Kamille…

… ist eine durchaus rare olfaktorische Komponente – das kam mir wieder in den Sinn während des Testens der Ex Vinis-Kollektion, die ich bereits die letzten beiden Tage vorgestellt hatte. Wie oft liest man in den einschlägigen Foren, dass sich Menschen nach einem schönen, ausgewogenen Kamillenduft sehnen. Und man findet sie eigentlich so gut wie nur als Begleitung – in Caracenis Ivy League und in Lubins L’Eau Neuve, ein wenig präsenter in Honoré des Prés Bonté’s Bloom und dann in einigen Düften des Herrn Buxton, der sie wohl beiläufig gerne mal mit in die Flasche streut – so auch geschehen bei Around Midnight und MB03 aus der Reihe Biehl Parfumkunstwerke.

Anthemis Nobilis, der fünfte Duft von Ex Vinis, zollt jener nicht nur namentlich Tribut – ein grün-aromatisch-krautiges (! wirklich! Richtig!) Düftchen und was für eines: Bereits im Auftakt marschiert sie los, die Kräutermannschaft, stampfend und stobend, außerordentlich würzig und durch die Riege der Kopfnote (Minze, Anis und Fenchel) ätherisch anmutend und brusterweiternd. Die vereinsamten Blümchen im Herzen fallen kaum ins Gewicht, dafür die Kräuter umso mehr: Salbei und Kamille, eine leicht rauchige, die auf meiner Haut den kompletten Duftverlauf über dominant vorhanden bleibt. Die Basis wartet mit Hölzern, ein wenig grün anmutender Myrrhe und Pfeffer auf, der dem Duft weitere Kanten verleiht und darüber hinaus in der Tat Anklänge jenes süßlich-herben Muskatweines offeriert, dem Anthemis Nobilis sich verschrieben hat.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Minze, Sternanis, Bergamotte, Fenchel; Herznote: Kamille, Maiglöckchen, Pfirsichblüte, Salbei; Basisnote: Hölzer, Zedernholz, Roter Pfeffer, Weißer Moschus, Myrrhe.

Eine schöne, adrett würzig-pfeffrige Fenchel-Kamille in Reinform, die sich da auf meiner Haut entfaltet samt einer verhaltenen Süße und, wie ich meine, dezenten Lederfetzen – wie konnte ich den Duft nur vergessen, als mich das letzte Mal jemand nach „Kamille“ fragte?

Rubus Idaeus, dem die Kamille so kokett die Vorfahrt gestohlen hat, ist die Nummer vier in der Serie und wie der Botaniker oder Altsprachler unschwer erkennen kann – der Himbeere gewidmet und bedient sich des Weinpaten Refosco, einer alten bodenständigen roten Rebensorte, aus der ganz „herausragende Weine von intensiver Farbe und großer Ausdruckskraft“ gekeltert werden können, aus welcher aber häufig „jedoch qualitativ nur mittelmäßige Tischweine“ entstehen. Reden wir von der erstaunlichen Ambivalenz, die diese Traube und vor allem deren Ergebnisse wohl an den Tag zu legen vermögen, lässt sich dieses wohl ohne weiteres auf besagten Duft übertragen: Auf dem Handgelenk meines eilfertig herbeigeeilten Kumpels, der, da im selben Haus wohnend, häufiger mal für Dufttestexzesse meinerseits herhalten muss, riecht Rubus Idaeus leider nur wie ein schal gewordener Cocktail, wie ein überreifes Beeren-Melonen-Stilleben. No Sir – nein danke. Bei mir entspricht die holde Beere dem genauen Gegenteil: Die Ahnung eines sommerlich-spritzigen Frucht-Cocktails, beerenlastig und mit saftiger Melone, drängt sich mir auf, garniert mit pikanten Minzblättchen. Jene sommerliche Laune verquickt sich aufs Vortrefflichste mit den fröhlichen Blüten, die sich hier weniger typisch narkotisierend und schwer, als vielmehr leichtfüßig zeigen und von einer transparent-sauberen weichen Cremigkeit aufgefangen werden.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Rote Johannisbeere, Schwarze Johannisbeere, Minze, Moosbeere, Honigmelone, Limette, Bergamotte; Herznote: Lilie, Jasmin, Schwarzer Pfeffer; Basisnote: Patchouli, Sandelholz, Hölzer, Weißer Moschus, Sahne.

Eine Frage der Haut – wie häufiger. Deshalb: Auf der eigenen Haut testen und hoffentlich urlaublich dahinschwelgen wie ich, die ich mich ein wenig an den ebenfalls netten Pink Riviera von Manuel Canovas erinnert fühlte.

Piper Officinarum, Duft Nummer sechs und somit der letzte in der Ex Vinis-Kollektion huldigt dem Pfeffer. Und darüber hinaus noch dem Carmignano, einem (weiteren) der besten Rotweine Italiens, der aus der Sangiovese-Traube unter Beimischung von Cabernet Sauvignon und/oder Canaiolo Nero entsteht. Ein Blick auf die Ingredienzen weist bereits in die olfaktorische Richtung: Kopfnote: Bergamotte, Zitrone, Limette, Beeren; Herznote: Piment, Rose, Maiglöckchen, Veilchen; Basisnote: Süßholz (Lakritze), Sandelholz, Vetiver, Patchouli, Weißer Moschus, Pilze.

Unser Piper hier ist kein authentischer Pfefferduft, wie es einige (gute) auf dem Markt gibt – für mich spiegelt er vielmehr die Impression eines spätsommerlichen oder frühherbstlichen Tages in Italien wider: Die Sonne wärmt die knorrigen Hölzer, deren Geruch durch die Wärme eine merkbare Süße erhält, der Wind weht die Aromen der erntefrischen Hesperiden herüber, während bereits nebenan die Pilze sprießen. Und man selbst sitzt nebenan, die Ruhe genießend nach dem Spaziergang auf dem Wochenmarkt, auf dem Blumen erstand, selbst gezogene, und neuen Wein.

Ein leiser, andächtiger Duft, von der Stilrichtung her ein wenig an die Marly-Düfte von neulich erinnernd und sicherlich für beide Geschlechter gleichermaßen geeignet.

Damit möchte ich die Reihe auch beschließen, nicht ohne natürlich nachzufragen: Kennt Ihr sie? Und wie gefällt sie Euch?

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Chamomile von ideeart / Marcel Paraiala, Peppermint von haiinee / Haijnalka ArdaiFruits in a Glass 5 von kodakgold / Samuel Rosa, Rugged Door von magentac / Chloe Merle, alles via stockxchng, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

7 Kommentare

  1. Margot
    28. Oktober 2010
    Antworten

    Liebe Uli,

    bisher habe ich mich den Wein-Düften noch nicht gewidmet. Bis jetzt war Wein nur etwas für meine Kehle 🙂
    Eine Kamille hab ich noch für dich: Thundra von Profumum.
    (Werde meinen Bestand in Ehren halten und nicht unüberlegt verschwenden).

    LG und einen schönen Tag,
    Margot

  2. Jutta L.
    28. Oktober 2010
    Antworten

    „Da marschiert sie los, die Kräutermannschaft“ *- das ist so herrlich, liebe Uli, ich amüsiere mich köstlich! Apropos, ich suche immernoch einen Duft, der wirklich wie ein (guter!) Sauternes riecht oder einen Duft, der wie ein Pouilly Fume riecht, leicht nach Holunderblüten. Es gibt ja so viele wunderbare Weine, genauso wie Düfte, ganz nebenbei gesagt, aber bisher hat mich noch kein Parfum wirklich davon überzeugt, einen Weinduft wirklich gut abbilden zu können.
    Wobei ich mir die ExVinis Serie bei nächster Gelegenheit nochmal vornehmen werde, wenn ich Deine Beschreibungen lese, habe ich das Gefühl, den ExVinis Düften nicht genug Zeit gewidmet zu haben! ;o)

    Und Kamille als prominente Duftnote fände ich auch mal wunderbar, das bisher Gerochene fand ich nie ausreichend kamillig genug.

    Lieben Gruß
    Jutta L.

    * Könnte auch auf einen Villoresi-Duft passen…

  3. 28. Oktober 2010
    Antworten

    Soviele Düfte, soviele Meinungen – und das ist gur so!

    Rubus Idaeus, ja, den mag ich sehr, süß-sauer, wie die Namensbeere. Nur leider bei mir überhaupt nicht haltbar – Schade.

    Bontes Bloom, der geht für mich leider gargar nicht, diese Blumen sind mir viel zu kräuterig und zu wenig blumig.

    Aber immer wieder interessant, wie andere das so schnuppern.

    liebe Grüße, Angelika

  4. Christian
    28. Oktober 2010
    Antworten

    ….viel Kamille (und schön!) aber auch bei Penhaligon’s Jubilee Bouquet, der mir gestern als Abfüllung ins Haus kam; dufte deshalb heute den ganzen Tag ein wenig old fashioned (like Queen Mum ;-)), aber doch auch sehr zauberhaft…hat ja auch Herr Douchaufour aufgehübscht.
    liebe Grüße
    Christian

  5. Ulrike
    29. Oktober 2010
    Antworten

    Wein für die Kehle, liebe Margot, ist auch nie zu verachten 😉 Werde den Thundra demnächst nochmals im Hinblick auf die Kamille konsultieren 🙂

    Ja, Jutta, mir ging es so wie Dir – ich habe die ExVinis-Düfte damals auch nur im Vorbeigehen getestet und dachte, ich krame sie einfach nochmals vor und rezensiere sie dann auch gleich im Blog. Und in der TAt haben sie mir auch recht gut gefallen, yep 🙂

    @ Angelika: Genau die Kräuter mag ich an BB so gerne 😉 Und ja, Johannisbeeren in Düften sind toll – vor allem mag ich da Sublime Balkiss von TDC.

    @ Christian: In JB ist eine präsente Kamille?!? Da krame ich doch gleich wieder nach dem Pröbchen… allerdings muß ich mit Testen noch warten, mich hat ein blöder Infekt im Griff und meine Nase ist zu momentan 🙁

    Liebe Grüße,

    Eure Uli.

  6. Christian
    29. Oktober 2010
    Antworten

    jau, ich fand die kamille sehr präsent, war erst verwundert und hab dann nochmal mit dem Kamillentee verglichen ;- ob’s auf Deiner Haut dann auch so ist?
    Aber Du wolltest ja eh nochmal an die Anthology-Collection ran, es lohnt sich!
    Liebe Grüße und gute Besserung!
    Christian

    • Ulrike
      2. November 2010
      Antworten

      Huhuu lieber Christian,

      das hört sich doch seehr interessant an. Werde mir alle demnächst nochmals vornehmen – wenn die Nase wieder mitspielt. Ein Grauen, ich rieche so gut wie nichts, das ist doch so kein Leben *jammer*

      Liebe Grüße zurück,

      Uli.

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