Es weihnachtet …

Heute ist der Tag nun gekommen – Weihnachten. Ich hoffe, alle von Euch haben Ihren Besorgungsmarathon ohne großen Streß und noch größere Nervenverluste hinter sich bringen können, um sich jetzt ganz dem Weihnachtsfeste und der Geruhsamkeit der folgenden Feiertage hinzuwenden.

Wie jedes Jahr ist die Weihnachtszeit bei mir immer eine (selbst)reflektierende, bisweilen sentimentale, häufig durchaus nostalgische Periode und so sind mir dieser Tage einige Weihnachtsklassiker wieder eingefallen.

Eine meiner Tanten wohnt schon seit über vierzig Jahren in den Staaten und beehrt meine Familie und mich seit Jahrzehnten mit riesigen Päckchen – zu Ostern, zu Geburtstagen und, die größten Päckchen, zu Weihnachten. Als Kind war es für mich alljährlich ein Erlebnis, diese großen Pakete zu öffnen. Was hierzulande oft als Kitsch bezeichnet wurde, begeisterte mich: Bunteste Weihnachtskugeln, wallende Prinzessinnengewänder – meine Tante wußte schon sehr genau, wie man kleine Mädchen erfreut. Auch Bücher waren häufiger darunter und so machte ich bereits früh die Bekanntschaft mit meiner bis heute liebsten Weihnachtsfigur: Rudolph, das rotnasige Rentier.

Ohnehin mag ich Geschichten um Outlaws und habe eine ausgeprägte Sympathie für Underdogs. Rudolph war wahrscheinlich einer der ersten Außenseiter in meinem Leben, der mein Herz im Sturm eroberte – genauso wie die Herzen vieler vieler anderer Kinder. Bereits seit 1822 wußte jedes (zumindest amerikanische) Kind, daß der Schlitten von Santa Claus, dem Weihnachtsmann, von acht Rentieren gezogen wird, die auf die Namen Dancer, Donder, Dasher, Prancer, Vixen, Comet, Cupid und Blitzen hören und der Geschichte „A visit from St. Nicholas“ (oder auch: Twas the Night before Christmas) des New Yorker Dichters und Professors Clement Clarke Moore entstammen. Etliche Jahre später, 1939, gesellte sich Rudolf als Rentier Nummer Neun dazu, erfunden von Robert L. May im Auftrag der amerikanischen Kaufhauskette Montgomery Ward. Diese hatte eine Haustradition: Als Werbegeschenk überreichte man den hauseigenen Kunden jedes Jahr zu Weihnachten ein Kinderbuch. Irgendwann wurde beschlossen, diese Bücher nicht mehr einzukaufen, sondern selbst als Herausgeber zu fungieren und so erfand May als Angestellter des Hauses die Geschichte von Rudolph: Das Rentier Rudolph, das als einziges eine rote Nase hat und wegen deren Leuchtkraft ausgegrenzt und aufgezogen wird von seinen Artgenossen. Bis zu dem Weihnachten, das so neblich ist, daß Santa Claus nur mit Hilfe Rudolphs die Geschenke rechtzeitig ausliefern kann – Rudolphs Nase nämlich leuchtet ihm den Weg. Und so wird Rudolph zum ersten Rentier, das fortan an vorderster Position den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen darf.

Bei youtube.com, der unerschöpflichen Quelle, habe ich sogar den Cartoon von Max Fleischer dazu gefunden, der mich als Kind so faszinierte – vielleicht werden ja auch bei Euch Reminiszenzen wach?

[Video leider nicht mehr verfügbar]

Ebenfalls ein Klassiker ist natürlich Carons Nuit de Noël. 1922 kreiert von Caron-Besitzer und Selfmade-Parfumeur Ernest Daltroff, erfreut sich der Duft bis heute vieler Fans, sagt nicht nur Lagerfeld von sich, daß er im Dezember keine anderen Parfums außer Nuit de Noël verwende…

Caron war schon immer ein Haus von und für Exzentriker und von dem Freigeist des federführenden Inhaberpärchens geprägt: Ernest Daltroff, Sohn aus reichem Hause, weitgereist und mit einer ausgeprägten Leidenschaft für Parfums und seine Frau und Muse Félicie Vanpouille, Modemacherin und Designerin, die seit ihrem Einstand bei Caron den, wenn man so will, PR- und Marketing-Bereich übernahm. Sie schrieb und zeichnete alle Annnoncen selbst, überlegte sich die Namen der Düfte und kreierte deren Flakons und Verpackungen. Dank ihrer Mitarbeit kamen die Geschäfte langsam in Schwung und Caron avancierte zu einem der ersten Häuser der damaligen Zeit – einem Ruf, von dem das Haus bis heute zehren kann. Ein durchschlagender Erfolg war etlichen Düften beschert, so unter anderem dem 1911 erschienen Narcisse Noir, der Stummfilmdiva Gloria Swanson gewidmet, 1919 erschien Tabac Blond, Daltroffs Huldigung an die rauchende Frau – damals mitnichten gesellschaftlich akzeptiert – , 1927 En Avion und in den Fünfzigern Coup de Fouet, der Peitschenhieb, mein Liebling – um nur einige zu nennen.

Nuit de Noël war ebenfalls ein Bestseller, in dem Jahrzehnt der Zwanziger einer der wichtigsten Düfte überhaupt – soviel einmal zur, wie ich finde, beeindruckenden Geschichte.

Ihr seht, das Outlaw-Thema läßt mich heute bei den Klassikern auch nicht los 😉 Ich verehre Caron als Haus – ich liebe diese Exzentrik, die Intention, die Düfte besonderen Menschen zu widmen und nicht jedem gefallen zu wollen. Und ich liebe die durchweg ausgefallenen alten Caron-Düfte, die der Odem vergangener Zeiten umweht. Ich scheue mich, hier das Wort old fashioned zu verwenden – sie sind es, ja. Aber sie sind nicht altmodisch in und mit dieser negativen Konnotation wie wir das Wort gerne verstehen. Nein – die Düfte sind nostalgisch. Aber all jenen Klassikern merkt man bis heute an, welch famose Parfumeurskunst dahinter steckt. Und tragbar sind sie alle noch bis zum heutigen Tage, ganz selbstverständlich – können sie qualitativ ohne weiteres mit dem mithalten, was uns der Markt dieser Tage so präsentiert.

Nun, was Nuit de Noël angeht, rekurriere ich gleich nochmals auf Clement Clarke Moore und den Anfang seiner Geschichte, welcher folgendermaßen lautet: „Twas the night before Christmas, when all through the house not a creature was stirring, not even a mouse.“ – Alles ist weiß, schneebedeckt und still, von einer majestätischen Ruhe… Diesen Zauber entdecke ich auch in Nuit de Noël, den man langsam auf sich wirken lassen sollte, braucht man doch ein Weilchen, um seine Komplexität voll zu erfassen.

Zuerst aber die Ingredienzen: Rose, Ylang-Ylang, Jasmin, Sandelholz, Hölzer, Moschus, sächsisches Moos, Ambra.

Direkt im Auftakt riecht Nuit de Noël tiefdunkel tintig und offenbart bereits seine dezenten, aber einzigartigen animalischen Akzente – herrührend von dem speziellen sächsischen Moos, einer Parfumbasis, die von Fachleuten als die originellste der Zwanziger bezeichnet wird. Diese bleibt im Duftverlauf bestehen, wird jedoch alsbald von einer dunklen, nelkenpfeffrigen Würze ergänzt. Aldehyde meine ich zu entdecken, ein Hauch dieser typischen Haarsprayfruchtigkeit, aufgefangen von einer Rose und samtig-moosigen Tönen sowie einer gourmandigen Aura, die stark an einen guten Cognac erinnert. Der Drydown, der die Hölzer ins Spiel bringt, ist, wie der ganze Duft, auf wundervolle Weise zugleich warm und von einer gewissen Süße geprägt aber immer auch trocken.

Nuit de Noël ist eine zeitlos schöne Weihnachtsnacht, definitiv.

Eine solche wünsche ich Euch ebenfalls von Herzen: Wunderbare Weihnachten und eine schöne besinnliche Zeit im Kreise der Menschen, die Euch am nächsten stehen! Und haltet Euch schön an Wilhelm Busch und treibt es nicht zu bunt, denn: „Zu Weihnachten getanzt im Schnee – zu Ostern Frost im Zeh.“

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Peme
    6. September 2019
    Antworten

    Hast du eine Idee wo ich nuit de noel als Parfum noch kaufen kann?

  2. Ulrike Knöll
    7. September 2019
    Antworten

    Hallo Peme,

    uuh, ja, schwierig … 😉
    Soweit ich es sehe, gibt es das Parfum noch bei Caron selbst, siehe hier:
    https://www.parfumscaron.com/en/nuit-de-noel-perfume.html

    Die Frage ist, inwiefern es verändert wurde, reformuliert aufgrund der IFRA-Regulierungen. NdN hat meines Wissens nach im Original eine nicht unbeträchtlichen Anteil Eichenmoos, das ist heutzutage streng limitiert wegen der IFRA-Kiste. Darüber hinaus wurde sicher über die Jahre und Jahrzehnte hin und wieder an der Rezeptur gefeilt, will sagen: ich vermute, dass man nicht nur einmal etwas verändert hat. Turin und Sanchez haben sich zu dem Thema auch ausgelassen und einige neue alte Kreationen von Caron „verrissen“.

    Im Netz gibt es einiges zu diesem Thema, siehe z.B. hier:
    http://www.basenotes.net/threads/242206-Vintage-Nuit-de-Noel-vs-current
    https://boisdejasmin.com/2005/06/caron-nuit-de-noel-perfume-review-vintage.html

    Bei ebay, etsy und Co. gibt es immer wieder ältere Flakons zu ersteigern, wobei das selbstredend Glücksspiel ist. Man weiß oft nicht, ob sie schon geöffnet wurden, wie sie gelagert wurden, ob sie gekippt sind oder nicht. Solltest Du da kaufen, würde ich bei richtig alten Flakons auch ein Umfüllen empfehlen in eine Apothekerflasche oder ähnliches. Mir sind ganz am Anfang meiner Laufbahn mal zwei alte Düfte innerhalb von Tagen nach dem Öffnen gekippt, weil die Flaschen eben nicht ganz dicht waren (sind viele ältere Flakons nicht) und die Düfte umgehend mit Luft reagiert haben.

    Im Endeffekt ist es bei solch alten Kreationen immer die Frage, ob man heute überhaupt noch die Möglichkeit hat, den Duft so zu riechen, wie er mal war. Bei den meisten Düften ist nicht wirklich bekannt, wie oft sie geändert wurden, darüber hinaus kann man sich selbst bei einem richtig alten Flakon nie sicher sein, ob der Duft nicht schon auf dem Weg zum Kippen ist. Es ist nämlich oftmals nicht so, dass der Duft sofort kippt, sondern er verliert zuerst bestimmte Noten, meistens Kopfnoten, entwickelt sich weiter …

    Ich hoffe, das hilft Dir 🙂

    Viele herzliche Grüße

    Ulrike

  3. Peme
    23. September 2019
    Antworten

    Ganz lieben Dank. Es ist halt ganz ehrlich so dass ich keine 220 € für einen duft ausgeben möchte den ich noch nicht mal kenne und deshalb bei Caron direkt nicht bestellen werde.

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