Auf unserer zweiten Duftreise entführt uns Herr Duchaufour auf den schwarzen Kontinent, genauer: nach Mali. Der westafrikanische Staat blickt einer düsteren Zukunft entgegen. Ohnehin bereits eines der ärmsten Länder der Welt, breitet sich die Sahara, die bereits zwei Drittel der Landesfläche ausmacht, von Norden her immer weiter gen Süden aus. In den nördlichen Regionen Malis ist daher die Selbstversorgung der Einwohner durch Tierhaltung und Pflanzenbau nur unter äußerst schweren Bedingungen möglich. Im Süden ist die Situation noch etwas entspannter. Es kommt häufiger zu Niederschlägen, was die landwirtschaftliche Lage erleichtert, aber dennoch nicht einfach macht.
In Hinblick auf die heutige Situation des Landes ist es kaum vorstellbar, dass Mali vor einigen Jahrhunderten einmal ein mächtiges und reiches Handelszentrum war, ja, gar eines der wichtigsten Afrikas. Das Reich Mali bezog seinen Reichtum hauptsächlich aus dem Gold- und Salzhandel und den damit verbundenen Transportsteuern. Handelsstädte, wie Timbuktu, strotzten nur so vor wirtschaftlichem Reichtum und kultureller Blüte. Weit über die Landesgrenzen hinweg waren sie berühmt und von einer legendären Mystik umgeben, die sich bis in die heutige Zeit hält. Vom Prunk und der Pracht vergangener Zeiten ist im heutigen Timbuktu kaum mehr etwas zu entdecken. Armut, Arbeitslosigkeit und Bürgerkriege haben ihre Spuren hinterlassen. Die Nachwirkungen lassen so manchen der meist amerikanischen Touristen, die der Stadt mit dem klangvollen Namen einer reichen Vergangenheit einen Besuch abstatten, enttäuscht nach Hause zurückkehren.
Nicht amerikanisch, aber trotzdem Tourist war Herr Duchaufour als er das Land am Niger vor einigen Jahren besuchte. Wie ihm die Stadt rein optisch gefallen hat, darüber haben wir leider keine Auskünfte, aber zumindest muss Timbuktu ein olfaktorisches Erlebnis gewesen sein; inspirierte die Stadt den L’Artisanschen Chefparfumeur doch zu einer gleichnamigen Duftkreation, die schließlich als Teil der bereits mehrfach erwähnten Travel-Series vom französischen Parfumhaus lanciert wurde. Hauptinspirationsquelle war hier wohl das sogenannte Wusulan, eine traditionell-westafrikanische Mischung aus Gewürzen, Hölzern, Wurzeln und Harzen, die zur Heimbeduftung sowie als Parfumersatz dient. Die geheimen Rezepte variieren von Familie zu Familie und werden stets von Mutter zu Tochter weitergegeben. Das Wusulan soll nicht nur für gute Raumluft sorgen, sondern nebenbei auch aphrodisisch wirken und so das Glück und die Liebe in der Familie halten.
Die Duftnoten: Mango, Rosa Pfeffer, Kardamom, Weihrauch, Karo Karounde, Papyrus, Patchouli, Benzoeharz, Myrrhe.
Frisch aufgesprüht dominieren zuerst fruchtig-säuerliche Noten, die ich der Mango zuschreiben würde. Alsbald gesellen sich trocken-scharfer Pfeffer und würziger Kardamom hinzu. Letzterem fehlt hier allerdings die aromatisch-frische Note, weshalb ich in diesem Fall nicht auf grünen Kardamom tippen möchte, sondern mehr auf die würzige schwarze Sorte. Im Hintergrund vernehme ich zart-grünliche Nuancen, die ich auch auf die Mango zurückführen würde. Weihrauch tritt deutlich hervor, umspielt von süßlich-floraler Karo Karounde, die dem balsamisch-würzigen Räucherwerk einen Hauch Exotik verleiht. Papyrus setzt zudem trocken-holzige Akzente. In der Basis sorgen Patchouli und Myrrhe für eine wohlige Wärme, in der ich leicht-zitrische Noten wahrnehme, während Benzoeharz subtil-zartbitterschokoladige Momente erzeugt.
Um ehrlich zu sein, bin ich ein bisschen überrascht ob der doch tatsächlich vorhandenen Leichtigkeit des Duftes. Für einen Weihrauchduft erscheint er mir recht transparent, da hätte ich anhand der Duftnoten und der Wusulan-Assoziation etwas Durchschlagenderes (nicht unbedingt gewünscht, aber doch) erwartet. Überraschend also in Hinblick auf die Intensität. Die Damen und Herren von L’Artisan Parfumeur selbst stufen den Duft als „wild, yet sophisticated“ ein. Ich würde statt wild vielleicht eher ungewöhnlich sagen, aber bei sophisticated stimme ich zu. Elegant, komplex, raffiniert. Timbuktu ist gänzlich entspannt und in sich ruhend; kein Duft, der mit der Tür ins Haus fällt, vielmehr entwickelt er sich langsam und gemächlich (sowohl auf dem Teststreifen als auch auf der Haut) ohne aufdringlich zu wirken. Und bleibt seinem Träger auch sehr lange erhalten. Selbst nach dem Duschen duftete mein Arm noch deutlich danach.
Ein sehr schön gemachter Weihrauchduft, aber in meinem persönlichen Travel-Series-Ranking muss ich Timbuktu dennoch leider, leider auf den zweiten Platz verweisen; hinter Fleur de Liane, meinen neuen tropisch-grünen Dschungelfreund. 🙂
Ein schönes Wochenende wünscht Euch,
Eure Stephanie.
Hi Stephanie,
schöne Beiträge! Schreib‘ doch mal was zu Eau d‘ Italie. Ich finde diese Reihe wird (vielleicht auch Gott sei Dank, denn somit bleibt es ein Insider ;-)) völlig unterschätzt!! (Abgesehen vom neuen Au Lac, der mich sehr an CK be / two) erinnert)….
Wie findest Du denn Timbuktu im Vergleich zu Dzongkha? Ich finde bei dem träfe „wild“ besser zu, obwohl ich beider sehr ähnlich in der Grundaussage finde?!
LG,
Stefan
Lieber Stefan,
eine gute Idee mit Eau d’Italie. Ich werde es im Hinterkopf behalten und demnächst darauf zurückkommen. 🙂
Nun zu Deiner anderen Frage: Zuviel vorgreifen darf ich nicht, denn die Dzongkha-Rezension kommt am Montag. Alle drei rezensierten Reisedüfte haben, wie ich finde, eine völlig entspannte und gelassene Grundstimmung. Timbuktu und Dzongkha sind sich von daher ähnlich, da sie meines Empfindens nach beide eher Herbst-/Winterdüfte sind und außerdem diverse Duftnoten (Weihrauch, Papyrus, Kardamom) gemein haben. Der dampfend-grüne Dschungelduft Fleur de Liane steht in der Dreierkombination als Frühling-/Sommerduft in dieser Hinsicht ein wenig im Abseits.
Mmh, würde ich Dzongkha wild nennen? Ich glaube, ‚verrucht‘ trifft es in meinen Augen besser. Was meinst Du?
So, damit möchte ich es nun erst einmal belassen. Nicht, dass sonst Montag die ganze Spannung weg ist. Nur soviel sei schon einmal vorweg genommen: Wenn ich zwischen einem von beiden wählen müsste, würe ich mich für Dzongkha entscheiden. Leder und Iris sind zwei absolute Reizduftnoten für mich, da kommt kein Weihrauch der Welt dagegen an. 😉
Liebe Grüße,
Steffi
Dzonghka ist meines Erachtens viel ruhiger als Timbuktu, der imho ein paar „heisse“ aufgeregte Gewürznoten hat (passend zum afrikanischen Setting), während Dzonghka mich an einen nebeligen Tag vor einem buddhistischen Tempel erinnert und, da würde ich Dir recht geben, liebe Steffi, absolut herbstlich wirkt – ich denke dabei speziell an den grauen November. Auch mir gefällt Dzonghka noch etwas besser als Timbuktu, obwohl ich es überraschend finde, wie transparent Timbuktu rüberkommt! Aber spätestens seit Passage d´Enfer weiss man ja, dass Artisan auch transparente, „leichte“ Weihrauchdüfte beherrscht.
LG, die fredi, die jetzt gespannt auf Montag wartet!!!