Nachdem wir gestern schon mit einem Denksportaufgaben-würdigen Parfumerie Générale-Duft gestartet haben, begeistere ich mich mehr und mehr für die Idee, auch die kommenden PG-Rezensionen dem Motto „Rätsel“ zu unterwerfen. Daher auch das passende Zitat, das unsere heutige Duftreise einleitet. Es stammt von dem deutschen Dramatiker und Dichter Joseph Freiherr von Auffenberg, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kreativ zugange war. Eine kleine Anekdote am Rande: Herr von Auffenberg war ursprünglich Hofmarschall am großherzoglich-badischen Hof in Karlsruhe, bis er durch einen dreifachen Salto in ein Fettnäpfchen seine Stellung verlor. In angedüdeltem Zustand äffte er bei einem Diner bei Hofe den Großherzog nach, was verständlicherweise bei diesem nicht ganz so toll ankam. Arbeitslos zog er zurück in seine Heimatstadt Freiburg (im Breisgau), wo ihm fortan der Ruf des verarmten Adeligen anhaftete, war er doch häufiger Gast in diversen Kaschemmen, dazu noch schlampig gekleidet. Sein steter Begleiter war ein schwarzer Pudel, dem Herr von Auffenberg nach seinem Tod, allen Verarmungsgerüchten zum Trotz, eine vierstellige Summe seines sehr wohl vorhandenen Vermögens vermachte. Was der schwarzgelockte Vierbeiner mit dem besagten Erbe machte, bleibt allerdings ein Rätsel – ganz im Sinne unseres heutigen Mottos. 🙂
Ein wahres Wort wohnt dem Ausspruch des adeligen Schreiberlings auf jeden Fall inne, in Bezug auf die momentane Rezensionslage würde ich den zweiten Teil des Satzes allerdings ein wenig umformulieren: „nur mit der Betitelung der Parfumerie Générale-Düfte kann er nie einig werden.“ Nun ja, zugegebenermaßen etwas verallgemeinert ausgedrückt, kann doch hauptsächlich ich mit den Namen der PG-Düfte „nicht einig“ werden. Ich sehe schon, eine baldige Kontaktaufnahme mit dem charismatisch-schnieken Herrn Guillaume ist unumgänglich. Natürlich nur im Dienste der olfaktorischen Wissenschaft. Das versteht sich. 😉
Tja, unserem gestrigen Ausflug in die mir bisher unbekannte Welt der angeblich süd-, äh westafrikanischen Variante der karamell-knusperkrustigen Crème Brûlée mit dem nomadig-gourmandigen Duft Aomassaï No. 10 (mmmh, gerade kommt mir der Gedanke, dass des Namensrätsels Lösung ebenso schwer fassbar ist wie ein Nomadenvolk… ist das der mögliche Zusammenhang? Oder schnappe ich einfach jetzt dann bald völlig über?) kommen wir heute zu einer weiteren Volksgruppe mit mutmaßlichem Süßspeisenbezug: Musc Maori, die Nummer 4 der Graf Zahlschen, äh Parfumerie Généraleschen Duftkollektion.
Die Maori sind die indigenen Einwohner Neuseelands, die wohl ursprünglich im polynesischen Raum beheimatet waren und Aotearoa, so die in der Maorisprache gebräuchlichste Bezeichnung Neuseelands (übersetzt: „Das Land der langen weißen Wolke“), ab dem 13. Jahrhundert in mehreren Besiedlungswellen bevölkerten. Überregional bekannt sind die Maori-Tätowierungen Ta moko, die in der Kultur der Maori eine lange Tradition haben. Wie meine ausführlichen Recherchen vermuten lassen, wurde Herr Guillaume möglicherweise von diesen Tätowierungen inspiriert, hat er doch, und das bestätigt er selbst auf seiner Homepage, ganz gezielt den Kontrast zwischen Schwarz und Weiß in diesem Duft einzufangen versucht: Kakao und weißer Moschus.
Die Erwähnung des Kakaos bringt mich persönlich beinahe an den Rande eines onomatologischen Nervenzusammenbruchs, denn der Kakaobaum, der übrigens zur Familie der Malvengewächse gehört und damit ein Verwandter von Baumwolle, Hibiskus und Stockrose ist, kommt ursprünglich aus Mittel- und Südamerika und wird in unseren vollglobalisierten Zeiten zwar auch außerhalb Lateinamerikas angebaut, aber eben nicht in Neuseeland. Auch Moschushirsch, -ochse, -bock, -ente sind nicht im Land der Kiwis beheimatet, um dem zweiten Protagonisten des Duftes auch noch einen Satz zu widmen.
Tja, der direkte Bezug zwischen Kakao, Moschus und Maori wird mir in diesem Leben wohl nicht mehr klar, aber das muss es ja eigentlich auch nicht. Schließlich geht es uns ja in erster Linie um den Duft und mit diesem wollen wir uns jetzt beschäftigen. Die Ingredienzien: Florale Noten, Kakao, Hölzer, Weißer Moschus, Ambra, Tonkabohne. Herr Guillaume beschreibt den Duft auf seiner Homepage als „mouth-watering“ – was ich einmal wieder bestätigen kann, denn schon das Lesen der Duftnoten versetzt mich in akute Süßspeisenstimmung. Das kann ja heiter werden! 😉
Auf dem Teststreifen entpuppt sich Musc Maori als gourmandig-fruchtiger Leckerbissen. Nicht allzu dunkler Kakao kombiniert mit Orangennoten (auch wenn diese nicht in den Duftnoten aufgeführt sind, rieche ich sie doch sehr deutlich). Der Teststreifen erinnert mich stark an Orangenschokopralinen, die ich vor nicht allzu langer Zeit einmal geschenkt bekommen habe und die genau so geschmeckt haben, wie der Streifen duftet. In diesem Stadium verbleibt Musc Maori auf dem Papier.
Ganz anders dagegen auf meiner Haut: hier beginnt die Nummer 4 mit deutlichen Orangenlikörnoten, alkoholisch und ohne Kakaoanklänge wie die Füllung einer Schnapspraline ohne Praline. Erst nach und nach entschwindet der Fruchtlikör und überlässt dem eigentlichen Star des Duftes die Bühne: Kakao, zuerst dunkel, trocken und pudrig, im weiteren Verlauf weicher, milder, ja beinahe milchig-cremig werdend. Ganz subtil sind dezente Orangenanklänge noch wahrnehmbar, die aber mehr und mehr mit lieblichen und sehr authentischen Vanillenoten verschmelzen und in diese übergehen. Musc Maori entwickelt deutlich-helle Vanille-Schoko-Tendenzen, wobei die vanillinen Anteile stärker werden bis mich der Duft schließlich an heiße weiße Trinkschokolade erinnert.
Gourmandig-süß, aber eher transparent und leicht, denn schwer und erdrückend. Die Nummer 4 ist keine wuchtige Schokobombe, sondern ein ausgeklügelter, fein konzipierter und, meiner Meinung nach, absolut unprätentiöser Duft, der auch Gourmand-Zögerern einen Versuch wert sein dürfte. Mein Fazit: Lecker bis zum letzten Riecher!
Einen schönen Tag wünscht Euch,
Eure Stephanie.
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