Incredible India

Mit diesem Slogan wirbt das indische Fremdenverkehrsamt in Frankfurt und verweist auf die unglaubliche Vielfalt an Sehenswürdigkeiten, die Touristen ins Land am Indischen Ozean bewegen sollen. Sicherlich eine Reise wert. Auch wir begeben uns heute thematisch dorthin. Angesichts des anhaltenden Bindfadenregens über die Osterfeiertage bin ich über jede (Wetter-)Abwechslung froh. Da muntern sonnenscheinverwöhnte Fotos mit azurblauen Himmeln und exotischen Gebäuden, Menschen, Speisen, Gegenden ungemein auf… Juhuuu, auf nach Indien!!!

HajialiFarbenfroh präsentiert sich das Land am gleichnamigen Ozean. Etwas eingeklemmt zwischen hochgebirgig-eisigem Himalaja und strahlend-blautürkisem Meer. Ein Land, das Gletscher ebenso sein Eigen nennen kann wie aride Gebiete mit beeindruckenden Wanderdünen, tropische Regenwälder oder endlos scheinende Traumstrände, die akute Bikinistimmung in mir hervorrufen.
Die Größe des Landes, die unterschiedlichen Landschaftsformen und die damit verbundenen unterschiedlichen klimatischen Bedingungen sind ausschlaggebend für einen unglaublichen Artenreichtum. Sowohl die Flora als auch die Fauna Indiens strotzt nur so vor Vielfalt. Und: „Viele Pflanzen“ bedeutet in diesem Fall auch „viele Duftpflanzen“. Die wurden auch schon in der Antike überregional gehandelt. Aber nicht nur das. Auch die Inder nutzten ihre heimischen Pflänzchen und die daraus hergestellten Duftstoffe reichlich, waren doch häufige Bäder und Waschungen Teil der religiösen Bräuche. Zur Pflege von Haut und Haar wurden anschließend duftende Salben, Puder und Pasten aufgetragen.

Das Manasollasa, ein mittelalterliches Nachschlagewerk von König Somesvara III., gibt nicht nur Einblick in die schönen Künste wie Architektur, Musik, Ornamentik und Kulinarik, sondern auch in das höfische Leben der königlichen Herrscher. So nahm der König, nach eigener niedergeschriebener Aussage, jeden Morgen in seinem reichlich verzierten Badesaal ein rituelles Bad. Dabei wurde er zuerst von schönen (!) Dienern mit warmem Wasser übergossen, die ihm dann die Haare mit einer duftenden Paste reinigten. Nach dem Abtrocknen massierten Athleten seinen Körper. Bestimmt ebenso schöne Dienerinnen rieben ihn anschließend mit duftendem Öl ein. Gewandet in frisch gewaschenen Baumwollzwirn konnte der Tag dann beginnen. Ach, ich glaube, man kann seinen Tag schlechter starten, oder nicht? 😉
Die Zusammensetzung des royalen Duftöls: Jasmin, Koriander, Kardamom, Indischer Basilikum, Costuswurzel, Schraubenbaumöl, Adlerholz, Kiefer, Safran, Champaka und Gewürznelken in einer Basis aus Sesamöl. Anhänger der traditionellen indischen Heilkunst Ayurveda werden die reinigenden, Energie verleihenden und sonstigen Eigenschaften der jeweiligen Bestandteile kennen.

Morning bathAber nicht nur bei Königs zuhause waren Körperpflege und Düfte Bestandteil des alltäglichen Lebens. Auch Normalsterbliche waren äußerst reinlich und pflegten ihren Körper penibel. Man bedenke wie lange in Europa Wasser als Krankheitsüberträger angesehen wurde und die körperlichen Ausdünstungen aufgrund der mangelnden Hygiene durch Duftstoffe und Parfums einfach nur übertüncht wurden… Natürlich nur solange man zu den wenigen Glücklichen gehörte, die sich die exklusiv-teuren Duftwässerchen leisten konnten. Die restliche Bevölkerung miefte menschlich vor sich hin. Heutzutage, in Zeiten von Putzfimmel und Reinheitswahn bis zur letzten Mikrobe, kaum vorstellbar. Erst im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des Bürgertums, nahmen körperliche Sauberkeit und persönliche Hygiene in unseren Breiten allgemein einen merklich gesteigerten Stellenwert ein. Doch verlassen wir das müffelnde Europa vergangener Jahrhunderte und wenden uns wieder Indien zu, wo Damen und Herren ob der hohen Temperaturen gerne leicht bekleidet und stets duftend durch die Geschichte wandelten.

Inderinnen pflegten ihre dicken langen Haare, die seit jeher als kostbares Schmuckstück angesehen wurden, mit betörendem Jasminblütenöl. So bewahrte es auch bei häufigem Waschen seine Widerstandsfähigkeit, trocknete nicht aus und erhielt einen unvergleichlichen Glanz. Neben dem Körper wurden auch Tempel und häusliche Räumlichkeiten beduftet. Man wob das Wurzelwerk des tropischen Kuskusgrases (uns heute besser bekannt als Vetiver) zu Matten, hängte es in Fensteröffnungen, unter Vordächer, an Veranden, befeuchtete es und ließ seinen erdig-frischen Duft mit dem Wind durch Räume und Hallen tragen. Tempel wurden nicht nur durch Vetiver und so manches Räucherwerk zu wahren Häusern der Wohlgerüche. Ihre Bausubstanz bestand aus duftendem Sandelholz, das sich nicht nur durch seinen balsamisch-süßlichen Holzgeruch, sondern auch durch seine Termitenresistenz auszeichnet.

Colours of IndiaAnlässlich des indischen Frühjahrsfestes, dem Fest der Farben, wurden alle gesellschaftlichen Schranken aufgehoben. Man bespritzte sich gegenseitig mit gefärbtem, duftendem Wasser und huldigte den Göttern. Bei Feierlichkeiten wurden gerne Blumenketten aus betörend riechenden Blüten getragen, die den Feiernden, egal ob Braut oder Bräutigam, König, Gottheit oder Gast, um den Hals gehängt wurden. Sie sind mittlerweile fester Bestandteil indischer Festivitäten – in etwa vergleichbar mit den hawaiianischen Leis.

Die indischen Parfumeure und Parfumhändler bezogen ihre duftenden Rohstoffe und ätherischen Öle unter anderem aus der Stadt Ghazipur, dem indischen Pendant zu Grasse. Am Ganges gelegen und unweit von Varanasi, der heiligsten Stadt der Hindus, war Ghazipur lange Zeit berühmt für seine Parfums, sein Rosenwasser, sein Rosenattar und den Jasminanbau. Zwischenzeitlich ist es vor allem durch die weltweit größte (legale) Opiumfabrik bekannt.

So verbleibe ich in der Hoffnung, dass auch hier in Deutschland endlich bald der frühlingstypische, fast indische Blütenreichtum und Sonnenschein einkehren wird.

Eine schöne Restwoche wünscht Euch

Eure Stephanie.

Bildquelle: Haji-Ali Dargah von Humayunn Peerzaada und Morning Bath at Varanasi Ghats von Ilya Mauter, beide via WikiMedia Commons, sowie Colours of India von Marco Bellucci via Flickr. Some rights reserved. Vielen lieben Dank!

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

7 Kommentare

  1. fredi
    7. April 2010
    Antworten

    Dankeschön für diesen sehr interessanten kulturhistorischen Abriss! Was das Selbst – Beduften mit Parfums anbetrifft, war mir dessen relativ kurze Tradition in Europa schon bekannt. Aber dass die Raumbeduftung im indischen / asiatischen Raum schon so lange gepflegt wird !! Ich denke, das Thema Raumduft / Duftkerzen ist einer der grossen Trends im Interior-Bereich der letzten Jahre und hat sicher noch mehr Potential. Man kann ja immer nur ein Parfum auf einmal tragen – hat aber meist mehrere Räume, die man in verschiedenen Stimmungen beduften kann! LG, fredi

    • Ulrike
      7. April 2010
      Antworten

      Tjaja, wie recht Du damit hast – in jeden Raum paßt ein Raumduft, mindestens 😉

  2. Margot
    7. April 2010
    Antworten

    Liebe Stephanie,
    vielen Dank für diese wunderbare Reise und die interessanten Informationen über die Raumbeduftung. So eine Vetivermatte am Fenster wünsche ich mir hier auch!
    Liebe Grüße,
    Margot

    • Steffi
      7. April 2010
      Antworten

      Jaja, ein Raumduft kommt selten allein…
      Ich werde mich in nächster Zeit privat auch intensiver mit der Beduftung meines Zuhauses beschäftigen und kann Euch ja dann Bescheid geben, was wo meine Favoriten sind 🙂
      Eine Vetivermatte zur kühlenden Erfrischung vor dem Fenster könnte ich mir auch gut vorstellen… Mmmmh!

      Liebe Grüße, Steffi

  3. Ulrike
    8. April 2010
    Antworten

    Ich will bitte auch Vetivermatten vor die Fenster *quengel*!

  4. Christiane
    8. April 2010
    Antworten

    Au ja, ich auch!!! Wie wär es denn mit der Aufnahme der Matten ins ALzD-Angebot unter Raumdüften oder erlesene Kostbarkeiten? Oder als nette Dreingabe bei der monatlichen Verlosung? ;-))

  5. Ulrike
    9. April 2010
    Antworten

    Ich werde es mal weiterleiten – vielleicht findet sich ja wer im Büro, der sie in Heimarbeit knüpfen möchte für die nächste Verlosung *wegduck* 😉 😉

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