Feigendüfte gelten unter Duftfans als besonders spezielle Vertreter der Kategorie der fruchtigen Düfte. Der Feigenbaum, die Feige, aus dem Mittelmeergebiet stammend, zählt nicht nur zu den ältesten domestizierten und kultivierten Nutzpflanzen – olfaktorisch betrachtet spaltet sie ebenso wie historisch-symbolisch die Gemüter: Entweder man liebt, verehrt sie, oder man verachtet sie.
So empfinde ich es zumindest immer, begebe ich mich in die Untiefen des Internets und dessen Parfumforen: In schöner Regelmäßigkeit kommt das Thema Feige auf den Tisch, ein Teil der Diskutanten ist dann gleich wieder weg und der andere immer und immer wieder auf der Suche nach der oder auch „nur“ einer weiteren Feige. Und derer gibt es genug, vor allem auch in ganz unterschiedlichen Ausprägungen: Grüne Früchte, (noch) unreife Früchte mit salziger Komponente, milchig, reife Exemplare von süßer Fruchtigkeit et cetera…
Für mich auf jeden Fall ein Grund, mich einmal näher mit dem hübschen Maulbeergewächs auseinander zu setzen, gibt es doch, seit Olivia Giacobetti mit L’Artisan Parfumeurs Premier Figuier den Feigenhype ins Rollen brachte, diverse Kandidaten, die näherer Betrachtung lohnen…
Dem ersten gebe ich auch zuerst die Ehre oder vielmehr: meine Nase. Premier Figuier (1994) ist gemeint, der, als erster Feigenduft geltend, eine ganze Welle an Parfums nach sich zog, die als Hauptprotagonist oder auch in einer Nebenrolle eine Feige ihr Eigen nannten. Giacobetti, die Parfumeurin, bekennt sich zur Feige als ihrem Glücksbaum und benennt Kindheitserinnerungen an einen warmen Sommer unter Feigenbäumen als Inspiration für ihren Duft.
Und in der Tat vermag es Premier Figuier die Feige, den Baum als Ganzes gekonnt einzufangen: das blattgrüne Laub, welches einem förmlich entgegenrankt genauso wie das sonnenwarme Holz und die Früchte, zum Teil noch grün und milchig, zum Teil aber auch schon satt-reif. Garniert mit einem Hauch Kokos sowie unterlegt von einer Ahnung süß-warmer Mandel und etwas Sandelholz ist Premier Figuier ein gelungenes und bis heute innovatives mediterranes Stillleben. Bemerkenswert auch, daß die Kokosnoten sehr gekonnt ausbalanciert sind und durch die feine, herb-süße Feigenfrucht sowie die grünen Noten eine gelungene Abrundung erfahren. Der Duft könnte insofern auch denjenigen gefallen, die um eine allzu präsente Kokos normalerweise einen Bogen zu machen pflegen.
Der nächste Testkandidat ist Patricia de Nicolaïs Fig Tea (2000), ein Duft aus der Eau Fraiche-Linie, die speziell für den Sommer konzipiert wurde. Alle dieser Düfte dürfen und sollen gerne auch großzügig verwendet werden aufgrund ihrer bewußt leichten Konzentration.
Die Ingredienzen: Kopfnote: getrocknete Feige, Osmanthus, Davana; Herznote: Maté, Koriander, Jasmi; Basisnote: Guajakholz, Ambra.
Fig Tea beginnt weißfloral mit weich-cremigem Osmanthus. Dieser wird ergänzt durch fruchtige Akzente, die eine deutlich wahrnehmbare Mangonote offenbaren – verursachendes Element hierfür ist Davana: die Essenz der indischen Pflanze weist geruchlich starke Ähnlichkeiten zu dieser Frucht auf. Zarter Jasmin gesellt sich ein wenig später hinzu, darüber hinaus kommen die Namensgeber zum Vorschein: grüne Matéteenoten sowie eine fruchtige, aber dezente frische Feige.
Fig Tea ist ein Duft wie ein leichter Sommerwind – leicht und unbeschwert weht er einen Hauch voller Blüten und fruchtig-exotischer Süße herüber, während die Teenoten für die nötige Frische sorgen. Der Duft ist ein sehr tragbarer, sommerlicher Kandidat für Freunde von leichten, fruchtig-floralen Düften – wer allerdings einen sich monothematisch um die Feige rankenden Duft erwartet, sollte besser zu einem anderen Feigenkandidaten greifen. Die Feige ist hier zwar Orchestermitglied, spielt aber nicht die erste Geige.
Als dritte im Bunde gesellt sich Miller Harris‚ Figue Amère (2002) zu unserem Feigenreigen. Diese Feige nun, von Haus aus als Unisex-Duft konzipiert, ist ein ganz anderes Kaliber: Nomen est omen – Figue Amère ist ein auf den ersten Blick bitteres Früchtchen. Inspiriert wurde die Parfumeurin Lyn Harris dazu von den Feigen auf Ibiza: Bitter und zum Teil noch grün, offenbaren sie eine ganz besonderen Kontrast von frischer Fruchtigkeit und einer gleichzeitigen Salzigkeit im Geschmack – dieser speziellen Ambivalenz wollte Harris mit Figue Amère Ausdruck verleihen.
Ambivalenz ist im Zusammenhang mit Figue Amère ohnehin ein äußerst treffender Begriff, offenbart der Duft doch verschiedenste Seiten. Zuerst einmal die Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte, Mandarine; Herznote: Narzisse, Rose, Veilchenblätter; Basisnote: Zedernholz, Ambra, Seemoos.
Figue Amères zitrischer Auftakt hält nicht lange vor und überläßt so alsbald ausgeprägten grünen Noten die Bühne. Diese wird von einer grünen Feige, Blättern, grasigen und floralen Noten bestritten, wobei letztere dem Ganzen eine Art ätherische Tiefe verleihen. Die versprochene Salzigkeit ist dezent wahrnehmbar, darüber hinaus aber eine leicht bittere Herbe. Die Blüten geleiten den Duft in seine Basis, die sich überraschend warm und holzig präsentiert: Ambra und Zedernholz, die Verantwortlichen, schaffen einen trocken-holzigen, aber dennoch pudrig-warmen Eindruck.
Figue Amère ist, ich will es nicht verhehlen, ein sehr spezieller Duft und somit sicher nicht jedermanns Fall. Eine erwachsene Feige, die in Ermangelung der sonst so oft in Feigendüften Verwendung findenden Kokosnote im Vergleich mit ebenjenen viel weniger foody ist, was sie meines Erachtens nach nicht minder interessant macht, ganz im Gegenteil. Bei mir ruft sie darüber hinaus auch immer die Verquickung von Feige und Meer wach – eben durch jene besondere Salzigkeit sowie den aromatisch-grünen Charakter des Duftes. Auch vermag ich in der eher dunklen Basis einige animalische Momente zu entdecken. Der Duftverlauf insgesamt ist sehr komplex und aufgrund seiner Wendungen und Wandlungen wie bereits erwähnt sehr ambivalent – ein Test auf der eigenen Haut insofern für einen Kauf unerläßlich. Für mich ist Figue Amère in jedem Fall eine gelungene Abwechslung, ein bemerkenswert „anderer“ Vertreter in der mittlerweile doch ziemlich großen Riege der Feigendüfte.
Ganz schön feige geht es auch nächste Woche nochmals weiter, denn ich bin noch nicht am Ende angekommen mit den Feiglingen – es folgen unter anderem noch: A la Figue von Satellite, Profumums Ichnusa, Parfumerie Générales No. 16, Diptyques Philosykos.
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