Vor Jahren kamen sie fast wie aus dem Nichts. Und ich weiß weder, ob sie etwas mit dem Aufkommen der Lohas, diesem von Paul Ray so bezeichneten neuen Konsumententyp (Lifestyle of Health and Sustainability = Lebensstil für Gesundheit und Nachhaltigkeit; ein solventer Konsument meist mittleren Alters, der gesund einkauft und durch gezieltes und bewußtes Kaufen und Konsumieren Nachhaltigkeit und soziale Wirtschaft fördern möchte) zu tun haben oder mit einer überregionalen Laune… Zumindest passen sie zum Zeitgeist.
Von wem aber rede ich? Ich rede von den ganzen guten alten Kulturpflanzen, die die letzten Jahre wieder vermehrt in den Blickpunkt gerückt sind, unter anderem auch, weil sie die Speise- und Getränkekarten jeglicher Trendlokale bevölkerten. Bärlauch zum Beispiel, dieser Knoblauchbruder, verbreitete sich vor einigen Jahren fast inflationär und es gab fast keine Karte mehr in der Republik, die er nicht überwucherte. Viele Bars, Cafés und Lounges haben sich dieser Mode ebenfalls angeschlossen und servieren mittlerweile Getränke, die meine Großmütter, hätte ich sie kennenlernen dürfen, sicher erfreut hätten: Holunderblütenschorle und Quittensaft, und, darauf wollte ich hinaus: Rhabarbersaft.
Den habe ich die Tage nämlich mal wieder schwitzender Weise in einer jener Locations getrunken und mich furchtbar ob jenes Trends gefreut, denn – ich mag sie, diese ganzen säuerlichen altmodischen Früchte und Beerenabkömmlinge, die da heutzutage gerne ins Glas plumpsen. Und ich mag sie auch in Düften. Rhabarber, das mag dem geneigten Leser bereits aufgefallen sein, gehört definitiv zu meinen Lieblingsfrüchtchen (obgleich er doch eigentlich dem Gemüse zugeordnet wird) und vermag es, meine Nase sofort in Alarmbereitschaft zu versetzen, findet er sich irgendwo in den Ingredienzen eines zu testenden Düftchens.
Ich könnte jetzt lange und breit darüber erzählen, weshalb ich Rhabarber so mag… Ein Aspekt dessen ist sicherlich, daß ich ihn als nostalgisch empfinde. Als alt, irgendwie beruhigend, als Konstante. Und als – verkannt. Ein Obst-Gemüse-Vergissmeinnicht quasi, welches unprätentiös irgendwo schlummert und bescheiden darauf wartet, daß man ihm seine Aufmerksamkeit schenkt. Ich mag diese säuerlich-fruchtige Herbe, die mir ein wenig melancholisch scheint. Und mich deshalb immer an die Bilder des schwedischen Malers Carl Larsson erinnert: Als einer der Urväter des schwedischen Wohnstils mit all seinen Farben, seiner Fröhlichkeit und seiner Leichtigkeit zeichnete er meist Szenen aus dem Alltag seiner Familie (er hatte immerhin acht Kinder), überwiegend idyllischer Natur und gerne auch in der Natur. Ich persönlich mag deren positive Ausstrahlung und ihre Unverstelltheit, ihre Authentizitiät, ihre Einfachheit – entdecke aber auch oft ein kleines bißchen Melancholie in ebenjenen Werken, vielleicht genau die Prise Salz in der Suppe (des Lebens)? Bevor ich jetzt ganz ins Trivial-Philosophische oder auch: Sentimentale abrutsche, kehren wir doch wieder zurück zum Thema Rhabarber in Parfums.
Es gibt einige Düfte, die schöne, mehr oder weniger präsente Rhabarbernoten beherbergen, ich habe viele davon auch schon hier vorgestellt: Rose Ikebana von Hèrmes aus der Hermessence-Kollektion zum Beispiel, jene zitrische Rhabarberrose oder Eau Radieuse, mein Futuristen-Cologne aus dem Hause Humiecki & Graef mit seiner Menthol-Banane-Rhabarber-Dröhnung, Profumi del Fortes Versilia Platinum, der schöne rauchig-holzige Vetiver-Rhabarber oder auch Ellenas Göttliche Bergamotte (in Begleitung von Rhabarber und Ingwer – haaach…) aus der The Different Company Kollektion. Desweiteren sollte auch Byredos Tulpe hier Erwähnung finden, die Steffi neulich vorgestellt hat, sowie Ulrich Langs Anvers 2, ein wirklich schöner, eigenständiger Immergeher, Pantellerias Maestrale oder Calé Fragranze d’Autores Mistero.
Rhabarber als Begleitung reicht mir aber manchmal nicht – an solchen Tagen greife ich dann sehr gerne zu Rhubarb aus der Series 5: Sherbet von Comme des Garçons (die im übrigen mit ihren zwei weiteren Düften Peppermint und Cinnamon, einer frischen Zimtvariante, im Ganzen sehr testenswert ist!).
Rhubarb ist – Rhabarber pur: Gleich nach dem Aufsprühen weht einem dessen frisch-grüne Säuerlichkeit entgegen, die sich gleichzeitig herb-fruchtig gibt. Holzige Noten lassen die Faserigkeit der Rhabarberstangen vor dem inneren Auge erscheinen, dezent unterstrichen von einer feinen, vanilligen Süße, die eigentlich keine Süße sein möchte, dem Duft aber permanent erhalten bleibt mit ihrer leichten Cremigkeit.
Hier ist vielleicht noch Bezug auf den Namen Sherbet zu nehmen – Sherbet heißt übersetzt so einiges, vornehmlich im gastronomischen Bereich: Es kann sowohl Brause heißen als auch für bestimmte Arten von Limonade stehen. Darüber hinaus bezeichnet Sherbet auch das Sorbet, jenen Eisverwandten, und ich denke, in genau diesem Zusammenhang ist Sherbet hier auch zu sehen. Wo Rhubarb im Duftverlauf ein wenig cremiger wird, erinnert der Duft mich nämlich genau daran: An ein gutes, halbgefrorenes Fruchtsorbet, eventuell mit einem Klecks Sahnejoghurt verarbeitet.
Vorsicht, meine Lieben – jedem, der Rhabarber mag, könnte dieser hier sehr gefährlich werden, es besteht wirklich Suchtgefahr! (Bei mir zu spät, ich bin schon erlegen…)
Einen schönen Tag wünscht Euch,
Eure Ulrike, süchtig.
Ein ganz wunderbarer erfrischender Rhabarber-Vanilleduft ist Ciel mon Jardin. Er erfrischt, kühlt leicht und hat dennoch eine wunderbar weiche vanillige Süße ….
liebe Grüße
Duca
Ich werfe auch noch einen Rhabarberduft in die Runde, Holygraphie von Comme des Garcons, nicht so säuerlich und leicht metallisch wie Rhubarb Sherbet, eher wie ein Rhabarberkuchen mit Baiserhaube und vanilligem Boden, lecker.
Liebe Grüße
Jutta
Ob der wohl Bryant Park von Bond No.9 toppen kann?