Herr Duchaufour und die Reiselust… Bertrand Duchaufour hat definitiv einen Namen in der Branche. Bekannt durch viele L’Artisan Parfumeur-Düfte, wo er mittlerweile Hausparfumeur ist, kreierte er auch für andere Firmen Wunderbares, das zum Teil großes Aufsehen erregte und etliche Liebhaber fand: So sind zum Beispiel Amouages Jubilation XXV-Düfte von ihm, für deren Männerduft ich sterben könnte, der schöne Gewürzling Baume du Doge von Eau d’Italie sowie deren anmutiges Gothic-Rosenmädchen Paestum Rose. Etliche Comme des Garçons-Düfte (Calamus, Mint, Harissa, Sequoia, Kyoto, Avignon und die komplette Series 5) gehen genauso auf sein Konto wie nicht zuletzt Cipresso di Toscana und das Colonia Assoluta (in Zusammenarbeit mit Jean Claude Ellena) – beide von Acqua di Parma.
Jedoch – bei L’Artisan Parfumeur hat Duchaufour nicht nur die meisten, sondern auch einige seiner schönsten Düfte lanciert: Angefangen bei Mechant Loup und Patchouli Patch sowie Piment Brûlant und Poivre Piquant aus dem Les Épices de la Passion-Set. Und, nicht zu vergessen: Seine Travel-Kollektion. Reise sei hier mitnichten verstanden als spezielle Reiseverpackung – nein, andersherum: Die Inspiration(en) dieser Düfte entstand(en) auf Duchaufours Reisen, und jeder Duft bildet einen anderen Augenblick ab, eine Momentaufnahme eines fernen Landes.
Eigentlich ja logisch, daß sich Parfumeure – genauso wie Literaten, Maler und viele mehr, besser: Künstler im Allgemeinen – durch alles und jeden in ihrer Umgebung inspirieren lassen, daß jede Kleinigkeit als Katalysator dienen kann, als Fokus, als Zentrum einer neuen Kreation. Und Reisen an und für sich sind naturaliter perfekt geeignet für neue Einflüsse, für Innovation.
Aber: Duchaufours Travelkollektion ist durchweg dermaßen gut gemacht. Und sie vermag seine (Reise)Impressionen auf so eindrucksvolle Weise zu vermitteln, daß einem alsbald klar wird, daß dieser Verweis mitnichten ein semikreativer Marketingkniff ist sondern – ja, die schlichte und schöne Idee eines olfaktorischen Reisetagebuchs.
Timbuktu machte damals den fulminanten Anfang, danach kamen Dzongkha, Fleur de Liane und der kürzlich erschienene Havana Vanille.
Nun legt Duchaufour prompt nach: Al Oudh ist sein neuester Streich, deutsch: Das Oud. Schlicht und einfach dieser Name, und somit auch ein wenig provokant. Ist doch gerade Oud, das aus dem Harz des Adlerholzes gewonnene Öl, die, sagen wir mal: Ingredienz der Saison – davon hatte ich es ja bereits in meiner Midnight Oud-Rezension.
„Die Reise ist der Mai, der alles neu macht“ – so Thomas Mann einmal. Constantin, der den Duft ja bereits vor einiger Zeit hier rezensierte, hat er wohl komplett umgehauen, salopp formuliert. Constantin gestand aber auch, daß die Oud-Thematik für ihn parfumtechnisch eine noch relativ neue ist. Kann Al Oudh als Duft besagtes Mannsches Reiseversprechen einhalten: Macht Al Oudh alles neu, ist er neu, wirklich neu, und lohnt sich der Test (oder gar Erwerb) eines (vielleicht) xten Oud-Duftes?
Ich würde sagen: Ja. Und ich muß dazu erwähnen, daß ich a) ein ausgesprochener Oud-Fan bin ergo b) diverse Oud-Düfte mein Eigen nenne und deshalb c) mittlerweile doch etwas wählerischer geworden bin, da mein Repertoire bereits eine große Spannbreite an Oud-Düften umfaßt.
Zuerst zu den Ingredienzen: Kopfnote: Kardamom, Dattel, Kumin, rosa Pfeffer; Herznote: Rose, Adlerholz (Oud), Neroli, Weihrauch, Safran, Leder; Basisnote: Zibet, Castoreum, Sandelholz, Patchouli, Myrrhe, Vanille, Tonkabohne, Atlas-Zedernholz.
Frisch aufgesprüht entfaltet Al Oudh sofort fruchtig-alkoholische Punschnoten, in denen man die bisweilen pflaumig anmutende Dattel sofort erkennen kann. Pfeffrig-würzig geht es in das Herz über, in welchem das Oud vollständig zum Tragen kommt: Dunkelsamtig arrangiert nebst Rose und Safran, verziert durch ledrige Akzente erinnert dieses Herzstück am ehesten an andere Oud-Parfums. Hinein ragen allerdings animalische Noten, die so eher seltener vorkommen und bereits die Basis ankündigen: Diese oszilliert zwischen ebenjenen sowie harzigem, patchouligetränktem Waldhonig und einem warmwürzigen Vanillebett.
Oud sollte man schon mögen, möchte man Al Oudh als neuen Freund gewinnen. Allerdings ist die Duchaufoursche Auslegung von Oud, wie eigentlich auch zu erwarten war, orientalischer (zumindest in dem für europäische Nasen typischen Sinne) als die meisten anderen Oud-Düfte: Holziger und gewürziger – das ist ja seine Spezialität -, süßer und weniger medizinisch-düster, wie es bisweilen zum Beispiel bei einigen Montale-Düften der Fall ist.
Liebe Grüße,
Eure Ulrike.
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