… ist einer jener Düfte gewidmet, den ich Euch schon lange einmal angekündigt hatte und auf den ich selbst schon Monate gewartet habe: Figaro, einer der vier neuen Lubins. Zwei davon, Inédite und Itasca, gaben sich bereits die Ehre und wurden von mir im Sommer lanciert, zwei weitere wollte man sich wohl für die Herbst-/Wintersaison aufheben, wobei diese (jahreszeitlich) getrennte Lancierung rein duftnotentypisch keinen Sinn ergibt, aber gut, sei es drum.
Wie schon berichtet durfte ich ja alle viere auf der Düsseldorfer Messe im März testen und dieser hier, Figaro mit Namen, ist mir am meisten im Gedächtnis geblieben – wahrscheinlich, weil er der markanteste Duft der vier Variationen ist, denn, wir erinnern uns: Inédite, Itasca und die beide Neuen, Figaro und Bluff sind Variationen von Lubins Vetiver und dem L’Eau Neuve, zweier Klassiker des Hauses.
Bereits bei der anmutigen Unaussprechlichen, Inédite, war mir die Korrelation zu dem wundervollen Hesperiden L’Eau Neuve nicht ganz klar – das ist, soviel sei vorweggenommen, bei Figaro genauso. Hätte man mich gefragt, ich hätte ihn eher als Bruder des Vetivers in Verdacht gehabt, um Euch schon einen Spoiler zu liefern 😉
Das räumen Lubin allerdings auch selbst ein: Ihr Figaro steht eigenem Bekunden zufolge dem Verführer aus Beaumarchais‘ Vorlage (die alle anderen inklusive Mozart beeinflusste) an Kühnheit und Verführungskünsten in nichts nach, lässt (alle?) Konventionen hinter sich und nimmt sich Freiheiten heraus, die, so möchte ich herauslesen, ihn der Meinung der Firma nach so einzigartig machen. In der Tat vereinigt dieser Verführer alle Eigenschaften, die das Naturell und den Charakter eines solchen ausmachen: Frische, Ambivalenz, Extravaganz, Esprit, Jugendlichkeit, stilsichere Eleganz, feine Ironie und natürlich auch Provokanz. Wo nun aber ist der Vetiver, der eben angesprochene? Im Herzen natürlich, und dort geht er eine amouröse Verbindung mit einer grünen Feige ein, flankiert von weiteren Früchtchen, genauer: einem grünen Apfel und einer dunkelauberginefarbenen Pflaume. Jene Menage à Quatre dominiert den Großteil des Duftes, mächtig und mutig: Grünleuchtende Früchte von zum Teil satter Violetfärbung, weithin strahlend fruchtig-frisch inmitten bittergrasiger Vetiverherbheit, einer sehr ausgeprägten.
„Ein grüner aromatischer holziger Chypreduft“ ist bei Lubin zu lesen – das kann ich jetzt ehrlicherweise gar nicht nachvollziehen. Grün – Ja. Holzig – ein bißchen. Aromatisch? Kommt auf die Definition an. Ich finde eher nein. Chypre? Wo? Sicher nicht. Zumindest nicht meines Erachtens nach.
Ohne jetzt in einen wissenschaftlichen Aufsatz über Chypres abgleiten zu wollen zitiere ich doch Wiki an dieser Stelle, welches zum Thema Folgendes zu sagen hat:
Chypre klassifiziert eine Familie von Parfüms, die aus einer hesperidischen Kopfnote von Zitrusölen wie Bergamotte, Orange, Zitrone oder Neroli, einer blumigen Herznote aus Rosen- und Jasminöl, und einer warmen, holzig-moosigen Basisnote aus Eichenmoos und Moschus bestehen. Die holzigen Aspekte einer Chypre-Komposition sind häufig durch charakteristische Nebennoten akzentuiert, meistens Patchouliöl, oft aber auch Vetiver oder Sandelholz.
Das sind also Chypres – mit all ihren Untersorten: Florale Chypres & ledrig-animalische, holzige und zitrische. Nun, trotzdem – für mich ist und bleibt ein Chypre ein mächtiges olfaktorisches „Brett“, ein eindringlicher und eindrucksvoller Duft und eigentlich klassischerweise mit (Eichen)Moos und dick und fett Patchouli drin, wobei die Sorte der Zitrusfrucht im Kopf jetzt mal zu vernachlässigen ist. Dieses Trio kreiert eigentlich immer, zumindest meiner Nase nach, mal mehr und mal weniger wahrnehmbare Lederkakzente. Und typische Vertreter sind für mich zum Beispiel der meiner Meinung nach absolut klassische, aber neue Jovoy Chypre, auch mein geliebtes fruchtiges Rosenchypre Eau Suave, die Klassiker Vol de Nuit oder auch Piguets Monster Bandit und so weiter…
Figaro hat dies alles nicht, wollte ich gerade schreiben, außer ein paar Zitrusfrüchten in der Kopfnote, wer hat die nicht. Und ich wollte schreiben, dass Figaro, den ich bereits auf meiner Haut getestet habe, für mich eine gewisse Ähnlichkeit mit Byredos Pulp hat, obgleich er nicht ganz so schrill ist wie dieser. Allerdings kommen beide Düfte auf einer sanften warm-süßen Basis zum Stehen (von mir aus auch liegen), sagen wir: jene trägt sie. Bei Pulp eine Basis mit einem Gourmandtouch (Pralinénoten, sehr lecker), hier eine gewohnt gute harzige Sandelholzbasis mit feinen (Vetiver)Rauchtupfern und Tonkabohne, jener Vanilleverwandten.
Wollte ich schreiben, wie gesagt. Jetzt aber rieche ich an meinem Teststreifen, der auf einer kleinen Anrichte vor meinem Monitor liegt, rieche, rieche, rieche – und beginne langsam zu verstehen, was mir wohl auf meiner Haut verborgen blieb, was der Stress des heutigen Tages zu verhinden wußte, eine vereitelte Entdeckung: Ich verstehe. Chypre. Rieche es auch. Sie sind wirklich da, Anklänge eines pudrigen, seltsam hell-dunkel-wirkenden Chypres, überlappt von jener eigenartigen und bemerkenswerten Fruchtigkeit, doppelt grün von Apfel und Feige nebst jener Pflaume und dem allgegenwärtigen Vetiver. Jener Mischung, die ähnlich gewöhnungsbedürftig anmutet wie Byredos Pulp, die aber auf der Haut sowas von tragbar ist. Und interessant.
Ich schätze Figaro sehr, genauso wie den angesprochenen und ebenso originären Pulp. Mit Sicherheit der auffälligste jener vier Düfte, die aber allesamt testenswert sind. Deshalb geht es morgen gleich weiter mit Bluff 😉
Bis dahin wünsche ich Euch alles Gute und einen schönen Tag, liebe Grüße,
Eure Ulrike.
P.S.: Fast vergessen – die Duftnoten: Kopfnote: Grapefruit, Bergamotte, Rosa Pfeffer, Kiefer; Herznote: Feige, Apfel, Pflaume, Koriander, Klee; Basisnote: Vetiver, Styraxharz, Sandelholz, Tonkabohne.
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