Oh süße Melancholie…

Nachdem sie sich gestern bereits in Ansätzen zeigte, bei Mazzolaris Patchouly und meinen dazugehörigen Assoziationen, möchte ich ihr nun einen ganzen Artikel widmen: Der Melancholie. Jene früher als Mönchskrankheit bezeichnete schwermütige Traurigkeit oder auch der Hang dazu, ihr, die sie einen ohne Anlass befällt, zu verfallen, ist mir sehr wohl bekannt.

Prinzipiell wohl eher eine Frage des Naturells – ich kann von mir getrost behaupten, dass mir nicht ständig die Sonne aus dem Allerwertesten zu scheinen pflegt, wie George Clooney seine eigene Laune in „From Dusk Till Dawn“ auf Nachfrage karikiert. Von meiner Plattensammlung würde vermutlich die meisten Menschen Depressionen bekommen, auch meine Bücher sind – ob nun Klassiker oder zeitgemäß – jetzt nicht wirklich… witzig. Aber das müssen sie ja auch alle bei mir gar nicht sein – ich mag sie nämlich, die Melancholie, jene gepflegte Schwermut. Und befinde mich damit in bester Gesellschaft: Etlichen „meiner“ Romantiker war sie ebenfalls ein Freund, siehe zum Beispiel John Keats oder Nikolaus Lenau, der jener mit folgendem Gedicht ein Denkmal setzte:

An die Melancholie
Du geleitest mich durchs Leben,
Sinnende Melancholie!
Mag mein Stern sich strahlend heben,
Mag er sinken – weichest nie!
Führst mich oft in Felsenklüfte,
Wo der Adler einsam haust,
Tannen starren in die Lüfte
Und der Waldstrom donnernd braust.
Meiner Toten dann gedenk ich,
Wild hervor die Träne bricht,
Und an deinen Busen senk ich
Mein umnachtet Angesicht.

Jene „Agonie der Seele“, wie Benn sie einmal bezeichnete (der im übrigen auch eine Frau in mindestens eine solche versetzte – Else Lasker-Schüler), ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits droht sie immerzu, einen in düstere Verzweiflung abgleiten zu lassen – so schmal ist ihr Rand. Andererseits ist sie bittersüß und es lässt sich in ihr schwelgen, sie inspiriert, oftmals auch zu Großem: So wussten bereits die alten Griechen in der Antike um ihrer schöpferische Kraft, die sich zwar immer auch gegen denjenigen richten kann, den sie beherrscht, aus der heraus dieser aber eben auch zu Heldentaten fähig sein kann, zur Schöpfung von Kunst oder ähnlichem – ein Gedanke, den die Romantiker natürlich in ihre Genieverehrung aufnahmen.

Genauso wie, müsste ich einen auswählen, meines Erachtens nach Caspar David Friedrich der Porträtist der Melancholie ist, gibt es für mich auch ein olfaktorisches Pendant dazu – es ist Greyland von Montale.

Nomen est omen – ein graues Land: Ich bin hier auch vollkommen außerstande, Greyland zu analysieren, in verschiedene Duftstadien einzuteilen. Für mich ist der Duft lediglich eine große graue Wolke duftender Schwermut und damit ganz und gar verführerisch: Auf eine subtile Art und Weise vertraut und beschützend verdichten sich Pfeffer samt einer leicht fruchtigen Herbheit (der Ingwer, er ist doch da…) mit Harz und Holzen zu einem cremig-balsamischen und definitiv grauen Etwas, das einen eigenartigen Balanceakt zwischen Kühle und einer angedeuteten Wärme schafft und somit etwas noch seltsamer Tröstendes bewirkt.

Für mich ein verkannter Duft und ein echtes kleines Juwel, an dessen Brust ich immer wieder wie Lenau an grauen Tagen Unterschlupf suche.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Ingwer, Pfeffer; Herznote: Elemiharz, Kardamom; Basisnote: Teakholz, Zedernholz, Guajakholz.

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Der Wanderer über dem Nebelmeer (1818), Mönch am Meer (1808/09), Klosterruine Oybin / Der Träumer (1820-1840), alles Caspar David Friedrich via Wiki Commons, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

10 Kommentare

  1. Christian
    30. Dezember 2010
    Antworten

    ,,,,oho, den Greyland kenne ich nicht, da muss mein Bestellfinger seine winterlich-melancholische Trägheit überwinden….im Jüdischen Museum in Frankfurt/Main läuft derzeit übrigens noch (bis 11.1.) eine sehr schöne Ausstellung zum eher unbekannten malerischen (!) Werk von Else Lasker-Schüler, lohnt sich!
    Viele Grüße
    Christian

    • Ulrike
      3. Januar 2011
      Antworten

      @ Christian: Jaaa, ich finde den seehr sehr schön. Hat eine klitzekleine Ähnlichkeit mit Fissores Cashmere for Man musste ich feststellen…
      Malerisches Werk von Elschen? Das wusste ich nun gar nicht. Ich kenne ihre Lyrik, kenne einiges ergänzend dazu von Benn (Ein nettes Buch über deren Beziehung: Helma Sanders-Brahms – Benn und Lasker-Schüler) und weiß um ihre innige Freundschaft zu Franz Marc, der ihr ja immer ganz wunderbare Karten schickte… aber selbst zeichnen? Ich werde gleich mal recherchieren, aber bis zum 11.1. lande ich vermutlich nicht mehr in FfM – schade, ich war neulich erst dort 🙁

      Liebe Grüße zurück,

      Ulrike.

  2. margot
    31. Dezember 2010
    Antworten

    Melancholie ….. darüber habe ich heute im Auto nachgedacht, als ich in Stadt fuhr und dabei meine neue Fiedel-CD von David Garrett eingeschmissen habe. Ich sag Dir, was meine Musik im zarten Alter von 16 – ca. 18 Jahren war: Das waren Arik Brauer, Georg Danzer und Konstantin Wecker (und noch so ein paar) *gg* Der ewige Schmerz, das ganze Leid der Welt zu tragen. Heute würde ich eine ganze CD mit diesen Liedern nicht mehr ertragen.

    Den Greyland kenne ich noch nicht. Montale hat aber auch so viele Düfte, da bin ich einfach noch nicht durch.

    LG, Margot

    • Ulrike
      3. Januar 2011
      Antworten

      Konstantin Wecker kenne ich ja noch liebe Margot, beim Rest musste ich jetzt gerade mal nachschauen… *wegduck*
      Jaja, der liebe Weltschmerz, der lässt einen als Teenie eben nicht in Ruh *grins*
      Und den Montale darfst Du gerne bei Gelegenheit auch bei mir testen wenn Du magst 🙂

      Liebe Grüße,

      die Uli.

  3. Blanche
    7. Januar 2011
    Antworten

    Ach, Ulli, wenn du wüsstest, wie sehr ich deine Beschreibungen liebe… Ich kann mich mit nahezu allem identifizieren…

    Alles Liebe,
    Blanche

  4. Ulrike
    8. Januar 2011
    Antworten

    Vielen lieben Dank Blanche – das höre ich natürlich gerne 🙂

    Ebenfalls alles Liebe!

  5. Katharina W.
    19. September 2012
    Antworten

    Wie immer habe ich die Beschreibung zu Greyland erst gelesen als ich den Duft schon eine Weile unter der Nase hatte.
    Und wie kaum bisher hat die Beschreibung mit meinem eigenen Eindruck von diesem Duft übereingestimmt.

    Der Duft ist, ja, grau.
    Ein sanftes, kühles aber nicht kaltes Grau. Ich dachte beim Aufsprühen sofort an Serge Lutens‘ Gris Clair, der trotz seiner Abwesenheit von Farb-Assoziationen einer meiner wichtigsten Wohlfühldüfte ist. Auch Greyland hat etwas santes, beruhigendes, und zugleich tröstendes, wenn auch nicht aufheiterndes. Er ist ein freundlicher Begleiter für melancholische Gefühle, die man genießen und nicht zu schnell vertreiben möchte.
    Gute englische Rasierwasser haben ähnliche Eigenschaften, finde ich. Sie haben ein bißchen was von einem tröstenden Papa. 🙂

    Danke, liebe Uli, für die wundervolle Beschreibung. Und natürlich für die Abfüllung. 😉

    Grüße
    Kati

  6. Ulrike
    21. September 2012
    Antworten

    Das freut mich sehr 🙂
    Und: In Zukunft werde ich mir immer das Bild vom tröstenden Papa dazu vorstellen, wenn ich Greyland trage 😉

    Liebe Grüße,

    Uli.

  7. Ulrike
    31. Dezember 2012
    Antworten

    Hallo lieber Björn,

    vielen lieben Dank für die virtuellen Blumen 😉 Hach ja, die Ausstellung… ich habe sie komplett verpasst. Muss toll sein, im Januar schaffe ich es allerdings leider nicht mehr… Dabei war und ist die Romantik, vor allem die Schwarzromantik ja genau mein Ding… Nun ja. Hat sie Dir gefallen?

    Liebe Grüße und einen guten Rutsch,

    Ulrike.

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