… haben mich, das muss ich gestehen, die letzten Jahre in schöner Regelmäßigkeit gegruselt. Wie der eine oder andere schon bemerkt oder geahnt haben könnte, bin ich ein großer Cineast: Film ist für mich eine Kunstform und nimmt einen nicht unbeträchtlichen Anteil meiner Freizeitgestaltung ein. Ich schaue alles – mit mittlerweile einer Ausnahme: Deutsche Filme.
Jedes Land der Welt, ob nun Korea, Japan, Mexiko oder irgendwelche europäischen Nachbarn – fast alle haben Regisseure, die aus dem Nichts bisweilen exzellente Erstlingswerke aus dem Handgelenk schütteln und dann beachtliche Folgefilme präsentieren. Nur die Deutschen scheinen es, Filmförderung hin oder her, nicht hinzubekommen – nach Werner Herzog ist das Land in dieser Hinsicht irgendwie irregeleitet und irrlichternd. Obgleich man das sicherlich anders sehen kann – für mich persönlich ändert da auch Herr von Donnersmarck nicht wirklich etwas dran. Es gibt aber einen anderen Regisseur, den ich für sehr begabt halte und der mich vor einigen Jahren – ich probiere es ja doch hin und wieder trotzdem mit den deutschen Filmen – vollkommen überraschte: Ich spreche von dem Deutsch-Türken Fatih Akin. Besonders seine noch nicht vollendete Trilogie „Liebe, Tod und Teufel“ sticht für mich heraus, deren erste Teile der (vollkommen zu Recht) sehr populäre „Gegen die Wand“ sowie „Auf der anderen Seite“ waren.
Der in Berlin lebende Akin steht vermutlich, obgleich Deutscher, auch für eine neue Generation junger Türken – das moderne Istanbul, das in beiden Filmen seinen Platz hat, ist ja ein sich rasant veränderndes, vor allem mit und durch die Dynamik der Jungen, die dessen (neue?) Kultur prägen und es gestalten. Ein Grund, weshalb ich mir Istanbul in meiner Städtereiseliste für die nächste Zeit, die nächsten Jahre dick markiert habe.
Bertrand Duchaufour, der Fast-aber-irgendwie-doch-nicht-wirklich-Hausparfumeur von L’Artisan Parfumeur ist Euch sicherlich bereits durch diverse seiner Düfte (nicht nur für L’AP) bekannt – oft genug findet er ja im Blog Erwähnung, der fleißig Umtriebige. Deshalb wissen sicher die meisten um seine Reise-Düfte, jene olfaktorischen Impressionen, die er für L’Artisan Parfumeur bereits kreiert hatte – Steffi hatte einen Teil davon schon hier vorgestellt. Die „Odeur volée par un parfumeur en voyage“ genannte Serie begann mit Bois Farine (in Zusammenarbeit mit Jean Claude Ellena, Hausparfumeur, echter, bei Hèrmes), Timbuktu, Dzongkha, Fleur de Liane sowie Vanille Absolument (ehemals Havana Vanille) und wird jetzt fortgesetzt von dem bereits angekündigten und von einigen sehnlich erwarteten Traversée du Bosphore.
Traversée du Bosphore ist nun jener gleichnamigen Meerenge bei Istanbul gewidmet, die Europa von Kleinasien trennt und soll eine duftende Impression der Stadt, der Region darstellen: Ein Tag inmitten der flirrenden Hitze Istanbuls. Enge verworrene Gässchen in der Altstadt, Männer, die in gemütlichen Runden vor dampfenden Gläsern Apfeltee sitzend endlos diskutieren und dabei süßen Tabak rauchen. Orientalische Märkte mit fremdartigen Gewürzen und Speisen, die in der Sonnenwärme Besucher schon von weit her dank ihres Geruches anziehen. Der Duft von versteckten blühenden Gärten, die wie kleine Oasen die Stadt bevölkern. Aber auch Aufschwung, Umbruch.
Das zumindest interpretiere ich hinein, denn für mich ist Traversée du Bosphore wie der Bosporus selbst eine Trennung, aber auch ein Bindeglied zwischen Europa und Asien, eine Verbindung von alter Kultur und Tradition und neuen Inspirationen, Entwicklung(en), Dynamik.
In den Kopfnoten überrascht der Duft mit fruchtig-herben und dezent säuerlichen Tönen – grüner Apfel und Ingwer sind recht deutlich zu vernehmen, die alsbald von verschiedenen anderen Duftaspekten begleitet werden: Pudrig-samtene Iris, ein wildledriges Aroma verströmend, dezente Gewürznoten und ein Schleier Honigsüße, der sich über das orientalische Stillleben legt, sanft von der harzig-holzig-rauchigen Wärme der Basis aufgefangen.
Traversée du Bosphore ist etwas Besonderes: Ein ledriger Florientale, dem es, ähnlich wie Céline Ellenas Oriental Lounge, gelingt, eine der ältesten Duftfamilien zeitgemäß umzusetzen – die der Orientalen. Er folgt einem klassischen Aufbau und ist Ausdruck absolut traditioneller Parfumeurskunst – auch im Hinblick auf seine Duftfamilie, deren grundlegende Aspekte er auch (be)wahrt. Darüber hinaus zeichnet er sich aber durch Innovativität und Modernität aus und zitiert eine erst Mitte der Neunziger Jahre populär gewordene Duftrichtung, die man meines Erachtens nach mittlerweile bereits als Duftfamilie bezeichnen kann: Diejenige der Gourmanddüfte.
Traversée du Bosphore verfügt nämlich über Facetten, die an die für jene Region typische Köstlichkeit Lokum erinnern, welcher von Keiko Mecheri und Serge Lutens schon duftende Denkmäler gesetzt wurden mit deren annähernd gleichlautenden Düften. Duchaufour interpretiert jene allerdings sehr erwachsen und harmonisch, was jeglichen Ansatz eines potentiellen Abgleitens in eine teeniehaft pappig-süße Angelegenheit bereits im Keim erstickt.
Die Ingredienzen: Kopfnote: Apfel, Ingwer, Granatapfel, Safran; Herznote: Iris, Tulpe, Leder, Türkischer Honig; Basisnote: Moschus, Benzoeharz, Atlas-Zedernholz.
Wem es nach Vergleichen gelüstet: Von der Interpretation der Iris her dürften Freunde von Odoris Iris oder derjenigen in Nirmal von Laboratorio Olfattivo (den ich noch vorstellen werde…) auf ihre Kosten kommen – eine verhalten süße, pudrig-samtige Iris. Darüber hinaus sollten all jene einmal testen, die Oriental Lounge von The Different Company mochten genauso wie jene, die ein Faible für Lokum-Düfte haben. Wenn der Duft ebenfalls ansprechen könnte sind diejenigen, die erwachsene Gourmands mögen, vielleicht jene Rummelplatz-Düfte PC02 von Biehl Parfumkunstwerke oder Acqua e Zucchero von Profumum oder Dzing! Von L’Artisan Parfumeur.
Einen schönen Tag Euch allen und liebe Grüße,
Eure Ulrike.
P.S.: Wer Akins „Gegen die Wand“ noch nicht gesehen hat sollte sich den dringend einmal vornehmen – eine tragische Geschichte voller Lebenshunger von Liebe, Liebeskummer, Sinnsuche und dem Clash der Kulturen, hochgelobt und vielfach preisgekrönt.
Traversée du Bosphore
finde ich super – habe mich leichten Herzens in den Duft verliebt – Lokum ist so lecker und ich liebe es – mein Favorit ist Lokum mit Fruchtgeschmack so wie auch auf dem Foto. Wenn das so lecker an den Zähnen klebt und es klebt ganz schön stark, das mag ich. Mit dem Duft kann ich mir das Gefühl an einen wunderschönen Istanbul Urlaub zurück holen. Der Türkische Honig und der Apfelgeruch sind so intensiv das ich sofort Appetit auf Lokum hatte. Ein süßer Gute Laune Duft!!!
Üt