… versprach uns Kilian Hennessy mit Pure Oud, dem ersten Duft seiner neuen Linie Arabian Nights. Nachdem nun ein zweiter Duft in ebenjener erscheint, wollte ich das zum Anlaß nehmen und Pure Oud rezensieren – zugegebenermaßen nicht der einzige Grund für diese Rezension, aber alles der Reihe nach…
Rose Oud ist also Duft Nummer zwei und, genauso wie Pure Oud, eine Kreation von Calice Becker. Erscheinungsdatum ist der März und als Ingredienzen sind veranschlagt: Rose, Kardamom, Oud, Patchouli und Safran. Der Duft, dem in dieser speziellen Linie noch drei weitere folgenden sollen basierend auf Moschus, Weihrauch und Ambra, ist wie sein Vorgänger in der 50ml-Größe erhältlich und kostet um die 300 bis 350 Euro.
Ja, ich weiß. Jetzt setzen sich einige Beteiligte dezent. Eine Hausnummer. Mmmmh, wenn ich jetzt damit beginne zu erzählen und abzuwägen, ob und warum ich manche Preise von manchen Düften gerechtfertigt finde und/oder bezahlen würde, würde dieser Artikel ellenlang werden. Das wird er auch so schon, ergo spare ich mir das an dieser Stelle. Dafür möchte ich einige Takte zu by Kilian loswerden, der Firma von Kilian Hennessy.
By Kilian ist ein noch junges Unternehmen und, ich muß ehrlich sagen, mir ging es sehr ähnlich wie Alyssa in ihrem Artikel auf Perfumesmellingthis: Ich bin zwar nach wie vor ständig auf der Suche nach einem neuen heiligen Gral und dauernd willig, neue Düfte zu testen und lieben zu lernen, aber ich kann mich mitunter des Eindrucks nicht erwehren, daß es Firmen gibt (nicht nur neue, aber auch), die versuchen, mittels künstlicher Limitierung und gehobenen Preisen ihren Produkten ein exklusiveres Image und einen elitäreren Touch zu verleihen, als diese vielleicht verdient haben. Nichts gegen Limitierung an sich. Nichts gegen hochpreisige Düfte an sich. Beides muß aber irgendwie begründet und begründbar sein – zumindest für mich.
Insofern bin ich gerne mal skeptisch – bei by Kilian war ich es auch. Tja, ich habe lange einen Bogen gemacht um die Düfte aus einem Vorbehalt heraus, rein emotional begründet. Und – irgendwie unnötig. Die „normale“ Kollektion des Cognac-Erben Hennessy überzeugt nämlich durchaus mit einigen sehr schönen Düften, die auch von Luca Turin recht gut bewertet werden – nicht, daß dieser immer recht hätte, aber… Die üblichen Verdächtigen aus diversen der hier verlinkten Ami-Blogs und Foren sind da zwiegespaltener Ansicht – einige schätzen by Kilian, anderen ist das Drumherum zuviel, zu dick aufgetragen und nicht authentisch.
Marketingmäßig gibt by Kilian durchaus Gas: Der nach seinem Großvater Kilian Hennessy, Mitbegründer des LVMH-Konzerns (Moët Hennessy Louis Vuitton Group), benannte Firmeninhaber beruft sich auf Inspirationsquellen wie seine Liebe zur Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, zu der er in der Bibliothek auf dem familieneigenen Schloß St. Brice fand. Verlaine, Rimbaud, Balzac und natürlich Baudelaire („Manche Menschen lassen sich von Musik davontragen. Meine Seele beflügeln Düfte.“) nennt er – und wirkt selbst wie ein dandyesker Bohemien aus jener Zeit.
Seine dunkle, doch, ja, es paßt: schwarzromantisch angehauchte Kollektion sieht sich deshalb in vielerlei Hinsicht als Hommage, zitiert sie doch mittels vieler Anspielungen Hennessys Lieblingsautoren: Sein „L’Œuvre Noire“, das schwarze Meisterwerk (in Anlehnung an Marguerite Yourcenars L’Œuvre au noir), umfasst mittlerweile acht, anfänglich aber sechs Düfte, welche in drei Gruppen aufgeteilt sind: les Ingénues, les Paradies Artificiels und L’Orgie Parisienne. Die Naiven oder besser: jungen Wilden, angelehnt an das gleichnamige Gedicht Verlaines, für die Damendüfte Love – don’t be shy und Beyond Love – prohibited. Die künstlichen Paradiese, angelehnt an Baudelaires Metapher für die grüne Fee Absinth, für die Herrendüfte A Taste of Heaven – Absinthe Verte und Straight to Heaven – White Crystal. Und die Pariser Orgie oder Versuchung, angelehnt an Rimbauds gleichnamiges Gedicht, für die Unisexdüfte Liaisons Dangereuses – typical me und Cruel Intentions – tempt me. Hinzu kamen bisher noch Back to Black und Prelude to Love. Und eben jetzt die arabischen Nächte.
Ich persönlich mag natürlich dieses „Drumherum“, kann Hennessys literarische Begeisterung sowie seine Affinität zu Romantik, Fin de Siècle, L’Art pour l’Art und Co. sehr gut nachvollziehen und finde die Kollektion sehr schön, von einigen Ausnahmen abgesehen, und gut komponiert – wirklich berührt hat mich bisher trotzdem keiner der Düfte.
Kennt Ihr das? Es gibt einige Linien, denen ich neidlos zugestehen kann, daß sie durchweg sehr gut gemacht sind, fantasievoll umgesetzt und handwerklich ausgereift – aber manches läßt einen trotzdem komplett kalt. Es fehlt einfach die Saite, die zum Schwingen gebracht wird. Schade, aber wahr. By Kilian gehörte für mich, nachdem ich mich dann doch durch die Reihen getestet hatte, zu diesen Düften. Bis, ja, bis ich den Fehler machte, mir einmal Pure Oud anzuschauen…
Ja – auch diesmal weiß ich… Viele hier rollen die Augen und zucken mit den Schultern – schon wieder Oud. Hatten wir doch in letzter Zeit so oft. Und so wahnsinnig innovativ ist es jetzt nicht mehr. Noch mehr Oud? Muß das sein? Ja. Es muß. Wir haben 2010 und wir beziehungsweise ich habe bisher noch keinen einzigen Oud-Duft rezensiert. Ergo muß es sein. Ihr würdet sonst etwas verpassen, wirklich.
Jetzt aber endlich zum eigentlichen Duft – Für Pure Oud sind folgende Ingredienzen angegeben: Safran, Oud, Copahu-Balsam, Cypriol, Labdanum, Myrrhe und animalische Noten.
Was soll ich sagen – ich bin annähernd sprachlos… Pure Oud ist der Hammer. Gut, ja, – wenn man sein Parfum ätherisch mag, clean, sauber, nach Babypuder oder Wäsche riechend, sonnig, floral, leicht und unbeschwert – dann vielleicht nicht. Dann sollte man vielleicht an Pure Oud vorbeigehen.
Der Mann einer Freundin ist Toningenieur und reist ständig mit Filmsets durch die Welt – so war er auch kürzlich mehrmals im Oman und in einigen anderen arabischen Ländern und ganz glücklich, als ich ihn bat, doch auf dem Markt für mich mal nach Adlerholz und Oud zu sehen. Seine Frau, meine Freundin, möchte selten ländertypisches mitgebracht haben, schon gar nicht kleinen „Kitsch“ vom Basar. So hat er fleißig eingekauft für mich und ich kam in den Genuß einer ganzen Sackkarrenladung voll echtem Silberweihrauch sowie diversen Räuchermischungen und eben Adlerholz sowie Oudparfummischungen. Nachdem die ersten Räucherungen in meiner Wohnung vollzogen (und meine Katzendamen nachhaltig traumatisiert) waren wußte ich auch ansatzweise, wie Adlerholz in der Realität riecht.
Pure Oud riecht genau so, nur verzichtet der Duft auf die teils scharfen, allzu medizinischen Kanten, die in mancherlei Oudduft gerne mal zu Tage treten. Ich muß mich einfach den Rezensionen einiger anderer anschließen, die ich hier auch zitieren mag: Patty von Perfume Posse, Nathan Branch, Octavian von 1000 Fragrances sowie Grain de Musc.
Bei Grain de Musc ist zu lesen, daß Pure Oud riecht „like it ought to be the real stuff“: Samtig anmutend mit einem Hauch von Tabak aufgrund von Immortelle (dem kann ich mich nicht anschließen), in Leder getaucht und mit tintenartigem Castoreum. Das trifft es sehr genau: Ich rieche auch Tinte, tief dunkelblaue Tinte. Auf einem Brief, geschrieben auf einem alten „Desk“ mit (diesen ehrwürdigen riesigen alten Schreibtischen aus dunklem Holz, für die es, wie ich finde, kein deutsches Wort gibt) mit eingelassener lederner Schreibunterlage- und vermutlich ein Liebesbrief, wie es bei Patty zu lesen ist: Die getrocknete Tinte eines melancholischen Briefes zum Ende einer Affäre, von der man dachte, sie wäre die große Liebe…
Für Grain de Musc ist Pure Oud: „This is the dark, musty lair of a sleek-furred beast, with metallic saffron alluding to the blood of the prey. It’s purring, though“ – das trifft recht gut zu, auch.
Hennessy geht mit diesem Duft einfach einen Schritt weiter: Pure Oud ist Oud-Understatement, weil – nicht laut. Aber er ist finsterer, tiefer, ungewöhnlicher als die meisten Ouddüfte. Trocken, tintig, ledrig, holzig und mit dunkel-animalischen Akzenten verziert.
Ich könnte mir auch all die Worte sparen und mich einfach Patty anschließen: This shit rocks.
Liebe Grüße,
Eure Ulrike.
P.S.: Wenn es interessiert: Es gibt einige nette Interviews mit Herrn Hennessy über seine Düfte, seinen Werdegang, seine Intention(en) usw. – siehe hier: Vogue, Amica, Welt Online, W Magazine, BeautynewsLA.com
Vielen Dank an Kriss Szkurlatowski für das schöne Foto über stock.xchng!
… ach ja, zu beziehen ist der Pure Oud in Deutschland über Essenza Nobile – ich bin ihm im übrigen auch erlegen…
Hallo zusammen,
oh, was bin ich (es wird wohl eher mein Bankkonto sein) froh, dass die gesamte Kiliankollektion so gar nicht mein Fall ist 🙂
Aber nach diesen Kommentaren werde ich wohl nicht um den Pure Oudh herumkommen – zumindest probieren muss ich ihn
lg
Duca
Überleg es Dir gut liebe Duca, er ist gemein der Pure Oud! 😉
Ich wollte ihn eigentlich auch nicht lieben, eigentlich…
Liebe Grüße,
Uli.
Tja, nun hat es mich auch erwischt. Ich bin ob des Preises (schon der Pröbchenpreis ist heftig) ja ’ne Weile um den Duft herumgeschlichen. Aber Deine Beschreibung lockte und lockte. Und – Du hast auch noch recht: er ist wirklich phantastisch. Und das mir, wo ich doch dachte, dass mir als rothaarigem, auf Süß und Blumig stehendem Bleichgesicht Orientalen so gar nicht zu Gesichte / zur Nase stehen. Aber er ist wirklich unglaublich. Jetzt weiß ich ungefähr, wie sich „angefixt“ anfühlt – ich MUSS den Duft haben und sehen, was sich dafür einsparen lässt, denn leider ist der Geldbeutel deutlich kleiner als der Wunsch (oder ehrlicher die Sucht) der Nase.
Na ja, ich glaube, Margot schrieb neulich: lieber Parfum als Restaurant – das kann man ja noch ausweiten: Essen wird eh überschätzt, noch dazu in der Fastenzeit…;-)
Ein neues Opfer 😉
Und Du hast natürlich vollkommen recht: Essen wird überschätzt *sprachs und besprühte sich mit den neuen Errungenschaften*
Viele liebe Grüße,
Ulrike.