Mit wachsender Spannung und quasi scharrenden Hufes hatte ich den neuesten Wurf von Juliette has a Gun begierig erwartet. Denn, ich bin, ich gestehe: Ein Fan. Und zwar vom ersten Duft an.
Ich liebe sie alle, die bisher vier Düfte des Hauses, dessen Name auf den Aerosmith-Song „Janie’s got a gun“ sowie Shakespeares Romeo und Julia zurückgeht. Und ich mag das Konzept: Rock ’n‘ Roll-Parfum könnte man die Richtung nennen, moderne französische Parfums mit dem Quentchen Rock-Schick, auch, aber nicht nur für Rock-Chicks oder so ähnlich…
Schaut man sich den Ricci-Sproß einmal näher an, den durchweg ansehnlichen Knaben, läßt auch dieser Blick bereits Rückschlüsse auf die Intention des Labels zu: Ein Dandy und Ästhet, schöngeistig, elegant und ein bißchen, mmmmh, ja, verrucht oder vielleicht auch ambivalent, in Nadelstreifen gewandet und mit Borsalino und, ganz klar, jeder Menge Chuzpe ausgestattet.
An was für einen Frauentypus könnten sich diese Düfte nun richten? Genau. An weibliche Freigeister, die irgendwo zwischen Revoluzzerin und Diva, Künstlerin und Luder, Entdeckerin und vielleicht auch (und gerade) Mutter oszillieren und dabei in allererster Linie neben ihrer Freiheit ihr Frausein schätzen und leben. Die moderne Frau ist gemeint: Emanzipiert aber nicht über. Stylisch aber gleichzeitig unkonventionell.
So sind auch die bisherigen JhaG-Düfte Frauendüfte, die auf typisch französischer Parfumeurskunst fußen, allerdings eine sehr moderne Variation, einer sehr zeitgemäße Interpretation derselben darstellen. Dafür ist natürlich der Parfumeur, den Ricci für sein auf fünf Düfte angelegtes Projekt gewinnen konnte, genau die richtige Adresse – Francis Kurkdjian, unter anderem verantwortlich für: Acqua di Parma Iris Nobile (zusammen mit Françoise Caron), Armani Mania, Dior Cologne Blanche und Eau Noire, Elisabeth Arden Green Tea, Guerlain Rose Barbare, Indult (Isvaraya, Tihota, Manakara, C16), Gaultier Le Mâle, Narciso Rodriguez For Her (zusammen Mit Christine Nagel) und For Him, Yves St. Laurent Kouros, um nur die wichtigsten zu nennen. Beachtlich finde ich.
Kurkdjian zauberte für Ricci die ersten beiden Düfte der Kollektion, Lady Vengeance (2007) sowie Miss Charming (2007). Die Citizen Queen (2008) war Riccis eigener Entwurf, darauf folgte nun Midnight Oud.
Midnight Oud ist der vierte Duft im Bunde. Eine „europäische Vision von Oud“ soll er verkörpern, so der Pressetext, der auch bereits die Inhaltsstoffe verriet: Kopfnote: Safran, Papyrus, Damaszener Rose, Bergamotte; Herznote: marokkanische Rose, Geranie, Adlerholz (Oud), Castoreum; Basisnote: Patchouli, Sandelholz, Ambra, Moschus.
Ich weiß, ich weiß, was jetzt durch Euren Kopf gehen könnte… Schon wieder eine dunkle Rose? Oder: Schon wieder Oud? Oder: Erinnert mich an Montale… Oder: Hatten wir das nicht schon mal? Die Zusammensetzung ist nun nicht wirklich neu… Oder: Klassik-Frankreich meets Oud, geht das gut? Nicht, daß ich mir nicht alle diese Fragen auch im Vorfeld gestellt hätte. Aber, ehrlicherweise muß ich sagen, daß ich eine Art Gottvertrauen in das Label setzte – welches mitnichten enttäuscht wurde…
Obgleich das Oud-Thema in dieser Saison inflationär auftritt und insofern tatsächlich fast schon ein wenig überstrapaziert ist, sollte man sich von dieser Tatsache nicht von einem Test dieses meiner Meinung nach exzellenten „Düftchens“ (dieser salopp verwendete Begriff grenzt in diesem Zusammenhang fast an Frevel…) abbringen lassen – Midnight Oud entlockt dem Thema spielend neue Facetten.
Die Ingredienzen: Kopfnote: Safran, Papyrus, Damaszener Rose, Bergamotte; Herznote: marokkanische Rose, Geranie, Adlerholz (Oud), Castoreum; Basisnote: Patchouli, Sandelholz, Ambra, Moschus
Marie-Helene von Scented Salamander beschreibt ihre erste Assoziation mit dem schlichten Wörtchen „expensive“ – teuer. Dem kann ich mich nur anschließen – Midnight Oud riecht, frisch aufgesprüht, kostspielig, edel, sophisticated, allerdings sophisticated in einer sehr opulenten Ausprägung. Bereits in den Kopfnoten sind einige ganz typische Facetten des teuren Ouds herausgearbeitet, die man ansonsten selten in dieser Vielfältigkeit vorfindet: Likörig-pudrige Noten mit Fruchtakzent, an dunkelste, alkoholhaltig mit Kirschen oder Beeren gefüllte Schokoladenpralinen erinnernd, dann krautig-medizinisches Oud, unterstrichen durch erdig-samtenes Patchouli, gefolgt von Leder, allerfeinstem Glattleder – diejenige Note, die sich wie ein roter Faden konsequent durch den ganzen Duft zieht.
Ein Röschen ist natürlich auch im Spiel, denn um die zentrale Motivik der Rose drehen sich alle Düfte der Kollektion, der eine mehr, der andere weniger. In Midnight Oud ist die Rose Nebendarstellerin, allerdings durchaus präsent – anfänglich verwoben mit herbem Safran, mittig dann als Partnerin des Ouds. Die Basis des Duftes ist von einer samtigen Schwere, die immer noch einen leicht melancholisch anmutenden Hauch Patchouli atmet. Dieser vermag im Zusammenspiel mit dem Oud eine seltsame Art von Geborgenheit zu vermitteln, wie ich sie auch aus einigen Ouds von Montale kenne beziehungsweise dort wahrnehme. Ambra und Sandelholz schaffen eine hintergründige, karamellig-holzige Süße.
Ich mag Midnight Oud, sehr sogar. Für mich hat der Duft seine Vorgabe, eine europäische Oud-Variante zu sein, passgenau erfüllt: Das Oud ist von guter Qualität aber – gezügelter, weniger kantig, disziplinierter. Marie-Helene attestiert ihm in ihrer Rezension mehr Leichtigkeit – das würde ich nun nicht wirklich behaupten wollen, obgleich ich mich ihr anschließe, daß es ohnehin schwer fällt, im Zusammenhang mit Oud von leichten Düften zu sprechen. Bereits am Anfang der Scented-Salamander-Rezension wird erwähnt, daß dem Eindruck eines „teuren“ und eleganten Duftes meist ein klassisches Chypre-Parfum zugeordnet wird. Ihre persönliche Schlußfolgerung der Rezension ist demgemäß auch: „The expensive signature sillage is that of a shimmering chypre more than that of a moiré oud.“
Auch dieser Meinung bin ich nicht, obgleich Marie-Helenes Blog eines meiner Lieblingsblogs ist – zumindest nicht zwangsläufig. Natürlich – ein guter Chypreduft ist fantastisch. Weiblich, geheimnisvoll, verführerisch, stark et cetera – auf solch einen Duft passen tatsächlich einmal all jene Attribute, mit denen die Parfumindustrie gerne jedes ihrer Produkte vermarktet und die in ihrer Häufung oft eher nichtssagend wirken.
Aber – ich sehe in Midnight Oud nicht nur jenen reduzierten Architektenduft, wie Marie-Helene schreibt, die ihn als eher für minimalistisch gekleidete Damen und Herren tauglich betrachtet. Für mich ist der Duft vielmehr ein Duft für eine europäische Femme Fatale – ein durch und durch erwachsenes Exemplar, intelligent, kühl, überlegt und überlegen aber doch auch leidenschaftlich und emotional. Eine moderne Venus im (Kunst)Pelz – deshalb auch meine Assoziation mit genau diesem Helmut Newton-Foto. Charlotte Rampling, diese durchaus sehr ambivalenten britischen Schauspielerin fängt für mich in ihrer femininen Mondänität und ihrer spannungsgeladenen, weil sinnlichen Distanz exakt den Geiste Midnight Ouds ein.
Und mit diesem Geiste sind wir dann wieder in allerbester Tradition – man erinnere sich an die Lady Vengeance, diese kaltblütige Killerin, der mich damals eiskalt erwischte… bis heute (m)eine ganz große Liebe, vielleicht wird es ja Midnight Oud für mich auch…
Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße, Ulrike.
Liebe Ulrike,
ein Fan von Juliette has a Gun bin ich auch – für mich ist Citizen Queen der absolute Volltreffer… aber ganz nah dran kommen Midnight Oud, Vengeance Extrême und Calamity J. (irgendwie habe ich eine „Hass-Liebesgeschichte“ mit Calamity J. – kann so was sein mit Düften???).
Was hälst du von Vengeance Extrême ? Die vom Haus JhaG angegebenen Ingredezien sind mit Lady Vengeance vergleichbar, die Pyramide aber nicht. Ist Vengeance Extrême eine intensivere Version von Lady Vengeance?
L’Artisan Parfumeur auch hat manchmal die „Extrême“ Version eines Duftes – aber für mich sind z.B. Chasse aux Papillons und Chasse aux Papillons Extrême ganz verschiedene Düfte.
Und hast schon mal Romantina getestet? Ich leider noch nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass Romano Riccis Orangenblüte sehr spannend sein kann.
Dir wünsche ich eine sehr schöne Woche, liebe Grüße,
Isabelle
Huhuu liebe Isabelle,
ich bin generell ein Fan von Juliette has a Gun – genau wie Du, wie mir scheint 🙂
Die Lady Vengeance ist für mich der absolute Knaller und einer meiner immerwährenden Top5-Düfte. Midnight Oud liebe ich auch sehr, die Citizen Queen habe ich ebenfalls und bei Romantina zögere ich noch. Ich wollte ihn demnächst mal noch vorstellen, ich hoffe, ich komme bald dazu. Die Flut an Neuem hat mich schon wieder ziemlich überwältigt blogtechnisch.
So eine Love-and-Hate-Geschichte gibt es im übrigen sehr wohl bei Düften, liebe Isabelle, ich kann Dich da beruhigen 😉 Ein ganz gravierender Fall, bei dem LOVE! überwiegt, ist für mich Vero Profumos Rubj, und zwar das Eau de Parfum (wichtig!): Auf meiner Haut entwickelt Kumin im Zusammenspiel mit Passionsfrucht eine schweißig-faulige Note, die mitsamt den opulenten Weißblühern (Jasmin, indolischer!, und Tuberose) und den animalischen Anklängen wirklich etwas sehr Fieses hat. Aber, ich komme nicht umhin – ich finde diese Kombi trotzdem auf eine Art und Weise sehr sehr sexy… Und dann gibt es da noch zig andere Düfte, bei denen mich eine oder mehrere bestimmte Noten sowohl anziehen als auch abstoßen – Miroir des Vanités von Mugler z.B. oder Marte Arte von Battistoin.
Die extreme Rache ist für mich eine Variation der Lady, aber komischerweise eine nicht unbedingt intensivere, dichtere. Ich empfinde den Duft als herber, aber auf eine Art auch weniger schwer und natürlich weniger süß. Für mich konnte er das Original nicht toppen 🙂 Ich mag ihn, finde auch, dass man durchaus beide Düfte besitzen kann – weiß aber, dass ich immer zu der Lady greifen werde, ergo brauche ich nicht beide Düfte 😉
Viele liebe Grüße und ebenfalls eine schöne Woche,
Uli.
Bonjour Ulrike !
Lady Vengeance muss ich unbedigt wieder testen… als ich ihn zum ersten Mal gestestet habe, war ich schon so von Citizen Queen fasziniert, dass ich alle weitere JHaG Düfte „vergessen“ hatte. Aber eine süßere Variante von Vengeance Extrême ist sicher sehr, sehr interessant.
Du hast es wieder geschafft, mich absolut neugierig zu machen: ich kenne weder die Vero Profumo Düfte noch Miroir des Vanités noch Battistoni… Und ja: diese neue Düfte, die dazu noch fast jeden Tag erscheinen… es ist in der Tat überwältigend.
Upps… Nachricht zu schnell gesendet… Ich wollte noch einen schönen Tag wünschen 🙂
Lieben Gruß aus Berlin, Isabelle
Süßer und tiefer ist die Lady, wie ich finde. Und betörender, verlockender. ICH finde ja, dass man ihn unbedingt testen muss. Aber bei mir ist es auch ein Alltime-Favorit und wird auch immer einer bleiben 🙂
Vero Profumo ist in jedem Falle einen Test wert. Marte Arte gibt es leider nur noch in Restbeständen, der ist wohl vom Markt. Er ist ein netter Duft, allerdings objektiv betrachtet sicherlich kein totaler Knaller, wobei ich ihn sehr interessant finde und mir natürlich ein Fläschchen retten musste.
Der Spiegel der Eitelkeiten ist… besonders. Ich werde ihn irgendwann einmal rezensieren. Es ist ein Vetiver mit Lakritznoten, was ich überaus spannend finde. Allerdings hat er am Anfang irgendeine Note, die mich wahnsinnig stört – dafür ist die Basis ganz hinreißend. Ich kämpfe seit Jahren mit mir, ob ich ihn brauche 😉
Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Ulrike.
Es heißt denn, ich werde die verlockende Lady ordentlich testen!
Schönes Wochenende!
Isabelle
p.s.: bis jetzt hat mich bei Mugler nur Womanity interessiert… und seit langem frage ich mich, ob ich ihn brauche oder nicht.
Ich bin bei Muglers Womanity natürlich schwach geworden 😉 Generell ist Mugler aber (neben Hermès, Bulgari und Burberry) eine jener „Mainstream“-Firmen, die häufiger mal etwas für mich haben. Ok, man muss auch wirklich dazu sagen, dass die Parfumeure, die alle genannten beschäftigen, zum Teil wirklich exzellent sind.
Und ja, teste die Lady! Ich bin wirklich neugierig, ob Du sie magst!
Viele liebe Grüße,
Uli.