Inédite ist nun so etwas wie der Gegenpol zu dem gestrig vorgestellten Itasca, weil etwas komplett anderes: Vorgestellt wurde uns das Düftchen auf der Messe ursprünglich als Les Dragées d’Aziyadé, diesen Namen hat es wohl nicht behalten, schade eigentlich.
Inédite heißt übersetzt, traut man meinen bescheidenen Restkenntnissen des Französischen, soviel wie noch unveröffentlicht, ganz neu – eine Anspielung auf die Inspiration des Duftes: Die wohl mehr oder weniger unerfüllte Liebe des französischen Schriftstellers Pierre Loti (eigentlich: Julien Vaud) zu der Haremsdame Aziyadé. Loti verbrachte in seiner Zeit als Marineoffizier im Rahmen eines Einsatzes 1876/77 ein paar Monate in Istanbul und Griechenland, während denen er die tscherkessische Schönheit Aziyadé kennenlernte, die im Harem eines bedeutenden Geschäftsmannes lebte. Mit Hilfe der Hausangestellten kamen sie sich näher und begannen eine äußerst gefährliche Liaison, die für Loti zur Liebe seines Lebens werden sollte – bis an sein Lebensende soll er einen goldenen Ring getragen haben, der ihren Namen eingraviert hatte.
Wie fast jede große Liebesgeschichte ging natürlich auch diese tragisch aus: Loti schmiedete eigens Pläne für eine „Quasi“-Entführung Aziyadés aus Istanbul, um sie nach Frankreich zu bringen und dort zu heiraten – diese Pläne blieben Theorie, scheiterten somit, da es Loti an diplomatischer Hilfe zur praktischen Durchführung fehlte. So mußte er damit fertig werden und leben, daß er sie zehn Jahre später, bei seiner Rückkehr nach Istanbul, lediglich auf dem Friedhof in Eminonu besuchen konnte – am Goldenen Horn gelegen, wo sich die beiden wohl häufiger heimlich trafen.
Heute ist dort noch ein Café nach Loti benannt und sein Andenken wird in Istanbul generell gepflegt: Loti zeigte sich nämlich schon bei seiner ersten Ankunft (vielleicht auch mitbedingt durch seinen hormonellen Zustand dank der Liebesgeschichte?) komplett begeistert und verzaubert von der osmanischen Kultur und dem Orient, richtet seine Wohnung(en) demgemäß ein und war der späteren Türkei mit seinem politischen Einfluß dienlich.
Seine Erlebnisse mit Aziyadé verarbeitete er semi-autobiographisch in seinem gleichnamigen Werk, welches bereits 1879 erschien. In Frankreich gilt er als Vertreter des Fin de Siècle und gleichzeitig Begründer des literarischen französischen Exotismus und ist somit ein wichtiger Autor-“Meilenstein“ der französischen Literaturgeschichte.
Genug erzählt, nun zum eigentlichen Duft – die Ingredienzen: Kopfnote: Mandarine, Bergamotte, Rosa Pfeffer; Herznote: Koriander, Zimt, Gewürznelke, Heliotrop, Flieder, Nektarine, Damaszener Rose, Rose; Basisnote: Vanille, Iris, Patchouli, Kaschmirholz, Zedernholz, Weißer Moschus.
Natürlich sieht sich Inédite ein wenig beeinflußt von den typisch osmanischen Leckereien, als Dragees bezeichnet: Dem Lokum, welches wir in olfaktorischen Gefilden bereits von Herrn Lutens und Frau Mecheri kennen.
Rosenwasser fließt einem entgegen, garniert mit ein paar Hesperidenspritzern, und schon wird es warm: Vanille blitzt bereits hindurch, pudrig-würzige, von Pfefferpfeilen durchsetzt, welcher sich mit dem dezent-scharfen Zimt verbündet hat, Muskat ebenfalls in ihre Mitte nehmend. Jenes Trio bildet einen aufregenden Kontrast zu dem betörend mit Vanille und Heliotrop unterlegten Bouquet von Rosen und Flieder, auf einem holzig-weichen Lager ruhend, für dessen Untiefen sich Patchouli verantwortlich zeichnet.
Die sinnliche Tscherkessin von Herrn Loti scheint nicht ohne gewesen zu sein – diese duftende Gefährtin ist es ebenfalls nicht: Ein Florientale, der es in sich hat, angelehnt an die Süßigkeit Lokum und demgemäß auf Vanille & Heliotrop, anstatt auf Ambra setzend.
Ich bin mir sicher, daß einige Inédites Verführungskünsten erliegen werden 😉
Liebe Grüße,
Eure Ulrike.
P.S.: Habt Ihr die beiden neuen Lubins denn schon getestet? Ich bin gespannt auf Eure Meinung!
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