Kapitel III: Die Zukunft des Duftes
Erst einmal die Fakten: Ein Mensch nimmt nur knapp 350 verschiedene Duftmoleküle direkt wahr. Für jeden dieser Duft-Eindrücke besitzt er Riechzellen in der Nase. Gerüche setzen sich aber aus unzähligen Molekülen zusammen – wie eine Momentaufnahme eines ganzen Symphonie-Orchesters. So kommen wir auf ein „Vokabular” von geschätzten 10.000 Duftmustern.
Diese Vorgehensweise des menschlichen Riechorgans, aus einigen „Tönen“ ein Ganzes zu komponieren, könnte unser Multi-Media-Leben in Zukunft verändern. Wer im Internet auf die Website seines Lieblings-Restaurants geht, wird zum Beispiel vom Duft frischer Speisen begrüßt werden. Wer bei Aus Liebe zum Duft shoppen geht, könnte online alle Düfte probe-riechen. Spinnerei? Mag sein, aber doch schon „in-the-making“. In den USA wird gerade ein Produkt namens „ismell“ getestet, das an den Computer angeschlossen wird und dem Internet einen Geruch verpassen soll. Der Mini-Apparat kombiniert die in ihm enthaltenen Basis-Aromen zu über 2.000 Gerüchen. Diskutiert wird auch bereits die Verwendung als Begleit-Accessoire zu Video-Games. Dann haben wir bei Autorennen den Geruch qualmenden Gummis in der Nase, bei Piraten-Strategie-Spielen den Pulverrauch aus zahllosen Kanonen. Auch nicht schlecht.
Und prompt gehen Produkt-Entwickler den logischen nächsten Schritt: Auch im Kino soll es riechen. „Smelling-Cinemas“ könnten schon bald die visuellen und akustischen Eindrücke mit olfaktorischen Reizen zu einem noch nie dagewesenen Gesamt-Erlebnis verpacken.
Und sogar ein medizinischer Nutzen der Aromatherapie wäre möglich. Ein deutscher Forscher hat ein Molekül entwickelt, das nach Jasmin duftet und schon an müden Mäusen durchschlagende Erfolge brachte: Wenn die Mäuse das müde machende Molekül riechen, schlafen sie sofort ein. Einen ähnlichen Effekt könnte der Duft bei Menschen haben und sogar zehnmal so stark wie Valium wirken…
So, wieso habe ich das nun alles erzählt? Weil mir der Duft dieser Dame in der U-Bahn nicht mehr aus dem Kopf geht. Weil ich mich ständig frage, woher ich diesen Geruch kannte und wieso er so eine Wirkung auf mich hatte. Das will mir zwar a-b-s-o-l-u-t nicht einfallen, aber dafür habe ich jetzt so viel nachgedacht über die Wirkung von Düften, dass ich eines weiß: Wenn ich die Dame wieder sehen sollte, werde ich sie doch ansprechen. Ich werde sagen: „Entschuldigen Sie, ich mag Ihr Parfum“ und aussteigen. Und ohne mich umzudrehen weiß ich doch, dass die mürrische Dame lächeln wird. Denn – Technik und modernes Marketing hin oder her – das ist für mich die Wirkung von Düften: sie schmeicheln wie ein schönes Kompliment, das man morgens überraschend in einer überfüllten U-Bahn bekommt.
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