Von Zweckmäßigkeit und Schönheit

Liebe Leser, vielleicht erinnert sich der eine oder andere an einen Artikel von Uli vor etwa einem Jahr, in dem ein mysteriöser Freund mit dem Decknamen H erwähnt wurde. Das Geheimnis kann nun gelüftet werden: es handelt sich um meine Wenigkeit. In den letzten Tagen haben wir wohl alle erkennen müssen, dass es gar nicht so blöd ist, eigene Fehler einzugestehen, und das muss ich an dieser Stelle tun. In dem erwähnten Artikel wurde ich richtig zitiert, wie ich über Mark Birley for Men ein unqualifiziertes „Iii, Zitrone“ fallenließ, um daraufhin in den kostspieligen Sog meines unerreichten Favoriten Clive Christian 1872 zu geraten. Heute muss ich meine vorschnelle Meinung revidieren.

Ich möchte Euch nicht mit der hinlänglich bekannten Geschichte des Duftes langweilen, und deswegen sei mir eine kleine Abschweifung erlaubt. Vor kurzem sah ich im Fernsehen einen Bericht über den britischen Architekten und Bildhauer Thomas Heatherwick, der es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, zweckmäßige, hässliche Bauten durch kreative Architekturkonzepte zu beleben. Den Bericht kann man sich hier in der ARD-Mediathek anschauen. Eines seiner bekanntesten Werke, neben der Neugestaltung der Londoner Stadtbusse, war der Pavillon Großbritanniens auf der Expo 2010 in China (auch bekannt als „Seed Cathedral“).

Ein äußerst beeindruckendes Gebäude, wobei seine zu Skulpturen verwandelten U-Bahn-Schächte mit dem Namen „Angel’s Wings“ sicherlich auch ihren ganz eigenen Reiz haben.

Die Fakten des Tages: Zweckmäßiges muss nicht hässlich sein…und ich war ein Banause.

Auf dem Teststreifen regiert allen zitrischen Noten voran die Zitrone, ganz klar, im Hintergrund schwant mir etwas Hölzernes, doch wie so oft bleibt die ganze Geschichte auf dem Streifen recht eindimensional. Auf meiner Haut verfliegen die Kopfnoten allzu schnell und als renitenter Untermieter klopft der Weihrauch mit dem Besenstiel an die Decke, begleitet von holzigen Noten, wohl dem Sandelholz geschuldet.

Kopfnote: Bergamotte, Zitrone, Mandarine; Herznote: Veilchen, Karottensamen, Leder; Basisnote: Zedernholz, Sandelholz, Vetiver, Weihrauch, Moschus

Es ist das erste Mal, dass mir ein Duft auf dem Teststreifen besser gefällt als auf meiner Haut. Die Zitrone hätte für meinen Geschmack haltbarer sein können, aber ich werde ihn jetzt noch eine Weile tragen und dann sehen, ob wir beste Freunde werden. Jedenfalls ein ganz hervorragend gemachter Duft, und um den Bogen zu Heatherwick zu schlagen: er hat etwas Zweckmäßiges, Pragmatisches, einen sehr männlichen Charakter, kühles Understatement, dabei aber auch die zurückhaltende Eleganz und Schönheit, wie man sie von der schlichten Formensprache minimalen Designs kennt. An einer Frau kann ich ihn mir nicht vorstellen, tut mir leid, Mädels, höchstens noch bei der herben Schönheit Luise Koschinski ;-).

Viele Grüße von
Harmen

Bildquellen: United Kingdom Pavilion Expo 2010 von Kimon Berlin, Sculpture Angel’s Wings, Bishops Court near Paternoster Square, just north of St. Paul’s in London/UK von Anders Sandberg – beide Wikimedia Commons, some rights reserved, vielen Dank!

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

4 Kommentare

  1. Eva
    15. März 2011
    Antworten

    Hallo,

    leider weiß ich bis auf „meine Wenigkeit“ immer noch nicht, wer sich hinter H verbirgt …

    Verwirrt, Eva

  2. Harmen
    15. März 2011
    Antworten

    Hoppla, da habe ich wohl vergessen den Artikel zu unterschreiben 😮

  3. Margot
    15. März 2011
    Antworten

    Hallo Harmen,

    schön, dass es Dir nicht anders geht als den meisten, die anfangen sich mit Düften zu beschäftigen und die nach dem ersten „bäh“ einige Zeit/Jahre? später ein „oh wie toll“ zum geleichen Duft hervorbringen.

    Wieder schön geschrieben und mit tollen Assoziationen hinterlegt. Danke!

    LG, Margot

  4. Harmen
    15. März 2011
    Antworten

    Ich danke recht herzlich. 🙂 Das Problem mit meiner Haut habe ich einfach mit meinem Schal gelöst… 😉

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