Des New Yorkers liebstes Kind

Schon wieder eine Reise in die Stadt, die niemals schläft. Nachdem uns erst kürzlich Ulrike dorthin entführt hat, um uns die neuen Honoré des Prés-Düftchen I love Carottes, Vamp in NY und Love Coco vorzustellen, geht unsere Duftreise heute wieder über den großen Teich. Allerdings nicht mit dem französischen Ökoduftlabel, sondern mit einer einheimischen Parfumschmiede: Bond No. 9. Ansässig in der gleichnamigen Bond Street mit der Hausnummer (na, ratet mal!) 9 im New Yorker Stadtteil Noho. Nein, das ist kein Schreibfehler; Noho ist das Gegenstück zu Soho, dem bekannten Szeneviertel Manhattans, und bedeutet North of Houston Street (im Gegensatz zu Soho ? South of Houston Street). Das bringt mich persönlich jetzt orientierungsmäßig nicht so wirklich weiter, da ich keinen Schimmer habe, wo denn jetzt genau die besagte Houston Street auf der Manhattanschen Insel zu finden ist, aber dafür gibt es ja das gute alte Internet. Aha, zwischen Greenwich Village und East Village im Süden Manhattans befindet sich der kleine Stadtteil Noho mitsamt der Bond Street und der Hausnummer 9.

Bond No. 9 hat sich gänzlich der Metropole am Hudson River verschrieben. Die gesamte Duftkollektion ist den Stadtteilen New Yorks, den Vierteln Manhattans, besonderen Lokalitäten oder den Stränden auf Long Island gewidmet, an denen der gestresste (und meist gut betuchte) Großstädter Ruhe und Erholung abseits des hektischen Alltags finden kann. Eine ganze Riege eben dieser Bond-Düfte hat in den letzten Wochen das ALzD-Sortiment geentert. Daher gilt: allerhöchste Rezensions-Eisenbahn!!

Wir widmen uns heute dem Duft So New York. Laut Herstellerseite ist das Eau de Parfum „a whiff of New York’s consuming passion above-all-else for chocolate desserts and frothy lattes“ – grob gesagt: des New Yorkers Liebling ist eine ordentlich aufgeschäumte Latte Macchiato und dazu ein leeeeecker Schokodessert. Dabei muss ich (und ihr bestimmt auch) sofort an eines denken: Starbucks. Mittlerweile kennt hier ja wirklich jeder die amerikanische Kaffeekette, deren neue Filialen allerorts wie Pilze aus dem Boden sprießen und in deren Sortiment allerlei klebrig-süße Kaffeevariationen (gerne auch mal mit einer schönen Portion Sahne getoppt, um die Kalorienzufuhr auch auf amerikanischem Standard zu halten) mit ellenlangen unaussprechlichen Namen zu finden sind. Genau so eine, vor Karamell-, Vanille- oder Toffeesüße (weiß der Himmel zwischen wie vielen verschiedene Sirupsorten dort mittlerweile zu wählen ist) triefende Latte Macchiato kommt mir spontan in den Sinn, wenn ich den Bondschen Duftslogan lese. Förmlich sehe, rieche ich auch schon das sogenannte Schokodessert, einen dampfenden, da noch warmen lecker-süßen schoko-schoko-schokoladigen Brownie. Himmlisch-köstlich! Und das nicht nur für den Augenblick, denn eine bleibende Erinnerung setzt sich noch im Moment des Hinunterschluckens sofort und für immer auf den Hüften fest. Mmmh, akute Schokogelüste überkommen mich! In solchen Momenten verfluche ich mich selbst immer ein wenig, habe ich doch aufgrund meiner ach so vernünftigen Einkauftaktik („Kaufe keine Süßigkeiten, denn die stopfst Du Dir ohnehin nur im Unverstand rein!“) eigentlich nie Schokolade im Haus und auch sonst keine Süßigkeiten. Normalerweise vermisse ich da auch nichts. Nur blöd, wenn einen dann doch mal der Schokojieper packt; und sei es nur alle Jubeljahre…. Doch zurück zu besagtem Duft und der Kaffeekette, deren Namen übrigens in Anlehnung an eine Figur aus dem Roman Moby Dick gewählt wurde.

Ganz falsch scheint meine Assoziation nämlich nicht zu sein, findet sich doch auf der Herstellerseite zum Duft ein Bild der Freiheitsstatue als busy Businessfrau, ganz New Yorkerin, mit Zeitung unter dem Arm, Handy am Ohr und einem verdächtig bekannten To-Go-Becher in der Hand, der mich doch stark an die im Sommer angebotenen Frozen-Coffee-Shakerato-Varianten der oben genannten Kaffeekette erinnert. Ein bisschen traurig schaut sie drein, die gute Lady Liberty, wie ich finde. Außerdem steht ihr die Farbe ihrer Bluse nicht ganz optimal zu Gesicht und ganz ehrlich: mit dem lässig ins Jackentäschchen gestopften Parfumflakon würde ich keine fünf Meter weit kommen und, schwupps, wäre er mir schon auf den Boden gefallen und zerschellt. Aber da bin ich vielleicht auch einfach zu tollpatschig. Die Freiheitsstatue hat das wohl alles besser im Griff, wenn da nur nicht der traurige Blick wäre…. vielleicht weil sie in all der Großstadthektik ihren Brownie zur Siruplatte vergessen hat, wo die zwei Sachen doch „above-all-else“ zum Glück des gemeinen New Yorkers zusammengehören. Eine mögliche Erklärung! 😉

Doch genug gefrotzelt, weiter zum Duft! Die Ingredienzien: Mirabelle, Kaffee, Kakao. Mal wieder recht übersichtlich das Inhaltliche betreffend, was ja nichts Schlechtes bedeuten muss wie wir die letzten Wochen bei diversen Giacobetti-Düften ja schon das ein oder andere Mal erleben durften. Einmal wieder zeigt sich die nun schon öfters aufgetretende Divergenz zwischen Teststreifen und Haut. Beginnen wir heute mit dem Teststreifen: Hier offenbaren sich direkt nach dem Aufsprühen likörige Fruchtnoten. Diese verbleiben eine geraume Zeit bis sich zarte Kaffeenoten hinzugesellen. Keine wässigre Filterkaffeebrühe, nein, schöner dunkler Espresso, der aber der Fruchtigkeit nie den Rang abläuft. Der Kakao tritt in dezenter Buttrigkeit in Erscheinung, verleiht cremige Noten und rundet ab. Insgesamt dominiert auf dem Teststreifen aber eindeutig die Mirabelle, meiner Nase nach in Form eines fruchtigen Mirabellenlikörs.

Auf der Haut nun ein anderes Bild: Ganz kurz nur sind die likörigen Mirabellennoten zu erschnuppern. Hier liegt die Betonung auch eher auf dem Likör als auf der Fruchtigkeit. Dann betritt auch schon die Schokolade die olfaktorische Bühne: dunkel, kräftig, einfach lecker-gourmandig. Die zartbitteren Schokonoten vereinen sich mit dezenten Kaffeenuancen, die eine leichte Herbe mit ins Spiel bringen. Vor meinem inneren Auge sehe ich zartschmelzende Kaffeeschokolade vor mir – ob in Tafelform oder geschmolzen als köstliches Heißgetränk. Der Duft besänftigt mein immer noch erzürntes Gemüt über den nicht vorhandenen Schokovorrat in meinen Küchenschränken. Bei dieser Duftentwicklung brauche ich keinen echten Süßkram – mein Schokojieper ist verflogen, die ideale Ersatzbefriedigung gefunden. Im weiteren Duftverlauf gewinnen cremige Noten die gourmandige Oberhand. Warme Kakaobutternoten erzeugen wohlige Kuschelmomente. Herrlich! Göttlich! Fast würde ich mir wünschen wir hätten schon Winter. Dann würden So New York und ich auf dem Sofa vor dem knisternd-brennenden Kamin sitzen, eine kuschlig-weiche Cashmeredecke um den ewig fröstelnden Leib geschlungen und den dicken Schneeflocken bei ihrer Reise zur Erde zusehen. Mmmh, träumen kann so schön sein!

Doch wie meistens, sieht die Realität anders aus. So besitze ich weder einen knisternden Kamin noch eine kuschlig-weiche Cashmeredecke. Aber bis es richtig Winter wird habe ich ja noch ein wenig Zeit mir letzteres zuzulegen. Als Kaminersatz könnte ich mir ja eine dieser Knisterkerzen anschaffen. Mal sehen! Meines Erachtens nach ist So New York ein idealer Begleiter für die eisige Jahreszeit, der ob seiner Transparenz und Leichtigkeit auch für Gourmand- und/oder Schokozögerer eine Duftoption darstellen könnte.

Noch immer in winterlichen Träumen gefangen, wünsche ich Euch einen schönen Tag,

Eure Stephanie.

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

4 Kommentare

  1. Annette
    14. Februar 2012
    Antworten

    Hallo,

    Prinzipiell bin ich ja kein Fan von dezidierten „Leckerschmeckerdüften“ – dieser ist der erste _ausgesprochene_ Gourmand, der seinen Weg zu mir gefunden hat, aber, wow! der hat was!

    Diese Stadthommage von Bond No. 9 entwickelt sich nicht im Sinne eines linearen Duftverlaufs, sondern sie wechselt immer wieder ihre Facetten, sie offeriert mal die eine, mal die andere Note im Vordergrund und *yummy* was für Noten –

    „So New York“ ist eine dekadente, herrliche Scho-collage: das geht von super-double-choc-Brownies über Tassen dickflüssiger, dunkler, sahniger heißer Trinkschokolade, von zartbitter-schmelzend-vanilliert zu karamelligem Latte Macchiato, hat eine deutliche, wunderschöne Haselnußnote, dazu Anklänge von Kakao, von siruparomatiserten Starbuck-Köstlichkeiten… rundherum lecker!

    Trotzdem gleitet das Ganze nie in kleinmädchenhafte pappsüße Naschhaftigkeit ab. Bei all der schwelgerischen Schokoüppigkeit bewahrt der Duft durchgehend eine gewisse Leichtigkeit und bleibt stets angenehm erwachsen. Einfach schön!

    Für das momentane kalte Wetter bestens geeignet, kann ich mir „So New York“ für de Sommer nicht wirklich vorstellen, aber im Moment – eindeutig ein wunderbarer Winterspaziergangsbegleiter 🙂

    Liebe Grüße!

    Annette

    PS: Als Spontaneinfall hatte ich mir für die Vorstellungsrunde eine Probe von „So New York“ gewünscht, getestet, dann meinen Eindruck dazu getippselt, die AlzD-Rezension dazu hier zum Kommentar posten rausgesucht und mußte dann gerade sehr lachen 😀 Steffi hat in ihrem Artikel nämlich alles auf das Trefflichste _genauso_ beschrieben.

    Schocoholics united! *lach*

  2. Avatar-Foto
    Ulrike
    15. Februar 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Annette,

    yep, in So NY ist alles drin, was das Süßmaulherz begehrt an amerikanischen Köstlichkeiten: Vom Muffin über den Brownie hat man hier nachhaltig bei Starbucks gewildert und, das ist das schöne daran, ist dabei null infantil geworden. Das ist wahr – er ist erwachsen und bewahrt sich eine gewisse Leichtigkeit, der Duft. Und rutscht deshalb nicht in klebrige Gefilde ab. Insofern ist er ein perfekter Seelenschmeichler bei kühlen Temperaturen. Und – ich bin ein echter Fan der fruchtigen Mirabellennoten, die sich da in dem Schokobad räkeln 🙂

    Viele liebe Grüße zurück

    von der jetzt heftig nach etwas Süßem gierenden Uli 😉

  3. Annette
    15. Februar 2012
    Antworten

    stimmt, die Fruchtnote ist schön!

    Und weil das Wetter so doof ist, gebe ich jetzt wegen der Mirabellen einen Barack pálinka (einen echten, nicht so ein billig’s Gepamps) aus – prost, liebe Uli, auf uns und wärmere Zeiten!

    (Das Büchlein von Siegfried Lenz liebe ich ja sehr, kennst Du, oder?)

    Liebe Grüße!

    Annette

  4. Avatar-Foto
    Ulrike
    15. Februar 2012
    Antworten

    Du meinst Schinkenpeter? Der würde gut zu Ménardos Patchouli24 passen 😉 Und gerne her mit Schnappes *sprach es und hatte sich gerade Whiskeynachschub bestellt, passend zum kalten Wetter*

    Liebe Grüße zurück und ein fröhliches Prosit! 😀

    Uli.

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