Mit diesem letzten Artikel zur Global Art of Perfumes mache ich unsere Serie diese Woche nun komplett. Zuviele Neuveröffentlichungen und -Entdeckungen galt es einfach zu erwähnen. Und, ich verspreche: Das nächste Mal werde ich die Messe(n) rechtzeitig erwähnen, vielleicht überlegt sich der eine oder andere ja einen Besuch, erwägt einen solchen in seinen Urlaub einzubetten oder wie auch immer. In jedem Falle ist die Global Art of Perfumes auf Fortsetzung angelegt, das bestätigten auch bereits Schnitzler und Kruschka auf der dortigen Pressekonferenz.
Nun aber noch zu den restlichen News, allen voran erstmal Lubin: Mit viel Liebe habe ich bereits für unseren Shop den Artikel über die Firmengeschichte von Lubin geschrieben – ich erlaube mir an dieser Stelle mal, mich selbst zu zitieren:
Das Haus Lubin, gegründet 1798, blickt ergo auf eine bemerkenswerte Geschichte und Tradition zurück: Es gilt als eine der ältesten Parfummanufakturen Frankreichs. Im Laufe der Zeit allerdings drohte der Stern unterzugehen. Lubin lanciert annähernd zweihundert Jahre lang Düfte bis in die siebziger Jahre, wird dann aber 1984 an das Haus Mülhens, ein ebenfalls altes Traditionsunternehmen, verkauft, das wiederum bald an die Wella-Gruppe übergeht. Im Hause Wella ist man 1999 geneigt, Lubin zu schließen respektive: kein Geld mehr in Lubin zu investieren – das wäre das Ende gewesen. Wäre.
Wäre da nicht jemand davon überzeugt gewesen, daß ein so altes, ehrwürdiges Haus nicht untergehen darf. Hätte da nicht jemand die Vision gehabt, Lubin wieder zum Stern am hiesigen Parfumhimmel zu machen. Die Rede ist von Gilles Thévenin. Thévenin, ehemaliger Guerlain-Manager und damaliger Rochas-Marketingleiter, erfährt von den Plänen, da Rochas ebenfalls der Wella-Gruppe zugehörig ist. Seine Reaktion: Er steigt aus und setzt alles auf eine Karte. Mittels seines annähernd kompletten privaten Vermögens kauft er Lubin auf, den ehrgeizigen Plan verfolgend, das geschichtsträchtige Unternehmen am Leben zu erhalten und ihm neuen Lebensatem einzuhauchen.
Das Glück kam Thévenin zu Hilfe oder besser: die ebenfalls langjährige Tradition von Mülhens. Ein altehrwürdiges Haus wie Lubin, hatte Mülhens einen Großteil des Archivs Lubins bewahrt – so konnte Thévenin diverse Dokumente und Rezepte mit übernehmen. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, daß einige alte Lubinklassiker erneut aufgelegt werden konnten und in Zukunft noch aufgelegt werden können.
Klassiker dürfen nicht sterben. Etwas, das mir bereits während meines Studiums immer wieder aufgefallen ist: Wie kann es sein, daß Schriften wie zum Beispiel welche des Herrn Fichte, seines Zeichens einer der einflussreichsten Philosophen des Idealismus, nicht mehr aufgelegt werden? Schriften, die maßgeblich die deutschsprachige, mehr noch: europäische Geistesgeschichte mit geprägt und beeinflußt, ja: gestaltet haben? Und ich mich dahingegen beim Betreten eines jeden Büchergeschäftes der Übermenge an Fußballerbiographien, der Lebensgeschichten diverse X, Y und Z-Promis nicht erwehren kann und mich in den Dieter-Bohlen-Veröffentlichungen vergraben könnte?
Berührt hat sie mich, die Mission des Herrn Thévenin. Wunderbar finde ich seine Idee und bewundernswert sein Engagement. Die Erhaltung, Renaissance und Weiterentwicklung eines Stücks genuin französischer Parfum- und somit auch Kulturgeschichte.
Umso mehr habe ich mich gefreut, diesen Herren auf der Messe persönlich kennenlernen zu dürfen. Und es zeigte sich, daß er von genau jenem Naturell ist, wie ich ihn mir ausgemalt hatte: Ein ehrgeiziger und engagierter Geschäftsmann, passioniert und mit Herzblut hinter seiner Firma stehend.
Im Gespräch erzählte er mir unter anderem, daß sowohl L’Eau Neuve als auch Le Vetyver vor allem in Deutschland hinter den Verkaufserwartungen zurückblieben – ich hatte es befürchtet. Warum eigentlich meine Damen und Herren? Es gibt einige Firmen, bei denen ich nimmer müde werde, sie zu promoten, auch gerne ganz offen. Lubin gehört definitiv dazu. Für mich stellt das L’Eau Neuve eines der schönsten klassischen Eau de Colognes dar, der Vetyver erreicht auf jeden Fall meine Top15, wahrscheinlich auch Top10 meiner Vetiverfavoriten und, Ihr Lieben – bei Vetiver bin ich wirklich anspruchsvoll und verwöhnt, zählt dieses Gräslein doch zu meinen Lieblingsingredienzen. Auch die Damendüfte können sich sehen lassen, allen voran Nuit de Longchamp, dieses Whiteflower-Chypre von 1934, welches ich in einer Reihe mit den alten Carons oder auch Guerlains stellen würde. Mir ist es schleierhaft, weshalb sich manche Lubins nicht besser verkaufen.
Herr Thévenin wußte aber auch einiges sehr Erfreuliches: Das göttliche Idole hat eine neue Umverpackung erhalten, eine sehr sehr gelungene und wertige, wie ich finde.
Und, noch besser: Es gibt vier neue Düfte. Jeweils zwei basierend auf L’Eau Neuve und auf Le Vetyver. Auf dem L’Eau Neuve fußt ein sehr interessantes Düftchen mit Vetiver und Feige – mein persönlicher Liebling: Eine moderne und äußerst eigenwillige Kreation mit sehr viel Charakter, unisex, vielleicht mit einem Tick ins Maskuline gehend. Hat mir auf der Haut umwerfend gut gefallen. Desweiteren kommt ein Duft namens Dragees d’Aziyade hinzu – Rose und Mandel, feminin und gleichwohl erwachsen raffiniert. Den Vetyver ergänzt eine Komposition namens Bluff sowie ein weiterer Duft – jenerwelcher eher frisch-hesperidiger, der andere ein eher holzig-frischer Kandidat. Bei mir kamen alle vier gut an – und darüber hinaus gibt es on top noch einen neuen Holzdeckel für die gesamte Riege, der die Wertigkeit der Linie ebenso wie das neue Idole-Outfit gelungen zu unterstreichen vermag.
Schon vor einigen Jahren hatte ich dieses Label entdeckt und nun ergab sich endlich die Möglichkeit eines Tests: Puredistance. Ein Duft, Puredistance 1, kreiert von Annie Buzantian – hier ein kleines Interview samt Schaffensüberblick. Was soll ich sagen? Ein seltenes Juwel, ein rares Kleinod. Der Signatureduft von Puredistance verkörpert exakt das, was sich der Gründer vermutlich darunter vorgestellt hat: Luxus. Er atmet Luxus, ist Luxus, ohne damit hausieren gehen zu müssen. Ein körpernaher Duft von eindrucksvoller Präsenz (unter anderem auch geschuldet der unwahrscheinlich hohen Konzentration von 32%!) und Femininität. In einem Wort: Erhabenheit – im philosophischen Sinne. Etwas Wahrzunehmendes, Wahrgenommenes, das dadurch bestimmt ist, daß ihm eine Anmutung von Größe innewohnt, ihm eigen ist, die über das herkömmliche Schöne hinausgeht. Puredistance ist das olfaktorische Äquivalent zu einer Augenweide, einem Ohrenschmaus – ein kostbares Vergnügen. … um mich ward es geschehen – das wird Euch demnächst eine diesbezügliche Rezension vergönnen.
Wie Amouage kommen auch XXXXX [Name aus rechtlichen Gründen entfernt] aus dem Morgenland – wir haben sie auch gerade in unseren Shop aufgenommen. Ich gebe es zu, ja – für europäische Augen mutet das Packaging, das typisch arabische, ein wenig suspekt an. Von diesem darf man sich aber nicht abhalten lassen, die vier Düfte zu testen: Zwei Damen, zwei Herren – alle vier von herausragender Qualität. Und was waren die Herren schön – allen voran ein balsamisch-holziger Duft, würzig-kühl und mit Weihrauch… erinnerte mich im spontanen Test an eine Mischung aus Amouages Jubilation XXV for Men und Montales Greyland – lecker! Ein Intensivtest folgt, das ist ja wohl klar.
Buchstäblich am Rande der Messe, nämlich „auf Eck“ des Standes von Thorsten Biehl bezüglich der Produkte und an der Sektbar des Abends betreffs der Person hinter den Produkten trafen wir auf Alexa Lixfeld. Die studierte Designerin ist bereits seit Jahren im Kunstbereich tätig und kreierte nun ihre ersten eigenen Düfte: Im ein wenig an Nasomattos Verpackungsdesign erinnernden Avantgardistenlook mit aus Beton geschaffenen Deckeln gekleidet verbergen sich die Parfums, vier an der Zahl, und lediglich schlicht mit Nummern als Namen bedacht. Mein Favorit komischerweise ganz klar die Nummer 1, eine Anamor-Schwester – obgleich zwei und drei die eher dunkleren Zutaten bereithalten, habe ich mich ganz untypisch in ein zartes, schüchternes Jasmin-
Maiglöckchen-Bouquet mit Tee und Moschus verguckt. Passiert.
Soweit so gut – soviel zur Messe. Ich freue mich schon auf das nächste Mal 🙂
Hier noch ein kleines Fernsehinterview zur Messe mit Mark Buxton sowie Frank Schnitzler zum Thema.
Einen schönen Tag Euch und viele liebe Grüße,
Eure Ulrike
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