Die letzten beiden vorgestellten Düfte scheinen sich diese Redewendung zu Herzen genommen zu haben, waren sie doch mit einer Dynamik ausgestattet, die ihresgleichen suchte. Wir erinnern uns, dass sowohl Brezza di Seta wie auch Dolce Riso auf Haut und Teststreifen einen schon fast weltrekordwürdigen Sprint hingelegt haben und sich erst jenseits der Ziellinie, in der Duftbasis, einen Moment der Ruhe gönnten.
So verwundert es mich ein bisschen, dass einer der beiden heute rezensierten Düfte, genau dem Gegenteil von Hektik, Stress und sonstigen Strapazen gewidmet ist: der Ruhe, der Muße und der Freizeit. Der Duft Ozio lehnt sich namentlich an das lateinische Wort Otium an, welches nicht anderes bedeutet als das oben genannte Worttriumvirat und damit als Synonym für „dolce far niente“ angesehen werden kann, das süße Nichtstun. Ein Duft zum Seele baumeln lassen. Den eigenen Interessen frönen oder auch einfach mal den lieben langen Tag rumhängen und sich treiben lassen. Die Grundaussage gefällt mir! Da bin ich mal gespannt, ob und wie es die Herren Levi und Cerizza geschafft haben, das umzusetzen.
Ozios Duftnoten: Reseda, Mastix, Iris, Pfingstrose, Mazis (Muskatblüte), Weißer Pfeffer, Sandelholz, Zedernholz, Moschus.
Und in der Tat zeigt Ozio entspanntere Züge als die Seidenbrise und der Reiskuchen von Freitag und Donnerstag letzter Woche. Auf dem Teststreifen offenbart sich direkt nach dem Aufsprühen ein aromatische Kräuterduft, denen eine dezente Pfefferschärfe innewohnt. Süßlich-florale Noten treten hinzu. Gewürze sorgen für dezent-bittere Aspekte, während die Iris mit charakteristischen Nuancen einen cremig-weichen Unterton erzeugt. Holzig-würzig klingt der Duft auf dem Teststreifen aus.
Auf meiner Haut beginnt es grün-würzig mit aromatischen Kräuternoten. Die Iris gesellt sich dazu und verströmt geschmeidig-buttrige Noten. Im weiteren Verlauf kommen zart-florale Noten hinzu. Die Gewürze sind kaum wahrnehmbar; der Pfeffer ist sehr, sehr subtil. Eine beruhigende Holz-Moschusnote mit cremig-weichen Iristupfern bildet die langanhaltende Basis des Duftes.
Ozio entpuppt sich als ruhig-transparenter Duft, obgleich seinem Verlauf schon eine gewisse Dynamik innewohnt, die allerdings nicht ganz so schnelllebig ist wie bei den beiden letzten Düften. Sehr schön, zu Beginn eher erfrischend, später kuschelig werdend, absolut alltagskompatibel für beiderlei Geschlecht. Meines Empfindens nach eher für die wärmere Jahreszeit gemacht; insbesondere im Früjahr kann ich mir Ozio gut vorstellen.
Zur nächsten Kreation aus dem Hause Calé Fragranze d’Autore: Mistero. Die Übersetzung ist einfach: Rätsel, Mysterium. Somit hätte dieser Duft eigentlich ganz prima in unsere Rätselduftecke von vor zwei Wochen gepasst. Tja, da er aber leider aus dem falschen Elternhause kommt, muss er sich jetzt eben rätselhafterweise alleine durch die Rezension schlagen (wobei er ja wenigstens moralische Unterstützung vom Faulenzduft Ozio hat). Mistero wurde als maskuliner Duft konzipiert, sprich: für Herren. Auf der Calé-Homepage finden sich einmal wieder lustige Doppeldeutigkeiten im Begleittext zum Duft:
A man, but above all that part of him that we would like to discover. Mysterious, but not by choice.
Ein Mann, aber vor allem der Teil von ihm, den wir gerne entdecken würden. Rätselhaft, aber nicht absichtlich. Aaaaah ja! So ganz genau will ich gar nicht wissen, worauf Herr Levi da abzielt; genauer wird auf der Homepage darauf auch nicht eingegangen. Netterweise, wie ich finde. So kann jeder für sich selbst entscheiden von welchem Teil des Mannes da gesprochen wird. 😉 Herr Levi spricht jedenfalls in Rätseln, auch bezüglich des unabsichtlich Mysteriösen am oder im Mann.
Die Duftnoten des männlichen Mysteriums: Rum, Rhabarber, Minze, Piment, Elemiharz, Safran, Basmati-Reis, Eiche, Adlerholz (Oud), Labdanum (Zistrose), Moschus.
Eine interessante Zusammenstellung, möchte ich sagen. Mal sehen, wie sich das olfaktorisch so macht. Zuerst der Teststreifen: Dunkel-holzige Rumnoten, Harze und Safran. Letzterer sehr deutlich, was bei mir spontane Dzing!-Assoziationen hervorruft, aufgrund der leichten Pferdestallnoten (die hier allerdings nicht karamellisiert sind wie in Giacobettis Zirkusduft). Würzig-waldige Akzente kommen hinzu sowie eine trocken-transparente Weihrauchnote, der dezent-trüffeligen Nuancen innewohnen, die ich dem Adlerholz zuschreiben würde. Jetzt erinnert mich Mistero immer mehr an Sienne l’Hiver von Eau d’Italie. Wahrlich interessant!
Auf der Haut tritt zuerst der Rum in Aktion, der eindeutige Whiskyanklänge besitzt. Dann eine Überraschung: der Duft von gekochtem Reis. Dieser ganz charakteristische, aber dennoch sehr subtile Geruch, wenn man Reis mit geschlossenem Deckel nach der Quellmethode kocht und dann den Deckel öffnet. Der Duft bekommt eine herb-bittere Safrannote, der eine trockene Schärfe zur Seite springt. Aus dieser Kombination heraus entwickeln sich erdig-modrige Waldnuancen, die ebenfalls deutliche Trüffelaspekte besitzen. Hinzu kommen harzig-rauchige Ledernoten, die mit einer transparenten Trockenfrüchtesüße akzentuiert ist.
Während der Teststreifen mich, wie schon erwähnt, an zweierlei Düfte erinnert, nämlich zuerst Dzing! und dann Sienne l’Hiver, assoziiere ich mit der Hautvariante eher eine Mischung aus Dzongkha und Sienne l’Hiver. Ein absolut entspannter, ruhiger und in sich ruhender Wald-Laub-Erd-Moder-Duft, der meines Erachtens nicht nur dem männlichen Geschlecht vorbehalten sein sollte.
Einen schönen Tag wünscht Euch,
Eure Stephanie.
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