine ganz andere Art Trägerin ab als ich es bin. Schade. Aber ich bin mir sicher – der nächste passt wieder 😉

    Im übrigen trage ich heute etwas, das auch eine neue Liebe werden könnte: Die Rose Alexandrie von Armani Privé, in der sich auch eine Mimose tummelt 🙂

    Viele liebe Grüße zurück,

    die Uli.

  3. Anna
    16. August 2012
    Antworten

    …ich habe den Duft heute zum ersten Mal getestet und bin total begeistert. Erstaunlich ist, dass er bei mir auf der Haut in der Herznote ganz stark nach Cumin (ja wirklich! Ein Hauch von Kreuzkümmel…obwohl das nicht in den Inhaltsstoffen steht, aber dies bestätigten mir alle, die an meinem Arm schnupperten…) duftet, aber überhaupt nicht aufdringlich, sehr zurückhaltend, sinnlich, empfindsam, eben wie eine Mimose, die sagt: „VORSICHT!!! Überleg Dir gut, ob Du mich berührst…“ Irgendwie sehr speziell, dieser Duft, etwas ganz Besonderes, zum Verlieben. Und DANKE für die tolle Duftbeschreibung an Uli, aber für mich ist Le Mimose von Annick Goutal genau das, was ich gesucht habe. Man sollte den Duft aber wirklich auf der Haut testen, auf dem Teststreifen hätte ich nie geahnt, wie er sich bei mir entwickelt.

    LG Anna

  4. Ulrike
    17. August 2012
    Antworten

    Hallo liebe Anna,

    das freut mich aber sehr, dass Du in dem Mimöschen eine neue Liebe gefunden hast! So ist es eben mit der Hautchemie, deshalb empfiehlt sich auch immer ein eigener Test. Und, darüber hinaus: Wir haben natürlich nicht nur unsere ganz eigene Haut, sondern auch unsere ganz eigenen Empfindungen, die wir mit Düften verknüpfen, sind unterschiedliche Persönlichkeiten – gut, dass es so viele Düfte gibt und für jeden etwas dabei ist 🙂

    … by the way: (Mindestens) EINE Mimose braucht man als Frau, finde ich 😉

    Viele liebe Grüße,

    Ulrike.

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